Essen. .

Ein partei-internes Gremium soll die jüngsten islamkritischen Äußerungen des Bundesbank-Vorstandes untersuchen - der erste Schritt für ein Ausschlussverfahren des Genossen Provokateurs, Thilo Sarrazin.

Die SPD will Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin wegen seiner islamkritischen Äußerungen unter Beobachtung stellen. Wie die WAZ aus Führungskreisen der SPD erfuhr, soll in Berlin ein parteiinternes Gremium gebildet werden, das weitere öffentliche Äußerungen Sarrazins auf parteischädigendes Verhalten untersuchen soll. Sollte das Gremium, dem führende Sozialdemokraten angehören werden, ein solches Verhalten feststellen, könnte im nächsten Schritt ein offizielles Parteiausschlussverfahren gegen den ehemaligen Berliner Finanzsenator eingeleitet werden.

Nach Informationen der WAZ will die Berliner SPD das Gremium noch am Freitag vorstellen. Es gilt als Diziplinierungsinstrument gegen den ehemaligen SPD-Spitzenpolitiker, der mit Hilfe seiner Partei in den Vorstand der Bundesbank gekommen ist. Sarrazin ist in den vergangenen Tagen wegen seiner scharfen Angriffe auf die bisherige Integrationspolitik der regierenden Parteien in die Kritik geraten.

Austrittsforderungen von allen Seiten

Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller hat Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin zum Austritt aus der SPD aufgefordert. Sarrazin verabschiede sich mit seinen Positionen von sozialdemokratischer Integrationspolitik, von „sozialdemokratischer Politik insgesamt“, heißt es in einem Brief Müllers an den früheren Finanzsenator. In dem Brief vom 25. August wirft Müller Sarrazin vor, sich von SPD-Politik immer weiter zu entfernen: „Da Du aber diesen Weg offenbar weitergehen willst, fordere ich Dich auf, gehe ihn ohne die SPD und tritt aus der Partei aus.“ Der Ex-Senator wirft in seinem Buch muslimischen Migranten vor, sich nicht in die Gesellschaft integrieren zu wollen und mehr Kosten zu verursachen, als Nutzen zu bringen. Auch SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel hatte Sarrazin den Parteiaustritt nahegelegt.

Der Vorsitzende von Sarrazins SPD-Ortsverband Neu-Westend, Robert Drewnicki, will am Wochenende einen Brief an Sarrazin schreiben und ihn zum Parteiaustritt auffordern. Sarrazin stehe nicht mehr auf dem Boden der Grundwerte der Partei, sagte Drewnicki. Ob ein Ausschlussverfahren angestrengt werden sollte, müsse aber die Landespartei entscheiden. Müller hatte bereits angekündigt, dass dies geprüft werde. Ein erster Anlauf wegen früherer Äußerungen war im Frühjahr gescheitert.

Die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz, warf Sarrazin „Bösartigkeit“ vor. Seine Äußerungen seien „widerlich“ und pure Provokation. Es wäre das Beste, wenn Sarrazin aus eigener Entscheidung die SPD verlassen würde.

Proteste zur Buchveröffentlichung

Die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert sagte: „Herr Sarrazin hat in der Sozialdemokratie keinen Platz mehr.“ Sie rief die Berliner auf, sich am Montag (30. August, 10.00 Uhr) einer Protest-Kundgebung des Bündnisses „Rechtspopulismus stoppen!“ vor dem Haus der Bundespressekonferenz anzuschließen. Im Tagungszentrum veranstaltet der DVA Verlag München, in dem das Buch am selben Tag erscheint, eine Pressekonferenz mit Sarrazin.

Der stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Patrick Döring forderte Bundesbankpräsident Axel Weber zum Eingreifen auf. Weber solle Sarrazin „nahelegen, in Zukunft entweder sein für die Bank schädliches Verhalten zu beenden oder seinen Vertrag bei der Bundesbank aufzulösen“.

Der Vize-Chef der Bundestagslinksfraktion, Ulrich Maurer, forderte von der SPD den Rauswurf Sarrazins. „Statt hilflose Appelle zu verbreiten, sollte die SPD einfach nur ihre Statuten anwenden und Thilo Sarrazin aus der Partei ausschließen“, sagte er. „Aber dazu ist sie offensichtlich zu feige.“

Der neue Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung, Haci-Halil Uslucan, warf Sarrazin vor, Deutschlands Bild im Ausland zu beschädigen. Dessen Behauptungen seien „weder sozial noch demokratisch“, sagte Uslucan. Was Sarrazin etwa über die enorme Kinderzahl von Migranten sage, halte keiner Überprüfung stand.

Unterdessen plädierte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), für die Einrichtung eines eigenständigen Integrationsministeriums mit eigenem Budget. „Ich glaube, das ist eine zwingende Entwicklung. Das sehen Sie ja auch zum Teil in den Ländern“, sagte Böhmer. ( mit ddp)