Dannenberg. .

Mit 400 Bussen und Tausenden Autos sind Atomkraftgegner aus dem ganzen Land nach Dannenberg gereist. Neben den Spät-68ern sind auffallend viele Familien und junge Leute unter den Demonstranten. Sie alle eint die Unzufriedenheit mit der Regierung.

Eigentlich wächst Mais auf diesem großen Feld, wenige Kilometer vom Bahnhof, wo sie immer umgeladen werden, die Castoren – von der Schiene auf die Straße. Doch heute wächst hier der Widerstand. Der Widerstand gegen den Castor. Vor allem aber der Widerstand gegen die Laufzeitverlängerung, die die Bundesregierung den deutschen Atomkraftwerken gewährt hat.

Mittag ist es, als nichts mehr geht rund um Dannenberg. Weil die schmalen Landstraßen nicht gemacht sind, für den Ansturm, den die Region an diesem Tag erlebt. Mit 400 Bussen und Tausenden Autos sind die Atomkraftgegner aus dem ganzen Land angereist - manche sind schon zwölf Stunden unterwegs, als in Dannenberg ankommen. Und längst ertönen die ersten Reden, da sind noch immer viele auf dem Weg zum Versammlungsort.

Von 50.000 Teilnehmern werden die Veranstalter später sprechen. Die Polizei meldet 20.000. Aber auch das sind viel mehr, als bei den letzten Castor-Transporten. Fahnen schwenken sie und grüne Luftballons. Grünen-Chefin Claudia Roth gehört zu denen, die sie mit Helium befüllt haben. Es wird gesungen, große Trommeln werden geschlagen und wenn vorne auf der Bühne jemand „Atomkraft“, ruft, antworten unten alle „Nein, Danke“

„Fast wie in alten Zeiten“

Hannes aus Hannover ist da fast schon gerührt. „Fast wie in alten Zeiten“, schwärmt der 54-Jährige aus Hannover. „Wer hätte gedacht, dass die Bewegung noch einmal solchen Auftrieb bekommen würde.“

Jutta aus Bremen jedenfalls nicht. Schon lange sympathisiert die 38-Jährige aus Bremen mit den Grünen. „Aber bei einer Demo habe ich bisher noch nie mitgemacht.“ Dieses Mal aber ist sie gleich mit ihrem Mann Martin und Tochter Julia (10) gekommen, weil sie „die Schnauze voll hat“. Stuttgart 21, die Laufzeitverlängerung. „Irgendwann muss man den Politikern doch mal zeigen, dass sie nicht alles mit uns machen können.“ Kein Einzelfall: Neben den „alten Recken“, den Spät-68ern, sind auffallend viele Familien und junge Leute unter den Demonstranten. Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow Danneberg wundert das nicht. „Wir haben alle den Glauben an die Regierung verloren, bis sie uns beweist, dass sie Politik für die Menschen macht und nicht für die Konzerne“, sagt sie.

Rund um Dannenberg hat die Polizei Stellung bezogen. An jeder Ecke, an jeder Kreuzung stehen die Beamten. Doch alles bleibt friedlich. „Absolut friedlich“, sagt Polizeisprecher Matthias Menge und spricht sogar von einer Art „Happening“.

Hunderte Bauern sind mit ihren Traktoren aufgefahren

Nur am Rande der Demo, da versuchen etwa 150 Menschen, darunter zahlreiche Autonome, die Straße zu unterhöhlen und werfen mit Steinen. Doch schnell haben die Beamten den Versuch verhindert. Auch weil sie Schlagstöcke und Pfefferspray einsetzen.

Mittel, die nicht viel helfen, gegen das Problem, vor dem die Polizei am späten Nachmittag im benachbarten Splietau steht. Auf einer Straße, die der Transport nach dem Umladen befahren muss, sind Hunderte Bauern mit ihren Traktoren aufgefahren und blockieren nun die Fahrbahn. Bis zum Abend gelingt es nicht, diese Blockade aufzulösen. „So schnell“, sagt ein Bauer, „kriegen sie die Trecker hier nicht weg.“ Ist ihm nur recht. „Die Ernte ist ja eingefahren.“

Die Demo dagegen löst sich am späten Nachmittag langsam auf. Die meisten Besucher fahren wieder nach Hause,aber viele ziehen in die großen Camps rund um Dannenberg, in denen seit dem frühen Abend große Feuer lodern, um die Kälte der Nacht ein wenig zu vertreiben. Schlafsäcke und Iso-Matten haben sie dabei oder schlafen auf dem Stroh, das Helfer herangekarrt haben. Sie wollen warten auf den Castor, wenigstens noch einen Tag. Um „Zeichen zu setzen“. Mit Sitzblockaden, manche auch, in dem sie den Schotter von den Gleisen holen. Streng verboten ist das, aber Arne (32) stört das nicht. „Die Menschen im Land zu belügen“, hat er sich als Entschuldigung zurecht gelegt, „ist auch verboten.“