Dublin. .
Wegen dramatisch wachsender Schulden vollzieht die Regierung in Dublin die Kehrtwende und bitte die EU nun doch um finanzielle Hilfe - die soll nicht mehr als 100 Miliarden Euro betragen, beteuert Minister Lenihan.
Irland will wegen seiner dramatisch wachsenden Schulden unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Damit vollzieht die Regierung in Dublin eine Kehrtwende und bittet nun doch die EU und den Internationalen Währungsfonds um Hilfe, wie der irische Finanzminister Brian Lenihan am Sonntag ankündigte. Sein Land habe ein Defizit von 19 Milliarden Euro angehäuft, die es derzeit nicht auf den Finanzmärkten refinanzieren könne. Die EU-Finanzminister einigten sich am Sonntagabend bereits im Grundsatz darauf, Dublin Gelder aus dem im Frühjahr vereinbarten EU-Rettungsfonds zu gewähren.
Lenihan bestätigte auch, dass sich Irland um einen Garantiefonds für die angeschlagenen Banken des Landes bemühe. Den Umfang des Finanzhilfe bezeichnete der Minister als „sehr groß“, eine genaue Summe wollte er nicht nennen. Es gehe um Dutzende Milliarden, aber weniger als 100 Milliarden Euro.
Wenn Irland seinen enormen Kapitalbedarf selbstständig an den Finanzmärkten decken wollte, müsste es laut Lenihan acht Prozent Zinsen auf seine Anleihen geben. Bis vor wenigen Tagen hatte die irische Regierung die Notwendigkeit ausländischer Hilfe noch bestritten.
Sparpaket soll Haushalt entlasten
Die irische Regierung schloss am Sonntag die Ausarbeitung eines Vierjahresplans zur Sanierung des Staatshaushalts ab. Ministerpräsident Brian Cowen berief das 15 Mitglieder umfassende Kabinett ein, um den Plan zu verabschieden. Das 160 Seiten umfassende Papier soll am Dienstag veröffentlicht werden, der Inhalt ist bis dahin geheim. Das Defizit soll um 15 Milliarden Euro jährlich reduziert werden. Die diesjährige Verschuldung beläuft sich auf einen europäischen Rekord von 32 Prozent.
Irland geriet vornehmlich wegen eines Rettungspaketes über 62 Milliarden Euro für fünf Banken in Finanznot. Seit Donnerstag prüfen Experten des IWF und der Europäischen Zentralbank die irische Haushaltslage, bevor sie Details für einen Rettungsfonds vorschlagen.
Cowen und Lenihan sagten übereinstimmend, dass trotz der Haushaltskrise und des schmerzhaften Sparkurses die Steuer auf Unternehmensgewinne von nur 12,5 Prozent nicht angehoben werden sollte. Irland lockt damit ausländische Unternehmen ins Land. Jahrelang bescherte die Kombination aus niedrigen Steuern, einer englischsprachigen Bevölkerung und Subventionen aus Brüssel dem Land einen enormen Wirtschaftsaufschwung - es wurde als „keltischer Tiger“ gefeiert. Deutschland, Frankreich und andere Euroländer haben die niedrigen Steuern als ungerecht kritisiert, sie sollten angesichts der Schuldenkrise erhöht werden.
Medien sprechen von Schande
Die Flucht unter den Euro-Rettungsschirm, die um den Preis einer strikten Haushaltskontrolle durch die Geldgeber erkauft wird, ist in der irischen Bevölkerung alles andere als populär. Das Trauma der Fremdherrschaft ist nach Jahrhunderten der britischen Besatzung tief verwurzelt, der Stolz auf die Eigenständigkeit groß. Erst 1922 wurde die Unabhängigkeit von Großbritannien anerkannt. In den Kommentarspalten der Sonntagszeitungen bekam die Regierung in Dublin umgehend heftige Kritik zu spüren: Das Ausland um Hilfe bitten zu müssen, sei eine Schande und Erniedrigung. (dapd)