Berlin. .
Sarrazin sieht keinen Grund für einen Austritt aus der SPD. Zudem wolle er nicht aus dem Bundesbankvorstand zurückzutreten. „Ich sehe mich durch die Meinungsfreiheit gedeckt“, sagte Sarrazin bei der Präsentation seines umstrittenen Buches.
Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin sieht wegen seiner Kritik an der Integration von Ausländern in Deutschland keinen Grund für einen Austritt aus der SPD. Er werde in der „Volkspartei“ SPD bleiben, sagte Sarrazin am Montag bei der Präsentation seines umstrittenen Buches in Berlin. Er empfahl erneut allen Kritikern, zunächst einmal sein Buch zu lesen. „Es wird dort nichts zu finden sein, was einen Parteiausschluss rechtfertigt“, sagte Sarrazin.
Er sprach von einem ausgewogenen Sachbuch. Er habe zwar „wertende Zuspitzungen“ benutzt, um eine Diskussion anzustoßen, aber weder diffamierend noch unsachlich argumentiert, sagte das Vorstandmitglied der Bundesbank. Das Buch heißt „Deutschland schafft sich ab“.
„Ich sehe mich durch die Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt“
Unter großem Medienandrang erläutere das SPD-Mitglied den Aufbau seines Buches und beantwortete kritische Fragen vor allem vieler ausländischer Journalisten. „Ich lade alle ein, Unstimmigkeiten oder blinde Stellen in meiner Analyse zu finden, sei es in empirischer, sei es in logischer Sicht. Das wird, so glaube ich, nicht leicht möglich sein“, sagte Sarrazin.
Zudem sehe er keinen Anlass, aus dem Bundesbankvorstand zurückzutreten. „Ich sehe mich durch die Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt“, sagte Sarrazin. Als Mitglied des Bundesbankvorstands habe er keine dienstlichen Obliegenheiten verletzt. Bundesbank-Chef Axel Weber hat für den Nachmittag eine Stellungnahme zu Sarrazin angekündigt.
SPD-Spitze will Sarrazin ausschließen
Die SPD-Spitze plant ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin. Das Parteipräsidium wollte dem Vorstand am Montag einen entsprechenden Vorschlag machen. Sarrazin war durch seine Äußerungen zur Integrationsfähigkeit von Muslimen und durch Aussagen über ein „bestimmtes Gen“ von Juden in die Kritik geraten. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Montag erfuhr, hat das SPD-Präsidium am Vormittag in Berlin beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin einzuleiten. Das soll dem Bundesvorstand vorgeschlagen werden. Parteichef Sigmar Gabriel will sich nach den Gremiensitzungen am Nachmittag (14.00 Uhr) äußern.
Präsidiumsmitglied Ralf Stegner sagte der Berliner „tageszeitung“: „Es wäre besser, wenn er selber austreten würde, aber ich befürchte, dies wird er nicht tun.“ Deshalb sei das Ausschlussverfahren unvermeidlich. „Für seine Thesen ist in der SPD kein Platz“, betonte Stegner. Sarrazin habe „selber alles dafür getan“, dass das Ausschlussverfahren auch erfolgreich sein werde.
Regierung sieht Bundesbank am Zuge
Angesichts der umstrittenen Äußerungen von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin zu Ausländern sieht die Bundesregierung die Bundesbank am Zug. Die Bundesbankspitze müsse sich „da natürlich Gedanken machen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Er verwies auf eine Stellungnahme von Bundesbank-Chef Axel Weber am Nachmittag. Die Bundesregierung sehe das nationale und internationale Ansehen der Bundesbank durch die Äußerungen Sarrazins durchaus beeinträchtigt, sagte Seibert.
Ein Vorstandsmitglied der Bundesbank könne nur vom Bundespräsidenten entlassen werden, sagte Seibert auf eine entsprechende Frage. Den Antrag dazu müsse der Vorstand stellen. Andere Verfassungsorgane etwa die Bundesregierung hätten da keinen Einfluss.
Bislang hatte die Bundesbank darauf verwiesen, dass es sich bei den Äußerungen Sarrazins in dessen neuem Buch „Deutschland schafft sich ab“ um eine private Angelegenheit handle, die nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Bundesbank stehe.
Polizeiaufgebot bei Buchpräsentation
Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot haben etwa 70 Menschen am Montagvormittag in Berlin gegen die Buchpräsentation von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (SPD) protestiert. Initiiert wurde der Protest, der auf großes Interesse in- und ausländischer Medien stieß, von einem Bündnis „Rechtspopulismus stoppen!“. Kritiker werfen dem ehemaligen Berliner Finanzsenator vor, Zuwanderer pauschal zu diskriminieren und damit nicht zur Lösung von Integrationsproblemen beizutragen. Die Initiatoren der Proteste kritisieren auch ein „Bündnis von Mob und Elite“.
Die Veranstaltung vor dem Gebäude der Bundespressekonferenz, wo Sarrazin sein umstrittenes Buch am Vormittag offiziell präsentierte, stand unter dem Motto „Kein Podium für geistige Brandstifter“. Sie wurde von Politikern der SPD, der Grünen, der Linken sowie Gewerkschaftsvertretern unterstützt. Auf einem Transparent war zu lesen „Kein Podium für Rassisten und Nazis! Null Prozent bei den Wahlen Berlin 2011“. Im Tagungszentrum des Hauses hatte Sarrazin sein umstrittenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ vorgestellt, das im DVA Verlag München erschienen ist. Darin wirft er muslimischen Migranten vor, sich nicht in die Gesellschaft integrieren zu wollen und mehr Kosten zu verursachen, als Nutzen zu bringen.
Friedman: Sarrazin hetzt Menschen aufeinander
Sarrazin steht mit seinen Thesen zur Integration von Muslimen seit Tagen stark in der Kritik. Mit Äußerungen über Juden fachte er die Debatte am Wochenende zusätzlich an. Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, warf Sarrazin bei der Protestveranstaltung „intellektuellen Rassismus“ vor. Es sei höchste Zeit, dass Sarrazin als Bundesbank-Vorstand abgesetzt werde. Zudem gehe er davon aus, dass Sarrazin nicht in der SPD bleiben werde, sagte Kolat.
Der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, sagte, Sarrazin habe Millionen von Muslimen und Türken „beleidigt“. Das demotiviere Menschen, die miteinander leben wollen und müssen. Friedman fügte hinzu, Sarrazin hetze Menschen aufeinander. (apn/afp/ddp)