Lissabon. .
Zwei Jahre nach dem Disput über die Raketenpläne der USA haben sich Russland und die Nato-Staaten am Samstag auf dem Nato-Gipfel in Lissabon angenähert. Russlands Präsident Medwedew erklärte, die „Eiszeit“ sei beendet.
Der Kalte Krieg ist seit zwei Jahrzehnten Geschichte. Doch das Verhältnis zwischen Nato und Moskau blieb angespannt. Noch vor zwei Jahren hatte der damalige russische Präsident Wladimir Putin gegen den Pakt gewettert. Die von Washington seinerzeit geplante Raketenabwehr und die Osterweiterung der Allianz brandmarkte er in Bukarest zornig als Affront. Auf dem Nato-Russland-Rat am Samstag in Lissabon wurde von seinem Nachfolger Dmitri Medwedew die Eiszeit nun für überwunden erklärt. Unter der kräftigen Novembersonne, die auf das Gipfelzentrum am Ufer des Tejo strahlte, konstatierte Kanzlerin Angela Merkel: „Der Kalte Krieg ist endgültig zu Ende.“
Das wichtigste Symbol für die heraufbeschworene Zeitenwende ist der Nato-Raketenschild: Statt als amerikanischer Alleingang wird dieser nun von allen Nato-Partnern gestützt. Und Medwedew akzeptierte am Samstag das Angebot, über eine Beteiligung zu verhandeln. Statt sich argwöhnisch zu belauern, könnten sich die einstigen Feinde in Zukunft gegenseitig vor Bedrohungen ihres Territoriums warnen.
Russland ist Partner und nicht Feind
Bis auf weiteres bleibt der Raketenschild ein Symbol. Wie sich etwa Deutschland am Aufbau der erforderlichen Hardware beteiligen will, steht in den Sternen. Die Unausgegorenheit der Pläne sorgt in Moskau für Stirnrunzeln. Medwedew will deswegen vor einer Entscheidung über ein Mitmachen wissen, ob Russland auch gleichberechtigt wäre. Die USA haben angekündigt, 2015 ein Abfangsystem in Rumänien und drei Jahre später eines in Polen fest zu installieren. Zudem ist ein Radar in der Türkei geplant. Nicht alle Parallelitäten zu den einst provozierenden Plänen von Ex-US-Präsident George W. Bush sind verschwunden.
Dennoch hofft die Allianz, dass die ausgestreckte Hand in Moskau ergriffen wird. Bush-Nachfolger Barack Obama sagte, durch eine Zusammenarbeit könnte der ehemalige Spannungsherd zu einer Quelle der Zusammenarbeit gegen gemeinsame Bedrohungen werden. Der Gipfel mache klar, das Russland „Partner und nicht Feind ist“. Angesichts des Argwohns, der lange Zeit in den baltischen Staaten und Polen vorherrschte, ist das eine wichtige Feststellung. Denn das Baltikum und andere osteuropäische Nato-Partner wie Polen tragen das Kooperationsangebot an Moskau jetzt ohne Vorbehalte mit.
„Die Kooperation hat die Eiszeit beendet“
Nicht nur die Öffnung des Raketenschildes, sondern auch das neue Strategische Konzept der Nato überwindet alte Fronten. Beginnend in den 1950er Jahren hatte sich der Nordatlantikpakt seine atomare Abschreckung aufgebaut, um die russische Übermacht bei den konventionellen Waffen auszustechen. In dem in Lissabon beschlossenen neuen Konzept bekennt sich die Allianz erstmals ausdrücklich zu dem Ziel, Bedingungen für eine atomwaffenfreie Welt und den weiteren Abbau des eigenen Arsenals zu schaffen. Ausdrücklich wird dabei die Zusammenarbeit mit Russland angestrebt und Moskau aufgefordert, seine eigenen Kernwaffen vom Nato-Territorium weiter zu entfernen.
Medwedew warnte zwar vor einem neuen Ungleichgewicht. Aber einseitige Schritte sind auch für die Nato tabu. In Lissabon verabredeten beide Seiten eine Zusammenarbeit im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, gegen Piraterie und Drogenhandel. Zudem gewährt Moskau dem Bündnis den Transit zur Versorgung der Truppen in Afghanistan. „Die Kooperation hat die Eiszeit beendet“, stellte Medwedew fest.
Ob der Gipfel aber tatsächlich ein Mal als historisch gelten wird, wie es von der Nato am Samstag wiederholt betont wurde, ist längst nicht entschieden. Medwedew relativierte: Jedes Abkommen sei in irgendeiner Form „historisch“. (dapd)