Berlin. Opel scheint vorerst gerettet, nun richten sich die Blicke auf die angeschlagene Karstadt-Mutter Arcandor. Während Roland Koch (CDU) jede Festlegung vermeidet, warnt Wirtschaftsminister zu Guttenberg (CSU) vor voreiligen Versprechungen. Und SPD-Chef Franz Müntefering will unbedingt helfen.

Nach der Einigung über das Rettungspaket für den angeschlagenen Autobauer Opel rückt der von der Insolvenz bedrohte Handels- und Touristikkonzern Arcandor verstärkt ins Blickfeld. Entgegen den bisherigen Ablehnungen in der Union schließt Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) Staatshilfen für die Essener Karstadt-Mutter grundsätzlich nicht aus. Arcandor benötigt eine Staatsbürgschaft über 650 Millionen Euro und einen Kredit von 200 Millionen Euro. Führende SPD-Politiker machen sich derweil dafür stark, nach Opel jetzt auch Arcandor unter die Arme zu greifen.

Guttenberg warnt vor Festlegungen

Koch sagte, Arcandors Bitte um staatliche Unterstützung müsse wie jeder andere Fall pragmatisch geprüft werden. Dabei sei es nicht entscheidend, wie viele Mitarbeiter ein Unternehmen habe. «Der Maßstab ist nicht, wie viele Arbeitsplätze gerettet werden. Der Maßstab ist, ob das Unternehmen eine Zukunftschance hat - bei einem Unternehmen mit 5 und bei einem Unternehmen mit 50 000 Mitarbeitern», sagte Koch. Außerdem müsse geprüft werden, ob Staatshilfe tatsächlich nötig sei oder ob ein Unternehmen auf das Vermögen seiner Besitzer zurückgreifen könne, ehe es den Steuerzahler zu Hilfe rufe. Das sei bei Arcandor die große Frage.

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) warnt den Koalitionspartner SPD unterdessen vor einer Festlegung auf Staatshilfen für den Konzern. «Das Schlimmste, was man dabei machen kann, ist, durch vorauseilende Versprechungen und durch das Ausschließen von Optionen die eigene Position zu schwächen», sagte Guttenberg. Das habe die SPD bei Opel in unverantwortlicher Weise getan. Jede Vorfestlegung schmälere nur die Verhandlungsgrundlage betroffener Unternehmen.

Müntefering will helfen

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hatte sich eindeutig für staatliche Hilfe zur Rettung von Arcandor ausgesprochen. »Wir müssen da helfen. Die Bürgschaft, um die es da geht, scheint mir notwendig und zukunftsträchtig. Es geht bei Arcandor um viele tausend Arbeitsplätze im wichtigen Dienstleistungssektor - überwiegend von Frauen«, sagte Müntefering.

Entschiedener Widerstand gegen solche Hilfen kommt vom Unions-Wirtschaftsflügel. Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung in der Unions-Fraktion (MIT), Michael Fuchs, warf der Arcandor-Spitze grobes Missmanagement vor, das das Unternehmen seit Jahren immer wieder in die Nähe der Pleite gebracht habe. Es wäre daher unverantwortlich gegenüber den Steuerzahlern, Staatsgelder zur Rettung des Warenhauskonzerns auszugeben. Vielmehr stünden das Bankhaus Sal. Oppenheimer und die Familie Schickedanz als Eigentümer in der Pflicht, «die nicht zu den Ärmsten der Welt gehören».

Privatwirtschaftliche Lösung?

Der Chef der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, forderte ebenfalls eine privatwirtschaftliche Lösung für Arcandor. «Der Konzern verfügt über sehr vermögende Großaktionäre und sehr werthaltige Aktiva. Die Eigentümer können Arcandor also selbst helfen«, sagte er.

SPD-Forderungen nach Staatshilfen für Arcandor bezeichnete der Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels als «Ausdruck einer einseitigen Konzernhörigkeit». Die Schwierigkeiten von Arcandor seien nicht Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Michelbach, der auch MIT-Vizechef ist, warnte zugleich vor Wettbewerbsverzerrungen im Einzelhandel. «Eine Bürgschaft von 650 Millionen Euro würde Arcandor einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dieser ginge vor allem zu Lasten des mittelständischen Einzelhandels und seiner Beschäftigten», kritisierte er.

Zu Arcandor gehören die Geschäftsfelder Einzelhandel (Karstadt), Tourismus (Thomas Cook) und Versandhandel (Primondo mit Quelle, Hess Natur). Für den Konzern arbeiten etwa 86 000 Menschen, davon 53 000 in Deutschland. (ddp)