Genf. Der Start des Probebetriebs im weltgrößtem Teilchenbeschleuniger LHC könnte als Beginn einer neuen Ära in die Wissenschaftsgeschichte eingehen.
Der Start des Probebetriebs im weltgrößtem Teilchenbeschleuniger LHC am Mittwoch könnte als Beginn einer neuen Ära in die Wissenschaftsgeschichte eingehen. Mit den Experimenten in der riesigen unterirdischen Anlage bei Genf wollen Physiker nicht weniger als die Geheimnisse um die Entstehung des Universums beim Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren und den Aufbau der Materie entschlüsseln. Dabei stoßen sie in absolutes Neuland vor. Ihre wichtigsten Vorhaben sind:
Die Jagd nach dem HIGGS-BOSON: Das nach dem britischen Physiker Peter Higgs benannte Teilchen soll anderen Teilchen ihre Masse verleihen, existiert aber bisher nur in der Theorie. Sollte im Large Hadron Collider der experimentelle Nachweis dieses so genannten «Gottes-Teilchens» gelingen, wäre damit ein große Lücke im Standardmodell der Elementarteilchenphysik geschlossen.
Die ERFORSCHUNG DER SUPERMATERIE: Der Begriff basiert auf der Vorstellung, dass es zu allen aus dem Standardmodell bekannten Teilchen schwerere Zwillingsteilchen gibt. Die Supersymmetrie könnte eine der überraschendsten Entdeckungen der vergangenen Jahre erklären - dass nämlich die sichtbare Materie nur rund vier Prozent des Universums ausmacht, während 96 Prozent auf bislang rätselhafte «dunkle Materie» und «dunkle Energie» entfallen. Einer Theorie zufolge könnte «dunkle Materie» aus supersymmetrischen Teilchen bestehen, so genannten Neutralinos.
Das RÄTSEL UM MATERIE UND ANTIMATERIE: Bei der Umwandlung von Energie in Materie entsteht ein Teilchen und ein weiteres mit entgegengesetzter elektrischer Ladung. Wenn Teilchen und Gegenteilchen zusammenstoßen, vernichten sie sich gegenseitig in einem Energieblitz. Der gängigen Theorie zufolge müsste es bei der Geburt des Universums gleich viel Materie und Antimaterie gegeben haben. Das wirft aber die Frage auf, warum die unseren Kosmos bildende Materie übrig geblieben ist.
Die ZEITREISE ZUM URKNALL: Im frühesten Stadium existierte Materie als eine Art heiße, dichte Suppe, die als Quark-Gluon-Plasma bezeichnet wird. Bei der anschließenden Abkühlung verbanden sich subatomare Teilchen, Quarks genannt, zu Protonen und Neutronen. Im LHC wollen die Forscher nun schwere Ionen zusammenprallen lassen. Dabei entstehen kurzzeitig Temperaturen, die 100.000 Mal heißer sind als das Zentrum der Sonne. Die Quarks werden dadurch wieder freigesetzt - die Wissenschaftler können beobachten, wie sie erneut gewöhnliche Materie bilden. (AFP)