München. .

FDP-Chef Guido Westerwelle gerät in seiner Partei immer stärker unter Druck: Führende Liberale beraten im Hinterzimmer über seinen Rückzug. Die FDP-Spitze versucht unterdessen, der Debatte Einhalt zu gebieten.

FDP-Chef Guido Westerwelle gerät in seiner Partei immer stärker unter Druck. Führende Fraktionsmitglieder berieten zu Wochenbeginn über die Möglichkeiten eines schnellen Rückzugs des langjährigen Vorsitzenden, wie mehrere Medien am Donnerstag übereinstimmend berichteten. Die Aufgabe des Amts als Außenminister sei ebenfalls diskutiert worden, hieß es. Als möglicher Termin wird das traditionelle Dreikönigstreffen am 6. Januar 2011 in Stuttgart genannt.

An der Gesprächsrunde des einflussreichen „Schaumburger Kreises“ soll auch Bundeswirtschaftsminister und Parteivize Rainer Brüderle teilgenommen haben. Insgesamt 17 führende Liberale waren es nach Informationen des „Handelsblatts“, die am Dienstagabend in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin mehrere Stunden das Für und Wider eines Rückzugs Westerwelles ausloteten. Unter ihnen seien auch Schatzmeister Hermann Otto Solms, Fraktionsvize Patrick Döring sowie die Abgeordneten Martin Lindner und Heinrich Kolb gewesen.

„Lust am Untergang“

Döring betonte allerdings später, er habe bei dem Treffen davor gewarnt, durch Rückzugsszenarien die Durchsetzungskraft des Vizekanzlers und Chefunterhändlers der Liberalen zu schwächen. „Wer Westerwelles Demontage betreibt, den leitet die Lust am Untergang“, sagte er.

Laut „Bild“-Zeitung äußerten sich Teilnehmer der bürgerlich-liberalen Runde ferner besorgt über den Ausgang der bevorstehenden Landtagswahlen - Grund ist das anhaltende Umfragetief und die miserablen Popularitätswerte für den FDP-Chef. Das „Handelsblatt“ zitiert aus der Runde: „Die Sorge, dass der Bundestrend die Wahlkämpfer ins Bodenlose reißt, ist riesengroß.“

Für Westerwelle wird es eng in seiner Partei. Sieben Landtagswahlen stehen 2011 an. Die Umfragewerte sind nach wie vor miserabel. Als Außenminister konnte der 48-Jährige ebenfalls nicht punkten. Und seit Regierungsantritt Ende Oktober 2009 stolpern die Liberalen von einer Krise in die nächste. Der Vorwurf der „Klientelpolitik“ bleibt seit Einführung der ermäßigten Mehrwertsteuer für Hotels an ihnen haften. Die FDP-Landesverbände befürchten, von den Wählern bei den Urnengängen für die schwarz-gelbe Regierungspolitik abgestraft zu werden.

Kritik an Personaldebatte

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprang Westerwelle bei. Es gehe jetzt darum, wie die Partei insgesamt wieder als Motor und notwendiges Korrektiv in Koalitionen auf Bundes- und Landesebene wahrgenommen werde. FDP-Wähler seien enttäuscht, weil sie sich in der jetzigen Regierungspolitik nicht wiederfänden. „Das ist unser Problem und nicht, dass wir die Bürgerinnen und Bürger auch noch mit großen Personaldiskussionen öffentlich behelligen.“

FDP-Finanzexperte Volker Wissing verlangte ebenfalls, die Liberalen müssten beim Dreikönigstreffen die Personaldebatten beenden und Inhalte nach vorn stellen. Er zeigte sich überzeugt, dass Westerwelle das Außenministeramt und den FDP-Parteivorsitz gleichzeitig wahrnehmen kann. Angela Merkel sei schließlich auch Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende.

„Klotz am Bein“

Die Kritik am Zustand der FDP nannte Wissing in Teilen berechtigt. Die Diagnose sei gemacht, jetzt brauche man eine Therapie. Dazu gehörten Geschlossenheit und das Setzen auf Inhalte vor den anstehenden Landtagswahlkämpfen.

Der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen Liberalen, Herbert Mertin, bezeichnete den FDP-Vorsitzenden am Mittwoch als „Klotz am Bein“. Er halte wenig davon, den Parteichef im Landtagswahlkampf einzusetzen. In Rheinland-Pfalz wird wie Baden-Württemberg am 27. März 2011 ein neuer Landtag gewählt.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Christian Ahrendt, sagte, „die gegenwärtige Debatte um den Parteivorsitzenden ist überhaupt nicht hilfreich“. In der Partei herrsche „Entsetzen“ über die Diskussion, die mancherorts über die politische Zukunft Westerwelles geführt werde. Ahrendt, der gleichzeitig FDP-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern ist, versicherte, Westerwelle sei bei seinem Landesverband „immer herzlich willkommen“. Mecklenburg-Vorpommern wählt im Herbst einen neuen Landtag.

Im „Schaumburger Kreis“ gab es trotz der schweren Kritik offenbar kein Konzept für die Zeit nach einem Abgang des Parteichefs. Den Machtanspruch, Parteichef zu werden, habe in der FDP bisher niemand gestellt, hieß es laut „Handelsblatt“. Ein Teilnehmer wird mit den Worten zitiert: „Wie nach einem Urknall die liberale Welt aussieht, kann eben niemand sagen.“ (dapd)