Die große Koalition im Bund muss auslaufen. Dies sagt Volker Kauder (59), CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag, in unserem Interview.
Herr Kauder, haben Sie schon Ihren Sommerurlaub geplant?
Kauder: Ich bin bekannt dafür, dass ich im Sommer meistens keinen Urlaub mache, sondern eine Tour durch meinen Wahlkreis.
Rennt Ihr Parteifreund Laurenz Meyer offene Türen ein, wenn er für das Parlament einen Urlaubsstopp fordert?
Dieser Hinweis war nicht nötig. Die sitzungsfreie Zeit ist kein Urlaub. Und gerade in der jetzigen Krise müssen Regierung und Parlament auch in der Sommerpause jederzeit arbeits- und handlungsfähig sein.
Dafür fährt der Protestant Kauder jetzt nach Rom, zur Papstaudienz...
...darauf freue ich mich. Ich kenne Papst Benedikt seit langem.
...um gerade zu biegen, was Angela Merkel mit ihrer Papstkritik ausgelöst hat?
Das ist geklärt. Wir reden über andere Fragen, über die Ökumene zum Beispiel, oder über Fragen des Lebensschutzes. Obwohl ich Protestant bin, fühle ich mich der katholischen Kirche in diesen Fragen sehr nahe.
Um Leben und Tod geht es bei Patientenverfügungen. Soll man sie gesetzlich regeln?
Wollen Rechtssicherheit
Das ist eine sehr schwierige Frage. Die Zahl derjenigen, die gar keine gesetzliche Regelung wünschen, wächst.
Warum?
Da wird von einem Menschen eine Antwort erwartet, die er nicht ohne weiteres geben kann. In dem Augenblick, in dem jemand schwer erkrankt, orientiert sich jeder Mensch neu. Man kann eine Patientenverfügung nicht wie einen notariellen Kaufvertrag abschließen.
Die Ärzte wollen aber Rechtssicherheit. Das müsste Ihnen vertraut sein, Ihre Frau ist Medizinerin.
Und ihre Erfahrungen sind mir wichtig. Viele Ärzte fühlen sich allein gelassen, das weiß ich. Auf der anderen Seite gibt es Dinge im Leben, die sich nicht durch Gesetze zu aller Zufriedenheit regeln lassen. Da findet man eine alte Verfügung vor, in der jemand schreibt, `ich will nicht an Schläuchen hängen". Aber womöglich hat sich der medizinische Fortschritt weiter entwickelt. Wer vorher todgeweiht war, gilt nun als heilbar. Wenn schon ein Gesetz kommt, bin ich für den Entwurf meines Freundes Wolfgang Bosbach, weil der sicherstellt, dass die Verfügung aktuell ist und der Rat eines Arztes eingeholt wird.
Haben viel erreicht
Reden wir über das Überleben der großen Koalition. Ist sie so schlecht, dass Sie die SPD durch Guido Westerwelle austauschen wollen?
Wir haben viel erreicht, den Haushalt saniert, die Sozialbeiträge gesenkt.
Dann machen Sie doch weiter!
Eine Große Koalition ist immer nur ein Bündnis auf Zeit, das beide Teile im September beenden wollen. Bis dahin müssen wir aufgrund der Krise möglichst lange gemeinsam entscheidungsfähig bleiben. Leider ist es mit der SPD schwerer geworden, es wird ungemütlich.
Was man so alles sagt im Wahlkampf...
Ein Beispiel: Die SPD tritt für staatliche Beteiligungen ein und ist eher bereit, finanzielle Risiken einzugehen.
Risiko begrenzen
Das machen Sie auch!
Wir versuchen, das Risiko für den Steuerzahler möglichst weit zu begrenzen. Wenn ich Steinmeier beim Thema Opel oder Arcandor so höre, dann habe ich manchmal den Eindruck, das Geld des Steuerzahlers ist wie Spielgeld für ihn. Auch wir wollen Arbeitsplätze retten, aber nur solche, die auch eine Zukunft haben. Da entwickeln sich Union und SPD auseinander. In den Fragen von Staat und Markt sind wir mit der FDP näher beieinander.
Mit der wollen Sie Steuern senken, nachdem der Bund gerade Rekordschulden macht. Heute für eine Schuldenbremse und morgen für Steuerverzicht?
Das ist kein Widerspruch, sondern es gehört sogar zusammen. Wir müssen jetzt aufgrund der Krise die Neuverschuldung erhöhen, wollen aber, wenn wieder Wachstum ist, möglichst schnell wieder zu einer nachhaltigen Finanzpolitik zurückkehren, das heißt, ohne neue Schulden auskommen. Deshalb ist die Schuldenbremse gerade jetzt so wichtig. Steuerliche Entlastung heißt für uns: Anreize geben und damit das Wachstum weiter ankurbeln. Auch in der Vergangenheit sind Steuern gesenkt worden, obwohl der Staat Schulden hatte. Sonst hätte man ja nie Spielräume für eine Steuersenkung gehabt.
Sie haben doch keine Spielräume!
Das behauptet die SPD. Dabei haben wir gerade gemeinsam beschlossen, dass die Bürger ihre Krankenkassenbeiträge steuerlich absetzen können. Da geht es um 9,3 Milliarden Euro. Warum? Weil das Karlsruher Verfassungsgericht es uns auferlegt hat. Soll ich den Richtern schreiben, tut mir leid, wir setzen das Urteil jetzt nicht um, wir haben keine Spielräume? Ich bitte um mehr Realitätssinn.
Schuldenbremse wichtig
Schulden tilgen, wäre auch eine Tugend, oder?
Ja, und deswegen haben wir die Schuldenbremse beschlossen. Ein Teil des neuen Wachstums soll zur Verringerung des Defizits benutzt werden, ein Teil geht in neue Investitionen und ein Teil in Steuersenkungen. Ohne die Finanzkrise hätten wir 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt und wir wollen nach der Finanzkrise an diese Politik auch wieder anknüpfen.
Wünschen Sie sich da Friedrich Merz zurück?
Friedrich Merz ist ein äußerst qualifizierter Kollege. Aber er hat sich entschieden, nicht in der Politik zu bleiben. Trotzdem kann er einen guten EU-Kommissar abgeben.
Wären Sie dafür?
Über die Besetzung des deutschen EU-Kommissars entscheiden wir nach der Bundestagswahl.