Berlin. . Die Bundeswehr hat große Probleme mit der Menschenführung. Das geht aus dem am Dienstag vorgestellen Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags hervor. Er prangert zudem drei gravierende Fälle von sexuellen Übergriffen auf Soldatinnen an.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), rügt in seinem Jahresbericht 2010 „zum Teil erhebliche Mängel“ im Führungsverhalten von Dienstvorgesetzten in der Bundeswehr. In seinem am Dienstag in Berlin vorgelegten Bericht stellt er zudem Defizite in der Ausbildung fest. Königshaus listet darin 4976 Eingaben auf, insbesondere im Bereich Menschenführung und Wehrrecht.

Vor wenigen Tagen erst hatte der FDP-Politiker gleich mehrfach auf Missstände in der Truppe aufmerksam gemacht. Diese Vorfälle reichen von geöffneter Feldpost über ungenügende Aufklärung bei einem Schießunfall in Afghanistan bis hin zu den Vorkommnissen auf dem Marine-Segelschulschiff „Gorch Fock“. Diese Vorkommnisse sind mittlerweile auch zu einer Belastung für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geworden. Guttenberg hat bereits erste Konsequenzen gezogen und will verstärkt gegen Rituale angehen, die das Ansehen der Bundeswehr beschädigen.

Keine systematischen Verstöße gegen die Menschenwürde

Königshaus sieht in der Bundeswehr jedoch keine systematischen Verstöße gegen die Menschenwürde und die Grundsätze der inneren Führung. Es gebe Einzelfälle von nicht hinnehmbaren Ereignissen, denen nachgegangen werden müsse, sagte der FDP-Politiker am Dienstag bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2010 in Berlin. Hinweise auf eine Systematik oder eine Struktur dahinter könne er aber nicht feststellen, sagte Königshaus zu Berichten über Exzesse und entwürdigende Rituale bei der Armee. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte deshalb eine umfassende Untersuchung zu Regelverstößen in der Armee bei angeordnet.

Mit Blick Schikanen, sexuelle Belästigungen und entwürdigende Praktiken sagte Königshaus, es gebe „sehr unappetitliche Dinge, die mir vorgetragen wurden“, denen nachgegangen werde. So seien ihm im vergangenen Jahr drei Fälle gravierender sexueller Übergriffe auf Soldatinnen bekanntgeworden, in denen die Staatsanwaltschaft ermittle. Königshaus wertete diese Zahl als erfreulich gering und als Beleg für eine funktionierende Dienstaufsicht.

Kritik an Vorgesetzen der „Gorch Fock“

Dafür, dass aber etwa auf dem Marine-Segelschulschiff „Gorch Fock“ systematisch gegen die Menschenwürde verstoßen worden sei, habe er keine Anhaltspunkte. „Dass es strukturelle Entwicklungen dahinter gibt, die beunruhigen müssten, kann ich nicht erkennen“, sagte Königshaus. Ein abschließendes Urteil zu den Vorgängen auf dem Schiff könne er aber noch nicht treffen. Im Fall der bei einem Sturz vom Mast des Schiffes tödlich verunglückten Offiziersanwärterin kritisierte er die Vorgesetzten dennoch. Er habe Zweifel, ob es gut sei, ungeübte Soldaten sieben oder achtmal in die Takelage des Schiffes klettern zu lassen.

Anfang November war eine Kadettin bei einem Absturz tödlich verunglückt. Der mittlerweile von Guttenberg suspendierte Kapitän Norbert Schatz soll Berichten zufolge kalt über diesen Vorgang gesprochen haben und dann zur Tagesordnung übergegangen sein. Andere Medien berichteten von Alkoholexzessen und Demütigungen der Auszubildenden an Bord. Kommandant Schatz habe nur Pflichttermine wahrgenommen und sei „besonders häufig in Badehose gesehen worden“.

Königshaus stellt sich hinter Guttenberg

Königshaus stellte sich hinter die Entscheidung von Guttenberg, Schatz zu suspendieren, wollte diesen Schritt aber als Akt der Fürsorge verstanden wissen. Eine Vorverurteilung sei damit nicht verbunden. Schatz könne unter dem auf ihm lastenden öffentlichen Druck nicht unbefangen die für eine Atlantiküberquerung nötige harte Einsatzbereitschaft seiner Mannschaft einfordern.

In der Affäre der geöffneten Feldjägerpost befürwortete Königshaus Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Er werde den Ermittlern nun mitteilen, dass die Bundeswehr davon ausgehe, dass die Briefe in Deutschland geöffnet worden seien. Sollte sich herausstellen, dass der Zoll hinter den Öffnungen stecke, müsse auch dies untersucht werden. „Auch ich möchte meine privaten Fotos nicht von Oberzollamtsrat Müller kontrolliert sehen“, sagte Königshaus.

Mängel bei der Gefechtsausbildung

„Insbesondere jungen Mannschaftsdienstgraden und unerfahrenen Vorgesetzten fehlt es bisweilen an Wissen und Gespür dafür, wann die Grenzen zum Dienstvergehen beziehungsweise zur Straftat überschritten werden“, stellt Königshaus in seinem Bericht zudem fest. Zudem werde oft nicht erkannt, „dass bestimmte Umgangsformen und Verhaltensweisen auch dann Anstoß erregen können, wenn sie nicht bereits strafrechtlich relevant sind, sondern unter die Rubrik fallen: „Das tut man einfach nicht“.“

Auch mit Blick auch auf den Schießunfall Ende 2010 in Afghanistan beklagte Königshaus anhaltende Mängel bei der Gefechtsausbildung. Das mache sich insbesondere im Einsatz bemerkbar, hielt der Wehrbeauftragte fest. „Besonders beunruhigend ist, dass es gerade im Auslandseinsatz mehrfach zu Unfällen mit schweren Folgen kam.“ Zuletzt war ein Soldat am 17. Dezember kurz vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch die Kugel aus der Waffe eines Kameraden versehentlich getötet worden. (rtr/dapd)