Kairo. . Der Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei hat auf einer Kundgebung in Kairo den Rücktritt von Präsident Mubarak gefordert. Derweil warnen deutsche Politiker zunehmend vor einer Machtübernahme durch islamische Fundamentalisten.
Der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei hat am Sonntag auf einer Kundgebung in Kairo den Rücktritt von Präsident Husni Mubarak gefordert. Mehrere tausend Demonstranten und ElBaradei ignorierten dabei das von den Behörden verhängte Ausgehverbot. Die Streitkräfte demonstrierten ihre Macht, indem sie Kampfjets im Tiefflug über die Hauptstadt donnern ließen. Polizisten kehrten auf die Straßen zurück, von denen sie in den letzten Tagen verschwunden waren, was von Plünderern und Vandalen ausgenutzt worden war.
El Baradei, der nach seiner Rückkehr unter Hausarrest gestellt worden war, sprach auf dem zentralen Tahrir-Platz über ein Megaphon zu den Demonstranten. „Euch gehört diese Revolution. Ihr seid die Zukunft“, sagte er. Vor Beginn des Ausgehverbots um 16.00 Uhr waren auf dem Tahrir-Platz - zu deutsch Platz der Befreiung - rund 10.000 Menschen, auch danach hielten sich dort noch mehrere tausend auf. Die wichtigste Forderung des Protests sei das Ende des Regimes und „der Beginn eines neuen Ägyptens, in dem jeder Ägypter in Rechtschaffenheit, Freiheit und Würde leben kann“. Der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hatte sich in den vergangenen Tagen als Führer einer Übergangsregierung angeboten.
Führungsrolle ElBaradeis akzeptiert
Am Abend fiel eine starke Präsenz frommer Muslime auf dem Platz auf. Ein Führer der Muslimbruderschaft, Essam el Erian, sagte der Nachrichtenagentur AP, er gehe mit anderen Führern der Bewegung auf den Tahrir-Platz. Einem Fernsehsender sagte er, die Bruderschaft wolle mit den Streitkräften einen Dialog aufnehmen. Er bezeichnete das Militär als „Beschützer der Nation“. Bei Sonnenuntergang beteten hunderte Demonstranten auf dem Platz.
Die Muslimbruderschaft hat erklärt, sie akzeptiere eine Führungsrolle ElBaradeis bei der Protestbewegung gegen Mubarak. Inzwischen scheint sie bei den Kundgebungen eine prominentere Rolle anzustreben, nachdem sie sich in den ersten Tagen in der Öffentlichkeit sehr zurückgehalten hatte.
Clinton fordert „geordneten Übergang“
Mubaraks Position nach 30 Jahren an der Macht wurde von einer offenkundigen Abkehr der USA von ihrem langjährigen Verbündeten weiter geschwächt. US-Außenministerin Hillary Clinton forderte in Fernsehinterviews einen „geordneten Übergang zur Demokratie“. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte demokratische Reformen und ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeigte sich über die Lage im Nachbarland besorgt.
Der SPD-Außenexperte Niels Annen hat schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft erhoben. „Das Glaubwürdigkeitsproblem des Westens besteht nicht darin, mit Mubarak zusammengearbeitet zu haben, sondern in der Tatsache, dass die USA und die EU es zugelassen haben, dass Mubarak alle politischen Alternativen zu seiner Herrschaft brutal unterdrückt hat“, sagte das SPD-Bundesvorstandsmitglied „Handelsblatt Online“ am Sonntag. Deutschland müsse sich daher „eindeutig“ für die Demokratie am Nil einsetzen. „Denn eine ambivalente Haltung des Westens schadet nicht nur dem Demokratisierungsprozess in Ägypten, sondern auch unserer eigenen Ansehen in der Region.“
Außenpolitiker warnen vor islamistischer Machtübernahme
Außerdem warnen deutsche Politiker zunehmend vor einer Machtübernahme durch islamische Fundamentalisten. Der „Bild“-Zeitung sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder (CDU): „Wofür die Opposition in Ägypten eigentlich steht, ist derzeit völlig unklar. Es ist fraglich, ob nicht die Moslem-Bruderschaft oder andere Islamisten von den Protesten profitieren - und das Land in eine andere Richtung steuern, als wir es wünschen.“
Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai sagte der Zeitung: „Ich befürchte, dass fundamentalistische Kräfte die Situation ausnutzen. Sie könnten Ägypten in die falsche Richtung lenken. Djir-Sarai zog einen Vergleich mit der Situation im Iran. Die Bilder aus Kairo erinnerten an den Sturz des persischen Schahs 1978, sagte der FDP-Politiker. Danach hätten islamistische Fanatiker die Macht im Iran übernommen.
Auch die Grünen zeigen sich angesichts der Entwicklung in Ägypten tief besorgt. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sagte dem Blatt: „Je schneller Ägypten zu Demokratie, wirtschaftlicher Entwicklung und sauberer Regierung zurückfindet, umso schlechter sind die Chancen für Islamisten. Deshalb ist eine zügige Machtübergabe Mubaraks an eine neue, demokratisch gewählte Regierung dringend notwendig.“ (dapd/Reuters)