Berlin. .

Ursula von der Leyen ist mit ihrer Hartz-IV-Reform noch nicht am Ziel. Zwar stimmte das Kabinett für die Pläne. Die SPD dagegen will die Änderung im Bundesrat stoppen. Nicht mit uns, sagt SPD-Chef Gabriel.

Die SPD droht mit der Blockade der von der Regierung auf den Weg gebrachten Hartz-IV-Reform. „Die jetzt von Frau von der Leyen vorgelegten Vorschläge wird die SPD im Bundesrat ablehnen, auch im Bundestag“, kündigte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Mittwoch an. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hatte zuvor mit einem Gesprächsangebot die Opposition umworben, auf deren Zustimmung im Bundesrat sie angewiesen ist. Das Kabinett billigte ihre Vorschläge für eine Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes um fünf auf 364 Euro sowie die neuen Zuschüsse für Kinder und Jugendliche. Sozialverbände kritisierten die Anhebung als zu gering, während Städte und Gemeinden Mehrkosten für die Kommunen ablehnten.

Von der Leyen auf Kompromiss-Suche

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© ddp/Berthold Stadler

Der Gesetzentwurf soll am Freitag kommender Woche erstmals im Bundestag beraten und am 17. Dezember vom Bundesrat verabschiedet werden. Von der Leyen hatte bereits Kontakt mit den Fraktionsvorsitzenden der Opposition aufgenommen. Ein Gespräch soll es erst nach der ersten Lesung im Bundestag geben. Die Kritiker müssten nun eigene Vorschläge machen, forderte sie.

Vor dem Kabinettsbeschluss korrigierte von der Leyen ihren Gesetzentwurf nochmals. Die etwa 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger können für das kommende Jahr nicht mehr auf eine zweimalige Erhöhung des Arbeitslosengeldes II setzen. Der bisher übliche Termin für die jährliche Anpassung des Arbeitslosengeldes II wird generell vom 1. Juli auf den 1. Januar eines jeden Jahres verlegt. Der Höchstbetrag für die Lebenshaltungskosten eines Erwachsenen wird im nächsten Jahr nur zum 1. Januar um fünf auf 364 Euro angehoben.

„Hartz IV ist kein Dauerzustand“

„Ich weiß, das ist knapp“, sagte die Ministerin. „Aber Hartz IV ist kein Dauerzustand, das muss ein Übergang sein.“ Die Anhebung müsse Menschen erklärbar sein, die den Lebensunterhalt jeden Tag selber verdienten und jeden Euro umdrehen müssten.

Für zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Hartz-IV-Familien gibt es neue Zuschüsse zum Schulessen, für Nachhilfe sowie zur Teilhabe etwa am Vereinsleben. Dies soll auch für etwa 300.000 Kinder gelten, deren Eltern kein Hartz IV beziehen, aber den Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro im Monat erhalten. Rund 300.000 erwerbstätige Hartz-IV-Bezieher, die mehr als 800 Euro im Monat verdienen, profitieren zudem von einer leichten Erhöhung der Freibeträge, die nicht vom Arbeitslosengeld II abgezogen werden.

Linke: „Ein einziger Betrug“

Die SPD bekräftigte ihre Forderung, die Ganztagesbetreuung an Schulen und in Kindergärten auszubauen. Als „zwei Schritte in die richtige Richtung“ begrüßte Gabriel, dass nicht mehr die Jobcenter über Nachhilfe entscheiden und auch Haushalte von Geringverdienern die neuen Kinderleistungen erhalten sollen.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, nannte die Neuregelungen einen „einzigen Betrug“. Er griff auch die SPD an. „Sie lassen sich wieder auf ein verfassungswidriges Gesetz ein, dann packen die noch irgendwo einen halben Euro dazu und dann ist die SPD zufrieden“, warf Gysi den Sozialdemokraten vor.

Die Hartz-IV-Änderungen bedeuten für den Bund im kommenden Jahr laut Gesetzentwurf Mehrausgaben von fast einer Milliarde Euro. Insgesamt werden die Kosten der Neuregelungen auf 1,15 Milliarden Euro beziffert, wovon im Jahr 2011 rund 220 Millionen Euro zulasten der Kommunen gehen sollen. Deren Mehrkosten steigen in den Folgejahren auf etwa 290 Millionen Euro.

Milliarden Mehrausgaben

Die kommunalen Spitzenverbände reagierten daher kritisch, begrüßten aber die Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder. „Die Städte halten die Mehrbelastungen für nicht akzeptabel und verlangen einen Ausgleich dafür“, erklärte der Städtetag.

Einhellige Kritik kam von Sozialverbänden und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte, zur Gewährleistung des Existenzminimums müsse der Regelsatz auf mindestens 416 Euro im Monat steigen. Der Sozialverband VdK warf der Regierung vor, sie habe kein tragfähiges Konzept zur Armutsbekämpfung. Eine gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder an Bildungsangeboten sei am besten über den Ausbau von Ganztagesbetreuung an Schulen und in Kindergärten zu erreichen. Der DGB kritisierte, bei der Ermittlung der Regelsätze habe die Kassenlage des Bundes den Ausschlag gegeben.

Mit dem Gesetzentwurf setzt die Regierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar um. Die Richter hatten eine Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes und die Berücksichtigung der Bildungskosten von Kindern gefordert. (rtr)