Berlin. .
CDU-Politiker fordern von Merkel ein stärkeres Durchgreifen in der Koalition. Auch in Wirtschaftskreisen wurde Kritik an Merkels Führungsstil laut: „Wir werden inkompetent regiert“, sagte der Ex-Thyssen-Chef Dieter Spethmann.
Nach den zahlreichen Streits in der schwarz-gelben Koalition haben mehrere Unionspolitiker Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem härteren Durchgreifen aufgefordert. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (beide CDU) forderten Merkel am Donnerstag auf, ihren Führungsstil zu ändern. In der Gesundheits- und Steuerpolitik bahnten sich indes neue Differenzen an.
In der Politik müsse man „auch mal mit der Faust auf den Tisch hauen“, sagte Beust der „Süddeutschen Zeitung“. „Wenn ein Minister offenkundig illoyal ist, wäre es klug, ihn rauszuschmeißen.“ Dann müsse die Kanzlerin sagen: „Ich bin der Kapitän an Bord. Ich habe jetzt drei Mal gemahnt, nun fliegst du raus.“ Beust sagte, dass er den nüchternen Stil der Kanzlerin sehr schätze. „Aber manchmal braucht Politik Symbole.“
Forderung nach mehr Selbstdisziplin
Carstensen sagte dem „Hamburger Abendblatt“, „ich habe nichts dagegen, wenn auch mal auf den Tisch gehauen wird“. Er riet Merkel, Fehlverhalten in der Koalition „deutlich zu benennen“. Zugleich forderte er von den Spitzenpolitikern in Berlin mehr Selbstdisziplin. Jeder wisse, dass er mit kritischen Äußerungen die Arbeit der schwarz-gelben Koalition gefährde. Der stellvertretende Vorsitzende des CDA-Arbeitnehmerflügels in der Union, Gerald Weiß, forderte in der „Bild“-Zeitung einen Strafenkatalog für Beleidigungen. „Die Bürger verlangen Anstandsregeln“, sagte Weiß.
Union und FDP ringen in verschiedenen politischen Vorhaben wie der Energie-, der Haushalts- und der Gesundheitspolitik seit Monaten um eine einheitliche Haltung. Vor allem bei der geplanten Reform des Gesundheitswesens hatten sich die kleinen Koalitionspartner CSU und FDP einen teils heftigen verbalen Schlagabtausch geliefert. Nach Bekanntgabe des mühsam errungenen Kompromisses am Dienstag hatte die Kanzlerin nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in einer Fraktionssitzung deutliche Kritik an kritischen Äußerungen aus den eigenen Reihen geäußert.
„Wir werden inkompetent regiert“
Auch in Wirtschaftskreisen wurde Kritik an Merkels Führungsstil laut: „Wir werden inkompetent regiert“, sagte der ehemalige Thyssen-Chef Dieter Spethmann dem „Handelsblatt“. Die CDU habe einen furchtbaren Substanzverlust erlitten, der schon mit Helmut Kohl begonnen habe. „Frau Merkel kann nicht führen. Die Truppe kriegt keine Vorgaben“, kritisiert Spethmann. „Sie hat keine materiellen Erfolge erzielt. Die Deutschen werden von Jahr zu Jahr ärmer.“ Spethmann klagt zusammen mit vier Ökonomen und Juristen gegen den Euro-Rettungsschirm vor dem Bundesverfassungsgericht.
In der Koalition bahnten sich am Donnerstag bereits neue Differenzen an: Einen Tag nach der Verabschiedung des Sparhaushalts von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Kabinett drängte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in einem Schreiben an die Abgeordneten von Union und FDP erneut auf Steuersenkungen für Leistungsträger. Der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, äußerte in der „Passauer Neuen Presse“ Zweifel an der Machbarkeit des Sozialausgleichs. Der Ausgleich soll gezahlt werden, wenn der lohnunabhängige Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung zwei Prozent des Einkommens eines Versicherten überschreitet. (afp)