Stuttgart. .

Die Erfolgschancen für einen „Stuttgart 21“-Dialog schwinden. Bahn-Chef Rüdiger Grube rückt keinen Zentimeter von seiner Position ab: Es werde trotz Schlichtung weitergebaut.

Vor dem Treffen zwischen Gegnern des Projekts „Stuttgart 21“ mit dem Vermittler Heiner Geißler sind die Erfolgschancen eines Dialogs gesunken. Bahnchef Rüdiger Grube erteilte der Forderung nach einem Baustopp am Grundwassermanagement des Bahnhofsprojekts am Montag eine entschiedene Absage. „Mit dem Grundwassermanagement können wir nicht aufhören“, sagte Grube am Montag in Stuttgart. Das Fundament für die bereits beauftragte Anlage müsse vor der Frostperiode gegossen werden, fügte er hinzu. Sollte man jetzt die Bauarbeiten an diesem Abschnitt aussetzen, könnte sich eine Verzögerung von drei bis sechs Monaten ergeben. Die Gegner, mit denen sich Geißler am Dienstagabend treffen will, hatten einen Stopp aller Bauarbeiten stets zur Bedingung für eine Teilnahme an einem Deeskalationsgespräch gemacht.

Noch am Vormittag hatte Geißler mitgeteilt, dass die Bahn prüfe, ob das Grundwassermanagement während der Schlichtung gemacht werden müsse. Der Antwort der Bahn, die Geißler für Dienstag erwartet, griff Grube damit vor. „Es kann und darf keinen Bau- und Vergabestopp geben“, sagte Grube vor Stuttgarter Unternehmern.

Geißler soll Gegner überzeugen

Beim Grundwassermanagement geht es unter anderem um die Kontrolle des Wasserstandes im Bereich der Großbaustelle und den Schutz der Stuttgarter Mineralquellen. Zur Einrichtung der Baustelle für diesen Bauabschnitt war es vor über einer Woche zu dem umstrittenen Polizeieinsatz und die damit verbundenen Baumfällarbeiten gekommen. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) betonte die Wichtigkeit der Arbeiten für die Grundwasseranlage. „Die Errichtung dieses Systems durch die Bahn ist Voraussetzung für alle Erdarbeiten“, sagte Schuster.

Neben den Arbeiten für die Grundwassersicherung lehnte Grube auch einem Baustopp bei den sicherheitsrelevanten Arbeiten ab. Dazu zählen unter anderem die Verlängerung der Bahnsteige und Gleisdächer. Grube sicherte allerdings seine Bereitschaft für einen Dialog zu. Einen Kompromiss könne es allerdings nicht geben. „Hier geht es um Ja oder Nein.“ Er hoffe allerdings, dass es dem Vermittler Geißler gelinge, viele Gegner, die verunsichert und für Argumente nicht mehr zugänglich seien, wieder zu erreichen.

Geißler sprach sich erneut für ein Ruhen der Bauarbeiten während der Gespräche aus: „Es hat keinen Wert, wenn wir da zusammensitzen und draußen vor dem Fenster fahren die Bagger herum. Da kann man keine vernünftigen Gespräche führen.“ Es könne möglicherweise aber Gründe gebe, „warum die eine oder andere Sache nicht sofort gestoppt werden kann.“

Parteien machen „Stuttgart 21“ schon vor Landtagswahl zu Koalitionsbedingung

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), der sich derzeit auf einer mehrtägigen Reise auf der arabischen Halbinsel befindet, hielt kleine Veränderungen an der Architektur des Neubaus für denkbar. „Ich stehe weiter zu dem Projekt, aber wenn Veränderungen gewünscht sind, dann ist das für mich kein K.-o.-Kriterium.“ Ihm dürfe aber nicht vorgeworfen werden, „dass ich das Projekt teurer mache“. Unterhalb eines Baustopps könne über alles geredet werden, bekräftigte er.

Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel und -Landeschef Nils Schmid erklärten in Stuttgart, eine Volksabstimmung sei unumgänglich. Zuvor müsse ein sofortiger Bau- und Vergabestopp für „Stuttgart 21“ verhängt werden. Gabriel machte die Volksabstimmung zur Bedingung einer möglichen Koalition nach der Landtagswahl am 27. März 2011. Er appellierte an die Grünen, sich dem Vorschlag zu öffnen.

Die Grünen verlangten von der Landesregierung aufrichtige Angebote in den Vermittlungsgesprächen. Als „Mogelei“ bezeichnete Parteichefin Claudia Roth deren Bereitschaft, auf weitere Baumfällungen und den Abriss des Südflügels des Bahnhofes vorerst zu verzichten. Beides sei vor Ende des kommenden Jahres beziehungsweise vor 2012 ohnehin nicht geplant. Die Aussetzung dieser beiden Punkte nun als vermeintliches Entgegenkommen anzubieten, sei „Ausdruck einer unglaubwürdigen Politik“, sagte Roth. Ihr Co-Vorsitzender Cem Özdemir hatte zuvor der „Bild“-Zeitung gesagt, im Falle eines Sieges bei der Landtagswahl wollten die Grünen „den unsinnigen Tiefbahnhof“ verhindern.

In Stuttgart haben unterdessen erneut zehntausende Menschen gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ demonstriert. Zu einer Kundgebung am Montagabend im Schlossgarten am Hauptbahnhof kamen Polizeiangaben zufolge gut 10. 000 Menschen, die Veranstalter sprachen von mehr als 30.000 Teilnehmern. Anschließend zogen laut Polizei hunderte Demonstranten zu einem nicht angemeldeten Aufmarsch vor das Kongresszentrum Liederhalle in der Stuttgarter Innenstadt weiter, wo Bahnchef Grube am Abend an der Podiumsdiskussion teilgenommen hatte. (dapd/afp)