Ruhrgebiet. .
Im November will Google mit dem Internetatlas „Street View“ starten, neun Städte aus NRW sind dabei. Diese müssen die Aufnahmen im Netz dulden. Gefragt sind nun die Bürger, die durchaus mal einen Blick nach Belgien oder England werfen sollten.
Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Köln, Bielefeld, Bonn und Wuppertal – das sind die neun nordrhein-westfälischen Städte, mit deren Daten und Bildern der Suchmaschinenanbieter Google seinen Internet-Straßenatlas „Street View“ starten will. Im November soll es voraussichtlich soweit sein.
Bundesweit gehen Datenschützer wegen des Vorhabens seit Monaten auf die Barrikaden. Denn neben den öffentlichen Plätzen sind auf den Aufnahmen unter anderem auch Privathäuser und Autos zu erkennen. Viele Stadtverwaltungen, wie die in Essen, stehen dem Projekt äußerst skeptisch gegenüber. Dennoch seien der Stadt die Hände gebunden, sagt Sprecher Detlef Feige: „Aus rechtlicher Sicht können wir nichts machen. Die Bürger müssen selbst Widerspruch einlegen.“
Wirklich bewusst scheint es vielen Menschen aber noch gar nicht zu sein, dass ihr eigenes Haus oder gar sie selbst bei „Street View“ zu sehen sind – und das weltweit. Bei der Stadt Dortmund jedenfalls war „Google Street View“ bislang kein großes Thema. „Drei oder vier besorgte Bürger haben sich bei unserem Datenschutzbeauftragten gemeldet - aber das war’s auch schon“, erklärt Stadtsprecher Hans-Joachim Skupsch. Mit dem Rat, sich das Widerspruchsformular auf der Internetseite des Verbraucherschutzministeriums herunterzuladen, seien sie indes schon zufrieden gewesen.
Widerspruchsfrist dauert vier Wochen
Doch es nur herunterzuladen und irgendwann später auszufüllen, verspricht keinen Erfolg. Wie Google am Montag mitteilte, soll Anfang der nächsten Woche das angekündigte Online-Angebot für Widersprüche starten und aller Voraussicht nach vier Wochen lang geöffnet sein. Für Bettina Gayk, Pressesprecherin des NRW-Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, eine viel zu kurze Frist: „Vor allem, weil sie auch noch in den Sommerferien beginnt.“
10 Tipps für Google
Die kurzfristige Bekanntgabe der Widerspruchsfrist lasse zudem „durchaus Zweifel aufkommen, ob Google an einer einfachen und bürgerfreundlichen Umsetzung der Widersprüche interessiert ist“, sagt der für Google Deutschland zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Er bemängelt zudem, dass Google es ablehne, eine Telefon-Hotline zur Beantwortung von Fragen der Bürger einzurichten.
Manfred Blasczyk, Sprecher der Stadt Düsseldorf, hofft daher vor allem auf die intensive Berichterstattung der Medien. Sie sollten die Menschen dafür sensibilisieren, dass jeder einzelne Bürger nun eben selbst aktiv werden müsse, wenn er bedenkliche Bilder gelöscht haben wolle. Doch wie viel ist später tatsächlich auf den Bildern bei „Google Street View“ zu sehen? Das firmeneigene Online-Angebot für Widersprüche hilft in dieser Frage zunächst nicht weiter, da Bürger dort nur unter Verwendung von Satellitenbildern den Standort ihres Hauses angeben und Google auffordern können, es unkenntlich zu machen.
Der Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen rät daher: „Ich empfehle jedem, sich auf den englischen oder belgischen Google-Seiten schon einmal die dort bereits eingestellte endgültige Version von ,Street View` anzuschauen. Dort kann sich jeder selbst ein Bild davon machen und dann entscheiden.“ Bereits seit einigen Wochen bietet die Stadtverwaltung Köln auf ihrer Internetseite Widerspruchsformulare an, außerdem liegen in allen Bürgerämtern der einzelnen Stadtbezirke vorformulierte Widerspruchslisten aus, in die sich Eigentümer und Mieter von Häusern und Wohnungen eintragen können. Diese Listen sollen anschließend von der Stadt gebündelt an Google weitergeleitet werden. Mehr als 250 Widersprüche sind in den Bürgerämtern bisher eingetragen worden, sagt Sprecherin Inge Schürmann.
Wie die Städte helfen wollen
Die Stadt Essen will als Hilfe in den nächsten Wochen auf ihrer Internetseite ebenfalls ein Musterformular anbieten. Auch Duisburg prüft momentan, ob und wie die Stadt die Bürger mit Beratungsangeboten begleiten kann. Die Stadt Bochum sieht dagegen eher Google als die Verwaltung in der Pflicht, die Bürger ausreichend zu informieren. Zum jetzigen Zeitpunkt habe die Stadt keine Bürger-Versammlungen oder Informationen auf der städtischen Internetseite geplant, sagt Sprecher Thomas Sprenger.
Wer die Widerspruchsfrist versäumt, muss warten, bis „Google Street View“ die Daten am Ende des Jahres tatsächlich freigeschaltet hat. Dann bestehe die Möglichkeit, ein Bild nachträglich unkenntlich machen zu lassen, verspricht Google. Bereits eingegangene Widersprüche oder Widersprüche per Brief wolle man dort bearbeiten, ohne dass der Bürger das Online-Angebot in der Widerspruchsfrist nutzen müsse. Und wer schon einmal ganz auf Nummer sicher gehen und Bildern für eine Stadt widersprechen will, die nicht zu den ersten 20 gehört: Ein kurzer Brief an Google macht’s möglich.
Google zielt auf Werbung
Doch auch Google selbst hat momentan anscheinend Gesprächsbedarf. Anfang der Woche hat sich das Unternehmen per E-Mail mit der Stadt Essen in Verbindung gesetzt. „Wir haben noch nicht geantwortet“, sagt Stadtsprecher Feige. „Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass sie sich von uns vielleicht werbliche Unterstützung erhoffen. In diesem Fall würden wir eine Absage erteilen.“ Denn natürlich möchte Google mit seinem neuen Internet-Straßenatlas Geld verdienen. Hotels, Restaurants, Firmen und Gemeinden sollen beispielsweise Fotos ihrer Häuser, Ladenlokale und Rathäuser mit ihren Internetseiten verknüpfen und in „Street View“ Werbung schalten.
Gegen das Zeigen des Rathauses wird man in Essen allerdings keinen Widerspruch einlegen, in Duisburg ebenfalls nicht. „Im Gegenteil“, sagt Stadtsprecher Peter Hilbrands, „es sei ja sogar eher ein Service, wenn ein Suchender im Internet sehen kann, „wie schön das Rathaus ist“.
Die Seite „Google Street View“