Berlin. .

Die Bedenken gegen den Internetdienst Google Street View wachsen. Der Rechtsrahmen für Widersprüche ist völlig unklar.

Google hat Deutschland aufgeschreckt: Einen Tag nach der überraschenden Ankündigung des Internetkonzerns, seinen Kartendienst Street View in Deutschland zu starten, wächst die Kritik an dem Projekt.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bemängelte das Verfahren des Widerspruchs von Bürgern, die ihre Häuser nicht bei Google sehen wollen. Er forderte eine „detaillierte Verfahrensbeschreibung“ für die Bearbeitung der Widersprüche und eine Verlängerung der vier Wochen dauernden Frist.

Schaar forderte Google zur detaillierten Offenlegung der Kriterien auf, nach denen die Widersprüche bearbeitet werden. Aus seiner Sicht müssen Widersprüche zudem „auch noch nach der Freischaltung von Street View möglich sein, nicht nur in den nächsten vier Wochen“.

Haus und Grund ruft zu Widersprüchen auf

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfD), Peter Schaar. Foto: Clemens Bilan/ddp
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfD), Peter Schaar. Foto: Clemens Bilan/ddp © ddp

Die Sprecherin von Google Deutschland, Lena Wagner, sagte, die Bürger könnten seit Mai 2009 schriftlich und online Widerspruch gegen die Speicherung und Veröffentlichung der Aufnahmen einlegen. Hätte das Unternehmen statt der Widerspruchsmöglichkeit alle betroffenen Bürger um Erlaubnis gefragt, wäre laut Wagner eine „Flut von Daten“ entstanden, an der das Unternehmen nicht interessiert sei. Nun bekäme Google zwar die Adressen derer, die sich gegen eine Aufnahme ihres Hauses wehrten. Diese würden aber nur für die Bearbeitung des Widerspruchs verwendet.

Die Grünen richteten ihre Kritik an die schwarz-gelbe Bundesregierung. „Sie hat es versäumt, einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, an den sich Google halten muss“, sagte der Internet-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz.

Der Präsident des Eigentümerverbandes Haus und Grund Deutschland, Rolf Kornemann, forderte indes Immobilienbesitzer auf, sich bei Bedarf zu wehren. „Haus- und Wohnungseigentümer haben ein Recht darauf, dass Bilder ihrer Häuser geschwärzt werden, sodass diese nicht bei Google Street View erscheinen“, sagte er. Die Google-Kamera habe Bilder in einer Höhe geschossen, die deutlich über der Augenhöhe eines Normalbürgers liege. Betroffene Eigentümer, die Bilder ihrer Immobilien nicht im Internet haben wollten, sollten daher unbedingt Widerspruch einlegen.

Wie der Verband der Hauseigentümer rief auch der Deutsche Mieterbund (DMB) dazu auf, Widerspruch einzulegen. Ebenso wie Datenschützer kritisierten die Verbände die von Google dafür eingeräumte Frist von noch vier Wochen als viel zu kurz.

„Ich empfehle allen Hauseigentümern und Mietern, die nicht wollen, dass ihr Haus, ihr Garten, ihre Wohnung über Google Street View im Internet vermarktet wird, Widerspruch einzulegen“, erklärte DMB-Direktor Lukas Siebenkotten am Mittwoch in Berlin. Auch der DMB stellte dafür auf seiner Internetseite Musterbriefe bereit.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte gegenüber DerWesten: „Wir müssen sehr sorgfältig darauf achten, wann Quantität in Qualität umschlägt und aus etwas Normalem, der Blick auf eine Häuserfassade mit Klingelschildern und Briefkästen, ein weltweit möglicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen werden kann.“ Er kenne noch keine Details, begrüße aber das Widerspruchsrecht, das Google einräumt.

Rechtsrahmen völlig unklar

Google hatte am Dienstag angekündigt, bis zum Jahresende Panoramabilder von 20 Städten im Internet zu veröffentlichen. Einen konkreten Starttermin gab das Unternehmen nicht an. Für Street View ließ der Konzern überall in Deutschland Straßen und Häuser fotografieren. Diese Bilder werden als Komplettansichten der Straßen als Street View im Internet gezeigt.

Betroffene Hausbesitzer und Mieter können ab Anfang kommender Woche noch vier Wochen lang Widerspruch gegen die Veröffentlichung einlegen. Diese will Google dann auf den Bildern unkenntlich machen. Zwar sind grundsätzlich auch danach Widersprüche möglich. Die Bilder würden dann aber zunächst veröffentlicht. Für Bewohner anderer Orte gilt die Vier-Wochen-Frist nicht.

Allerdings sind die Möglichkeiten für ein juristisches Vorgehen gegen den umstrittenen Dienst völlig unklar. Im Bundesdatenschutzgesetz sei kein derartiges Widerspruchsrecht vorgesehen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch. Die Zuständigkeit für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich liege bei den Ländern, die grundsätzlich auch Möglichkeiten hätten, gegen Google vorzugehen. Er könne jedoch nicht bewerten, ob dies im konkreten Fall greife.

Das momentan anlaufende Widerspruchsverfahren gegen Street View beruhe auf einer Zusage, die Google gegenüber dem Hamburger Datenschutzbeauftragten (http://www.hamburg.de/datenschutz) gemacht habe, sagte der Sprecher des Innenministeriums.

Was passiert, wenn Google den Widerspruch nicht anerkennt?

Auch das Verbraucherschutzministerium konnte keine Auskunft darüber geben, ob Bürger den Schutz ihrer Wohnung per Klage durchsetzen können, falls Google einen Widerspruch nicht anerkennt. Das Ministerium werde aber genau beobachten, wie Google das Widerspruchsverfahren umsetze, sagte eine Sprecherin.

Auch Mieter und nicht nur Besitzer einer Wohnung oder eines Hauses können nach ihren Worten der Veröffentlichung der Aufnahmen durch Google Street View widersprechen. „Es gibt die Möglichkeit, dass sowohl der Mieter als auch der Eigentümer Einspruch einlegen kann“, sagte die Sprecherin. Viele Bürger hätten dies bereits getan. Das Verbraucherschutzministerium hat dafür Muster-Formulare auf seiner Homepage (http://www.bmelv.de) veröffentlicht. Google habe zugesagt, dass Street View erst gestartet werde, wenn alle Einsprüche bearbeitet seien.

Große Werbekampagne

Um Ansehen für seinen neuen Dienst zu verbessern, hat Google eine große Anzeigenkampagne für Street View gestartet. Im neuen „Stern“ wirbt der US-Konzern auf einer Doppelseite um das Vertrauen der Bundesbürger. Ein von Google beauftragter Sprecher kündigte auf Nachfrage der Nachrichtenagentur DAPD am Mittwoch an, die Kampagne werde auf „regionale und überregionale Zeitungen sowie Wochenmagazine“ ausgedehnt und auch im Internet geführt.

Werbung in klassischen gedruckten Medien ist für den Internetkonzern Google ungewöhnlich. „Das Produkt ist eben erklärungsbedürftig“, sagte der Sprecher. Wie viel Google für die Anzeigen ausgibt, blieb offen. (ddp/rtr/apn/afp))