Schleswig/Kiel. .

Die Schleswig-Holsteiner wählen ihren Landtag spätestens im September 2012 erneut vorzeitig - das Landeswahlrecht ist nicht mit der Verfassung vereinbar. Peter Harry Carstensen will nicht mehr kandidieren.

Die Schleswig-Holsteiner wählen ihren Landtag spätestens im September 2012 erneut vorzeitig. Das Landesverfassungsgericht ordnete am Montag vorzeitige Neuwahlen im nördlichsten Bundesland an. Die Schleswiger Richter erklärten das Landeswahlrecht in Teilen als nicht mit der Verfassung vereinbar. Dem Parlament gab das Gericht Zeit, bis Ende Mai 2011 für eine Wahlrechts-Änderung und bis Ende September 2012 für eine Neuwahl. Regulärer Wahltermin wäre der Herbst 2014 gewesen. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen kündigte an, Mitte September nicht mehr als CDU-Landschef zu kandidieren.

Verfassungsgerichtspräsident Bernhard Flor sagte in der Urteilsbegründung, mehrere Vorschriften des Landeswahlgesetzes seien „in ihrem Zusammenspiel“ mit der Landesverfassung nicht vereinbar. Dadurch werde sowohl die Vorgabe verfehlt, die Landtags-Regelgröße von 69 Sitzen möglichst nicht zu überschreiten, als auch der Grundsatz der Wahlgleichheit. Die durch Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler und den Landtag vorgenommene Auslegung des Wahlrechts sei hingegen rechtmäßig.

Carstensen „überrascht“

Das Gericht gab einem Normenkontrollantrag von Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) in der Sache statt und in Teilen auch den knapp 50 Wahlprüfungsbeschwerden. Beide Entscheidungen ergingen einstimmig.

Regierungschef Carstensen betonte, das Gericht habe die Auszählung der Landtagswahl und damit auch die Legitimation der Landesregierung bestätigt. Die vorgezogene Neuwahl stelle die Koalition vor „gewisse Herausforderungen“. Er fühle sich weiter dem Ziel der Haushaltskonsolidierung verpflichtet. Die Frage einer möglichen erneuten Spitzenkandidatur stelle sich derzeit aber nicht, sagte der 63-Jährige. Diese Entscheidung stehe kommendes Jahr an. Einen Automatismus, dass der Landeschef auch Spitzenkandidat werde, gebe es aber nicht.

In einer gemeinsamen Erklärung von Carstensen und CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher betonten beide: „Das Urteil überrascht uns insofern, weil es zusätzlich zu den in der Landesverfassung genannten Auflösungsgründen einen weiteren hinzufügt. Diese Entscheidung wird sicherlich ein spannendes juristisches Echo erzeugen, ist aber von der Politik zu akzeptieren.“ Carstensen sagte, es werde im September 2012 gewählt.

Bananenrepublik?

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki kündigte eine zügige Umsetzung des Urteils mit der notwendigen Sorgfalt an, um weitere juristische Auseinandersetzungen auszuschließen. „Wann der Wahltermin ansteht, kann erst nach einer Reform des Wahlrechts entschieden werden“, sagte Kubicki.

SPD-Landeschef Ralf Stegner glaubt indes nicht, dass „es zwei Jahre werden“ bis zur Neuwahl des Landtags. Die Koalition sei nur noch „geschäftsführend tätig“. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Robert Habeck könne bereits Ende 2011 gewählt werden. SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk betonte: „Wir hoffen, dass zügig gewählt wird.“

Nach Ansicht des Kieler Politikwissenschaftlers Joachim Krause ist die Schleswiger Entscheidung nicht gut für das Image des Landes. „Wenn ein Verfassungsgericht ein Parlament auflöst - und das Parlament ist das primäre Verfassungsorgan -, das findet man eigentlich nur in Bananenrepubliken, aber nicht hier.“ Gemäß Landesverfassung sei eine solche Möglichkeit der frühzeitigen Parlamentsauflösung wie in diesem Fall überhaupt nicht gegeben. „Man könnte durchaus in Frage stellen, ob dieses Urteil des Verfassungsgerichts eigentlich verfassungsgemäß ist“, sagte Krause.

Hintergrund der Entscheidung ist eine Besonderheit des Landeswahlgesetzes. Es begrenzt die Vergabe von Ausgleichsmandaten durch eine missverständliche Formulierung. CDU und FDP erhielten nach der Landtagswahl vom 27. September 2009 nur eine Mehrheit, weil drei Überhangmandate der Union nicht ausgeglichen wurden. Die Opposition hatte jedoch mehr Zweitstimmen erhalten als die Koalitionsparteien. Nach dem von der Union im vergangenen Sommer erzwungenen Bruch der großen Koalition endet für Carstensen bereits zum zweiten Mal eine Legislaturperiode vorzeitig. (ddp)