Brüssel. .
Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag soll eine Reform des Euro-Stabilitätspaktes beschließen und ein Mandat für Vertragsänderungen erteilen. Fragen und Antworten zu den Kernpunkten.
Die Schuldenkrise im Frühjahr hat die Schwächen der europäischen Währungsunion dramatisch zum Vorschein gebracht. Auf dem EU-Gipfel soll nun eine Reform des Paktes beschlossen werden, die die Taskforce unter Leitung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ausgearbeitet hat. Fragen und Antworten zu den Kernpunkten.
Was bringt die Reform des Stabilitätspaktes?
Sie bringt vier wesentliche Verbesserungen: Durch frühere Sanktionen wird der Druck zum soliden Haushalten und zum Abbau der Gesamtverschuldung erhöht. Durch eine Verbesserung der Statistiken sollen Schummeleien wie im Falle Griechenlands verhindert werden. Staaten mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen müssen Strukturreformen angehen. Die Haushaltspolitiken werden vorab in der EU abgestimmt.
Wie „automatisch“ sind die Sanktionen?
Die Kommission wollte nach einem einmaligen Beschluss der Finanzminister zum Start eines Defizitverfahrens selbst Sanktionen verhängen, die von den Mitgliedsstaaten nur mit qualifizierter Mehrheit binnen zehn Tagen hätten gestoppt werden können. Deutschland und Frankreich verhinderten dies. Nun kommen Sanktionen erst, wenn die Finanzminister in einem zweiten Schritt mit qualifizierter Mehrheit feststellen, dass der betroffene Staat sechs Monate nach Beginn des Verfahrens keine ausreichenden Maßnahmen zum Defizitabbau ergriffen hat.
Reicht der neue Stabilitätspakt aus, um künftige Krisen zu vermeiden?
Das ist nicht sicher. Denn die aufgespannten Rettungsschirme für Griechenland und den Euro-Raum laufen 2013 aus. Ob alle Staaten bis dahin ihre Schuldenprobleme gelöst haben, kann die Reform nicht garantieren. Zudem enthält sie keine Maßnahmen, die die Konjunktur in schwächelnden Euro-Staaten beleben.
Droht also in drei Jahren der nächste Euro-Absturz?
Um das zu verhindern, wird fieberhaft an einem dauerhaften Krisenmechanismus gearbeitet, der die befristeten Rettungsschirme ablösen soll. Berlin ist dazu aber nur unter zwei Bedingungen bereit: Das grundsätzliche Bailout-Verbot im Lissabon-Vertrag wird eingeschränkt, sodass Staaten bei einer Gefährdung der Einheitswährung ein Eingreifen erlaubt wird. Damit will sich die Regierung vor Verfassungsklagen schützen. Und zweitens: Private Gläubiger müssen bei künftigen Rettungsmaßnahmen mithaften.
Muss dafür der Lissabon-Vertrag aufgeschnürt werden?
Jein. Wenn es gelingt, die Änderungen auf die zwei Punkte zu beschränken, könnte dies in einem sogenannten vereinfachten Vertragsveränderungsverfahren über die Bühne gehen. Wenn Kroatien im kommenden Jahr der EU beitritt, muss der Vertrag ohnehin geringfügig geändert werden, weil sich etwa die Anzahl der Kommissare erhöht. Die Ergänzung zum Bailout-Verbot und die Einbeziehung privater Gläubiger könnten dann einfach dem Text hinzugefügt werden, und die Mitgliedsstaaten könnten die Änderungen in einem Aufguss ratifizieren. Das ist zumindest die Hoffnung in Berlin. Nach Einschätzung der Kommission wäre eine Gläubigerbeteiligung ganz ohne Vertragsänderungen oder -ergänzungen möglich.
Wer ist gegen Vertragsänderungen?
Frankreich hat seinen Widerstand aufgegeben, weil Deutschland seine Forderung nach automatischen Sanktionen fallen gelassen hat. Kleinere Staaten, allen voran Luxemburg, fühlen sich durch den deutsch-französischen Deal erpresst. Irland und die Niederlande haben grundsätzlich Angst vor Vertragsänderungen, weil sie dadurch zu Volksbefragungen gezwungen werden könnten. Nur ein „chirurgischer Eingriff“ in den Lissabon-Text hätte deswegen eine Chance, wie man in Berlin einräumt. Die entscheidende Frage ist, ob die Kompetenz der Mitgliedsstaaten durch die Vertragsänderungen berührt würde. Bei einem Stimmrechtsentzug, wie Deutschland ihn ebenfalls verlangt, wäre dies der Fall.
Hat sich Merkel in Deauville von Sarkozy über den Tisch ziehen lassen?
Jein. Ohne französische Zustimmung wären Vertragsänderungen ausgeschlossen. Deswegen musste Berlin Paris bei den automatischen Sanktionen entgegenkommen. Allerdings könnte die Unterstützung Sarkozys nicht ausreichen, um auf dem Gipfel ein einstimmiges Mandat für eine Änderung der Verträge zu erreichen. In dem Fall hätte Merkels Zugeständnis nichts eingebracht. Im Gegenteil: Das unabgestimmte Vorpreschen Frankreichs und Deutschlands hat viele EU-Partner erbost und den Widerstand gegen Vertragsänderungen eher verstärkt. (dapd)