Brüssel. .

Beim EU-Gipfel über Neuregelungen zur Vermeidung künftiger Finanzkrisen hat die Bundeskanzlerin offenbar Teilerfolge erzielen können: Wie von Merkel vorgeschlagen, könnte es einen festen Notfallplan für Pleite-Länder geben.

Die EU fasst die Einrichtung eines festen Notfall-Mechanismus für pleitegefährdete Euro-Länder ins Auge. Er soll den Rettungsschirm ablösen, der im Frühjahr vor dem Hintergrund der Griechenland-Krise ins Leben gerufen wurde und 2013 ausläuft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Darstellung von Diplomaten mehrere EU-Partner überzeugt, dass für das neue Instrument eine Änderung des EU-Vertrags nötig ist. Näheres wollte der Brüsseler EU-Gipfel noch aushandeln. Die deutsch-französische Forderung, hartnäckige Schuldensünder in der Euro-Zone mit dem Entzug von Stimmrechten zu bestrafen, stößt bei den Partnern weiter auf Widerstand.

Vertragsänderung notwendig

Man brauche eine Vertragsänderung “für Krisen, die die Euro-Zone insgesamt in Gefahr bringen”, erklärte die Kanzlerin zum Auftakt der zweitägigen Beratungen. Dabei geht es um einen Topf, auf den Staaten notfalls zurückgreifen können, die wie Griechenland im vergangenen Frühjahr an den Kapitalmärkten keine finanzierbaren Kredite mehr bekommen. Zum Krisenschirm müssten auch Banken und Fonds beisteuern, die an hohen Zinsen für Staatsanleihen gefährdeter Länder verdienen, forderte Merkel. In der deutschen Delegation wurde Zuversicht geäußert, dass die Kanzlerin und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Partner davon überzeugen können, dass dazu eine begrenzte Vertragsänderung zwingend sei..

Neben Paris und Berlin stehen vor allem auch die Skandinavier hinter dem Anliegen. “Wir sagen nicht nein zu Vertragsänderungen”, erklärte die finnische Ministerpräsident Mari Kiviniemi. Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt sagte, er sei “offen für eine kleine Vertragsänderung”, was dem von Berlin ins Spiel gebrachten Vorschlag entspricht.

Die Kanzlerin räumte ein, dass die Frage des Stimmrechtsentzugs “ein sehr kontroverses Thema” sei. Berlin ist aber bereit, diese Forderung zurückzustellen, bis die EU ihren Lissabon-Vertrag grundsätzlich fortschreibt. Für sämliche Vertragsänderungen ist die Zustimmung aller 27 EU-Staaten erforderlich.

Merkel hatte hoch gepokert

Merkel hatte vor dem Gipfel-Treffen hoch gepokert und verkündet, ohne eine Änderung der EU-Verträge werde sich Deutschland im Jahr 2013, wenn der aktuelle Krisenmechanismus ausläuft, nicht an der Konstruktion eines neuen Rettungsschirms über der Euro-Zone beteiligen. Und ohne den größten Nettozahler, das ist allen Beteiligten klar, ist die Gemeinschaftswährung nicht wetterfest zu machen.

Allerdings hatte die deutsche Forderung nach Stimmrechtsentzug für Haushaltssünder viel Widerstand provosiert. Nachdem noch Anfang der Woche beim Vorbereitungstreffen der Außenminister ein Großteil der Mitgliedsstaaten Front gemacht hatte gegen das deutsch-französische Duo, hatte sich Merkel ans Telefon gehängt und um europaweite Unterstützung geworben. Mit achtzehn bis zwanzig europäischen Kollegen hat Merkel gesprochen, dem Vernehmen nach haben viele von ihnen erst aus der Kanzlerin Munde die Einzelheiten des deutsch-französischen Vorstoßes vernommen.

Die Mühen dürften sich gelohnt haben: Je näher der Gipfel rückte, desto weiter schwenkten die Staats- und Regierungschefs auf die deutsche Position ein. Zuvor hatte das anders ausgesehen: Seit Angela Merkel und Nicolas Sarkozy im französischen Badeort Deauville auf den deutsch-französischen Fahrplan verständigten, konnte Merkel nur noch den Kopf einziehen, so heftig war das diplomatische Dauerfeuer. Martin Schulz, der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, ätzte, es sei „der Eindruck entstanden, dass über Europa beim Strandspaziergang von Angie und Sarko entschieden wird“, so Schulz. „Der arme Hermann“ sei dadurch einfach an den Rand gewischt worden. Damit war Ratspräsident Hermann Van Rompuy gemeint; das Strategiepapier, das die Arbeitsgruppe unter seiner Führung erarbeitet hat, bildet die eigentliche Grundlage der Gipfel-Debatten.

Zum gemeinsamen Arbeits-Abendessen legte Gastgeber Van Rompuy dann noch einen Vorschlag auf den Tisch, der in weiten Zügen den deutsch-französischen Vorstellungen entsprach.

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