Berlin. . Auch nach einer mehrstündigen Befragung von Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) im Verteidigungsausschuss des Bundestages sehen vor allem Vertreter der Opposition weiter Klärungsbedarf zu den jüngsten Vorfällen bei der Bundeswehr.

Auch nach einer mehrstündigen Befragung von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Verteidigungsausschuss des Bundestages sehen vor allem Vertreter der Opposition weiter Klärungsbedarf zu den jüngsten Vorfällen bei der Bundeswehr.

Nach wie vor sei unklar, auf welcher Faktengrundlage Guttenberg den Kapitän der „Gorch Fock“, Norbert Schatz, von seinem Kommando abgelöst habe, sagte der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold am Mittwoch in Berlin. Die Ausschusssitzung habe gezeigt, „dass das Verteidigungsministerium in weiten Teilen chaotisch ist“, sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour.

Weitgehend einig waren sich die Ausschussmitglieder darin, dass die Informationspolitik von Seiten des Verteidigungsministeriums gegenüber dem Parlament verbessert werden müsse. „Wir haben über alle Fraktionen die gemeinsame Feststellung: Der Minister täte gut daran, das Verhältnis zum Verteidigungsausschuss auf eine bessere, solidere Basis zu stellen“, sagte Arnold. Auch Vertreter von Union und FDP forderten vor allem mit Blick auf zunächst irreführende Unterrichtungen über den Tod eines Soldaten in Afghanistan schnellere und umfassendere Informationen zu Vorgängen in der Bundeswehr. Solche Pannen werde es „hoffentlich künftig nicht mehr geben“, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff.

Guttenberg sieht sich entlastet

Guttenberg sah sich und die Bundeswehrführung dagegen nach der Ausschusssitzung entlastet. „Was in den vergangenen Tagen an Vorwürfen geäußert worden ist, ist wie ein morsches Dachgebälk in sich zusammengebrochen“, sagte er nach der Ausschusssitzung. Der Minister kritisierte auch die „Qualität der Fragen“ einiger Abgeordneter. Er rief dazu auf, „sich mehr an Tatsachen auszurichten“ als an Vorwürfen. Guttenberg räumte allerdings ein, dass sein Ministerium das Parlament „unvollständig“ über den Tod eines Soldaten in Afghanistan unterrichtet habe, der von einem Kameraden offenbar versehentlich erschossen wurde. Hoff und der Sprecher der CDU/CSU im Ausschuss, Ernst Reinhard Beck, sprachen dem Minister trotz der Kritik an Einzelpunkten ihr Vertrauen aus.

Altkanzler Schmidt rügt Entscheidung Guttenbergs

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat die von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verfügte Suspendierung des „Gorch-Fock“-Kommandanten Norbert Schatz kritisiert. In der „Zeit“, deren Herausgeber Schmidt ist, erklärte der Altkanzler an die Adresse Guttenbergs gerichtet: „Um einen Rat gebeten, würde ich sagen: Sorge dafür, dass die Vorschriften eingehalten werden. Zu den Regeln gehört beispielsweise auch, dass über niemandem der Stab gebrochen wird, ehe er angehört wurde.“

Schmidt fügte laut Vorabbericht vom Mittwoch hinzu, diese Einschätzung beziehe sich nicht nur auf Schatz, sondern auch „auf die Entlassung des Staatssekretärs Peter Wichert und des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan“. Guttenberg hatte Wichert und Schneiderhan kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2009 entlassen. Sie wurden dafür verantwortlich gemacht, dass Berichte über zivile Opfer eines von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriffs in Nordafghanistan nicht korrekt im Ministerium weitergeleitet worden waren.

SPD und Grüne werfen Minister Fehlentscheidungen vor

Politiker von SPD und Grüne warfen dem Minister Fehlentscheidungen vor, etwa bei der Suspendierung des „Gorch-Fock“-Kommandanten Norbert Schatz. Der Ex-Kommandant der „Gorch Fock“ und andere Soldaten sollen nach dem Willen der Grünen im Bundestag zu den jüngsten Affären der Bundeswehr befragt werden. „Die lückenhafte Informationspolitik und die sprunghaften Entscheidungen des Bundesverteidigungsministers verlangen nach parlamentarischer Aufklärung“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Der von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg suspendierte Kommandant Norbert Schatz müsse die Vorfälle an Bord aus seiner Sicht darstellen können. „Der Untersuchungsauftrag des Verteidigungsausschusses muss dementsprechend erweitert werden“, forderte Künast. Koalitionspolitiker verteidigten die Personalentscheidung. Daneben geht es um den Unfalltod eines Soldaten in Afghanistan und die Öffnung von Feldpostbriefen.

Otte verteidigt Entscheidung des Ministers

Der Obmann der Unions-Fraktion im Ausschuss, Henning Otte (CDU), verteidigte die Personalentscheidung des Ministers. Angesichts des großen öffentlichen Drucks halte er die Suspendierung von Schatz für gerechtfertigt, sagte Otte dem Deutschlandfunk. Er plädierte für eine gründliche Aufklärung.

Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff, stellte sich hinter Guttenbergs Entscheidung. Sie sprach im ZDF-“Morgenmagazin“ aber von unangenehmen und zum Teil schlimmen Einzelfällen, die aufgeklärt werden müssten. Die FDP-Politikerin räumte zugleich ein, dass es im Verteidigungsministerium Informationspannen gegeben habe.

Der Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour warf dem Minister vor, er stehe vor dem gleichen „Kommunikationsdesaster“ wie sein Vorgänger Franz Josef Jung (CDU). Auch habe sich an der Arbeit und den Entscheidungsstrukturen des Verteidigungsministeriums unter Guttenberg nicht viel verändert, sagte er im ZDF-“Morgenmagazin“. In Bezug auf die schleppenden Informationen an den Verteidigungsausschusses über den getöteten 21-Jährigen sagte Künast: „Da ist die Frage ob er sein Ministerium angewiesen hat, immer wenn Todesfälle sind, dem Parlament auch unverzüglich und wahrheitsgemäß und umfassend zu berichten.“ Guttenberg müsse das Ministerium so organisieren, dass jedem klar sei, der Bundestag müsse informiert werden, die Bundeswehr sei schließlich eine Parlamentsarmee.

Am Nachmittag wird sich der Bundestag im Plenum mit den Affären befassen. Die Grünen hatten dazu eine Aktuelle Stunde beantragt. Fraktionschef Jürgen Trittin hat zur Aufklärung der Vorkommnisse bereits einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch gebracht. Dafür könnte nach seiner Auffassung der Kundus-Untersuchungsausschuss genutzt werden. (dapd/rtr/afp)