Bielefeld/Essen. .
Die Bundesregierung will härter gegen Mietnomaden vorgehen. Bevor jedoch die Gesetze verschärft werden, sollen Bielefelder Wissenschaftler den Mietnomaden genauer unter die Lupe nehmen. Für ihre Forschung suchen sie Fälle.
Er ist der Schrecken aller Vermieter - der gemeine Mietnomade: Er zieht von Wohnung zu Wohnung, von vornherein in der Absicht, keinen Cent Miete zu bezahlen. Meist macht er sich genauso unerkannt aus dem Staub wie er gekommen ist, und hinterlässt neben einem Haufen Schulden jede Menge Ärger.
Bielefelder Forscher wollen die Spezies des Mietnomaden jetzt näher ergründen – bundesweit ein einmaliges Vorhaben. Denn niemand hat bislang wissenschaftlich untersucht, wie verbreitet diese Art ist und welche Überlebensstrategien sie anwendet.
Die Bielefelder forschen im Auftrag der Bundesregierung. Denn Union und FDP haben sich im Koalitionsvertrag einhellig vorgenommen, gegen die Mietnomaden härter vorzugehen.
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Die Passage im Koalitionsvertrag lautet konkret: „Wir wollen das Mietrecht auf seine Ausgewogenheit hin überprüfen und dabei seinen sozialen Charakter wahren. (...) Mietnomadentum sowie Luxussanierungen zum Zwecke der Entmietung werden wir wirksam begegnen. Die Kündigungsfristen für Vermieter und Mieter sollen einheitlich sein. Mietrechtliche Ansprüche müssen auch wirksam vollstreckt werden können ...“
Schon mehrere hunderte Fälle von Mietnomadentum liegen auf dem Tisch von Professor Markus Artz in Bielefeld. Betroffene Vermieter aus der ganzen Republik haben Emails und Briefe geschrieben, schildern darin ihre Erfahrungen. Zusammen mit seinem Kollegen Florian Jacoby sichtet Artz derzeit das Forschungsmaterial. „Am Ende werden wir zwar keine absolute Zahl liefern können, aber wir wollen wissen, ob es ein Massen- oder Randphänomen ist“, sagt Artz.
Private Vermieter besonders betroffen
Werner Weskamp vom Eigentümerverband Haus und Grund, kennt genügend Fälle aus seiner Praxis. Der Geschäftsführer des Regionalverbandes Ruhr sagt: „Das Problem hat in den vergangenen zehn Jahren zugenommen.“ Dabei würden Mietnomaden vermehrt bei privaten Vermietern auftauchen: „Vielleicht lassen sich die eher vom großen Auto oder von der schicken Kleidung blenden, statt sich Klarheit über den Geschäftspartner zu verschaffen“, so Westkamp.
Diesem Verdacht wollen auch Artz und Jacoby nachgehen. Sie sind besonders gespannt, mit welchen Tricks und Strategien sich Mietnomaden das Vertrauen des Vermieters erschleichen. Warum möglicherweise private Vermieter ihren künftigen Mietern weniger auf den Zahn fühlen als professionelle Wohnungsgesellschaften - ob aus falscher Zurückhaltung oder Unwissen - das ist die Frage.
Dabei trifft es besonders die kleinen Vermieter wirtschaftlich hart, wenn sich ein Mietnomade bei ihnen eingenistet hat. Nach Erfahrungen von Werner Weskamp kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis ein Vermieter einen solchen Mieter wieder loswird. „Viele dieser Leute beherrschen die gesamte Klaviatur des Mietrechts und spielen sie aus“, so Weskamp.
Langwierige Prozesse
Der Schaden, den sie anrichten, summiert sich schnell auf einen fünfstelligen Betrag. Mietausfälle, Kosten für Anwalt und Gericht, nicht selten auch Kosten für die Renovierung. Denn oft, so Westkamp, „hausen“ Mietnomaden in den Wohnungen und ruinieren sie.
Der Eigentümerverband hat bereits Forderungen, was der Gesetzgeber ändern muss. Weskamp: „Die Gerichtsprozesse müssen beschleunigt werden“. Er schlägt außerdem vor, dass der Mieter, sollte er Mietminderungsgründe anführen, die Miete solange bei Gericht hinterlegen muss, bis ein Urteil fällt. „Daran könnte man die Zahlungsunwilligkeit erkennen.“
Seinen Mitgliedern indes rät Weskamp vor Abschluss von Mietverträgen einen Mietersolvenzcheck zu verlangen und sich auch ein aktuelles Personaldokument zeigen zu lassen. Außerdem schlägt er vor, den Mietvertrag in der Nochwohnung des künftigen Mieters abzuschließen. So erhalte man einen Eindruck, wie dieser lebt.
Bis Ende des Jahres wollen die Bielefelder Forscher ein genaueres Bild des Mietnomaden abgeliefert haben.