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Die Konjunktur brummt wieder, die Umfragewerte für die Bundesregierung nicht. Wie das zusammenpasst, sollte eigentlich Thema bei „Menschen bei Maischberger“ sein. Die ARD-Talkrunde sprach dann aber doch lieber über die Gründe des Aufschwungs.
Aber hallo! Vor der jüngsten Ausgabe von „Menschen bei Maischberger“ hätte man noch gedacht, dass die Sendung in eine einzige Selbstbeweihräucherung der Diskussionsteilnehmer ausarten würde. Schließlich ging es um den aktuellen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland und die mit 2,95 Millionen niedrigste Arbeitslosenzahl seit 18 Jahren. Und es ist ja allseits bekannt: Bei Misserfolgen will es keiner gewesen sein, doch Erfolge können sich alle gar nicht groß genug auf die eigenen Fahnen schreiben.
Jeder lobt jeden
Doch die Talkgäste legten erstaunlich bescheiden los: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fand etwa, der Aufschwung habe viele Mütter und Väter. Die aktuelle Bundesregierung habe mit der Verlängerung des Kurzarbeitergelds und der Job-Center-Reform vielleicht einen Beitrag geleistet, mehr aber auch nicht. Daniel Bahr, FDP-Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, lobte plötzlich die schwarz-rote Vorgängerregierung, sie habe „gute Entscheidungen getroffen“. Und SPD-Generalsekretärin und Ex-Agenda-2010-Gegnerin Andrea Nahles überwand sich zu dem Zugeständnis, Altkanzler Gerhard Schröder könne wegen seiner Reform-Politik einen Teil des Aufschwungs für sich reklamieren.
Dass die Runde trotzdem nicht so richtig kuschelig wurde, lag vor allem an einem Talkgast: Linken-Vorsitzender Klaus Ernst bediente seine klassische Rolle als grantelndes soziales Gewissen jeder Talkrunde. Der Aufschwung komme bei den Menschen nicht an, bemängelte er. Es gebe immer weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Junge Arbeitnehmer erhielten immer häufiger nur einen befristeten Vertrag. Und immer mehr Beschäftigte kämen mit ihrem Gehalt nicht mehr hin und müssten mit Stütze vom Staat aufstocken.
An sich liest sich das ja nicht schlecht, doch Ernsts polternder Ton machte bald die Musik. Und die bestand darin, dass sich die Talkgäste nach dem sachlichen Auftakt schon bald ins Wort fielen, gerne auch einmal zu dritt oder zu viert gleichzeitig sprachen und Moderatorin Sandra Maischberger die Dompteurin spielen musste. Auch dies ein erprobtes Ritual der politischen Talkshow in Deutschland.
„Jeder Unternehmer zahlt freiwillig höhere Löhne“
Dennoch gab es noch ein paar erhellende und überraschende Momente. Etwa als der aufgekratzte Energieunternehmer Georg Kofler munter vor sich hinplapperte: „Jeder Unternehmer zahlt freiwillig höhere Löhne, denn wir wollen ja motivierte Arbeitnehmer und ein gutes Betriebsklima erreichen.“
Oder wenn Stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges den Mitdiskutanten immer wieder in Erinnerung rief, wie gut Deutschland durch die Wirtschaftskrise gekommen, wie wettbewerbsfähig es durch die Arbeitsmarktreformen geworden und wie „typisch deutsch“ und „beknallt“ es doch sei, diese Erfolge ständig mies zu machen. Keiner der anwesenden Politiker vermochte dies überzeugter herüberzubringen.
Da schaffte es selbst von der Leyen nicht mehr, nachhaltig zu beeindrucken. Dabei hatte sie sich die Taktik zurechtgelegt, jede kritische Nachfrage zu angeblich geschönten Arbeitsmarktzahlen und ihrem geschrumpften Sozialetat mit sorgfältig ausgewählten Gegenstatistiken ins Leere laufen zu lassen.
„Die Tonart war unter aller Kanone“
Tacheles sprach sie erst, als Maischberger am Ende doch noch auf die Frage zurückkam, warum die Wirtschaft, aber nicht die Bundesregierung gerade einen Aufschwung erlebe. Von der Leyens Kommentar zu den schwarz-gelben Keilereien des ersten Regierungsjahres: „Die Tonart, die wir uns zwischendurch geleistet haben, war unter aller Kanone“. Koalitionspartner Bahr beteuerte, das Betriebsklima in der Koalition habe sich aber mittlerweile gebessert: „Wir haben eine gute Gesundheitsreform auf den Weg gebracht.“
Das verhinderte aber nicht, dass Jörges mit einigen wenig schmeichelhaften Prognosen das letzte Wort erhielt: Guido Westerwelle werde im nächsten Jahr nicht mehr FDP-Vorsitzender sein. Und Ursula von der Leyen werde nicht Angela Merkel als Kanzlerin folgen: „Es tut mir leid, wenn ich das so sagen muss: Aber die CDU wählt nicht noch eine Frau hinterher“, stellte der Journalist nüchtern fest. Ob von der Leyen auch dazu eine Gegenstatistik zur Hand hatte, blieb dem Fernsehzuschauer leider verborgen. Der Rest war nur die Abmoderation.