Frankfurt/M. Die Steuerschätzer erwarten dank der Konjunkturerholung ein Plus von mindestens 30 Milliarden Euro in den öffentlichen Kassen. Der Städtebund schätzt die derzeitige Finanzlage der Kommunen als katastrophal ein.
Bund, Länder und Gemeinden stehen nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" vor einer der stärksten Einnahmeverbesserungen in der Geschichte. Wie die Zeitung in ihrer Dienstagausgabe unter Berufung auf Steuerschätzerkreise schreibt, erwarten die Experten dank der Konjunkturerholung eine Aufstockung ihrer Prognose allein für das laufende und das kommende Jahr um mindestens 30 Milliarden Euro. Nicht eingerechnet seien dabei die Steuererhöhungen durch das schwarz-gelbe Sparpaket.
Von einem "drastischen Mehraufkommen" spricht der Finanzexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Alfred Boss. "Gerade die Gewinnsteuern wie Gewerbe- und Körperschaftsteuer laufen extrem gut", sagte Boss. Der ungewöhnlich große Korrekturbedarf erklärt sich durch die bisherige Konjunkturprognose der Bundesregierung, die sich als viel zu pessimistisch erwiesen hat. Bislang geht sie von einem Wachstum um 1,4 Prozent in diesem und 1,6 Prozent im nächsten Jahr aus.
Doch nicht allein die höheren Wachstumsraten stärken die finanzielle Basis des Staates. Die bessere Konjunktur sei der wichtigste Antreiber, sagt Steuerschätzer Heinz Gebhardt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. "Das Steueraufkommen wird aber auch dadurch gesteigert, dass wichtige makroökonomische Bezugsgrößen wie die Bruttolöhne oder der private Konsum merklich kräftiger expandieren dürften als bislang angenommen."
Städtebund nennt Finanzlage der Kommunen "katastrophal"
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, bewertet die Finanzlage der Kommunen als "katastrophal". Den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" sagte er: "Wir haben das höchste Defizit seit Bestehen der Bundesrepublik, rund 15 Milliarden Euro." Viele Städte würden daher die Gebühren erhöhen. "Wer so schlecht dasteht wie viele Kommunen, wird erfinderisch und führt Bagatellsteuern ein."
Als Beispiele nannte Landsberg die Kölner Bettensteuer und die Bräunungssteuer für Solariumbesucher in Essen. Die grundsätzliche Misere ändern könnten die Zusatzabgaben aber nicht: "Das sind zwar rührende Versuche. Aber all diese Bagatellsteuern inklusive der Hundesteuer machen nicht einmal ein Prozent unserer Einnahmen aus", sagte er dem Blatt.
Landsberg forderte eine Entlastung der Kommunen im Sozialbereich, etwa bei Unterbringungskosten für Hartz-IV-Empfänger oder der Eingliederungshilfe für Behinderte: "Wenn wir nur bei einem Teil dieser Aufgaben entlastet würden, sähe die kommunale Welt bereits ganz anders aus", sagte er. (dapd)