Berlin. Horst Köhler bleibt Bundespräsident. Die 1223 Mitglieder der Bundesversammlung in Berlin stimmten mehrheitlich für eine weitere Amtszeit für Köhler. Insgesamt bekam der Amtsinhaber 613 Stimmen - exakt die notwendige Mehrheit.
Bundespräsident Horst Köhler bleibt fünf weitere Jahre im Amt. Der 66-Jährige konnte sich am Samstag auf der Bundesversammlung in Berlin bereits im ersten Wahlgang gegen seine Herausforderer durchsetzen. Für Köhler stimmten 613 Wahlmänner, die notwendige Mehrheit von 613 Ja-Stimmen wurde somit genau erreicht. Köhler nahm die Wahl an.
Gegen Köhler waren für die SPD die frühere Universitätsprofessorin Gesine Schwan sowie für die Linkspartei der Schauspieler Peter Sodann angetreten. Sie erhielten 503 beziehungsweise 91 Stimmen. Auch die rechtsextreme NPD hatte mit Frank Rennicke einen eigenen Kandidaten aufgestellt, der auf vier Stimmen kam. Die Bundesversammlung besteht laut Grundgesetz aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder entsandt werden.
Köhler wirbt für Zuversicht nach Wiederwahl
Nach seiner Wiederwahl hat sich Bundespräsident Horst Köhler zuversichtlich gezeigt, dass Deutschland die Wirtschaftskrise überwinden kann. «Dieses Land ist stark», sagte Köhler am Samstag vor der Bundesversammlung in Berlin. «Wir wollen uns dieser Stärke bewusst sein und sie für die Kraft unserer Gemeinschaft nutzen.» Deutschland befinde sich mitten in einer Krise, die die ganze Welt erfasst habe. «Wir haben viel Arbeit vor uns, aber wir werden es schaffen», sagte der Bundespräsident.
Köhler appellierte zudem an die Deutschen, sich für eine gerechtere Welt zu engagieren. «Helfen wir auch mit, Antworten auf die globale soziale Frage zu finden», sagte er. Arbeit, Bildung und Integration seien die Felder, auf denen Deutschland vorankommen müsse. «Bewahren, was wertvoll ist, verändern, was notwendig ist, dabei möchte ich helfen», sagte das Staatsoberhaupt.
Der Bundespräsident freut sich nach eigenen Worten auf seine zweite Amtszeit. «Je älter ich werde, desto neugieriger werde ich», sagte der 66-Jährige. Er bekundete seinen demokratischen Mitbewerbern Respekt und bedankte sich bei seiner Frau Eva Köhler. «Jede Stunde ist ein Geschenk mit dir», sagte er.
Merkel: Köhler ist der richtige Präsident für Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Freude über die Wiederwahl von Horst Köhler zum Bundespräsidenten zum Ausdruck gebracht. «Wir halten ihn für den Präsidenten, den Deutschland in dieser Situation braucht», sagte Merkel unmittelbar nach der Wahl am Samstag im Reichstag in Berlin. Derzeit sei eine schwierige wirtschaftliche Zeit. Köhler sei «gerade für diese Krisenzeit der richtige Präsident», hob Merkel hervor. Er habe «großes Grundvertrauen bei den Deutschen» und setze neue Themen. Er sei «Anstoß, sich nicht zu sehr im Klein-Klein zu verlieren». Ihm falle es auch «überhaupt nicht schwer, überparteilich zu sein».
Auch CSU-Chef Horst Seehofer hob hervor, dass Köhler das Vertrauen des Volkes genieße. Köhlers erste Amtszeit sei von dem Bemühen geprägt gewesen, «Brücken in unserer Gesellschaft zu bauen». Der bayerische Ministerpräsident wertete die Wiederwahl Köhlers mit Unterstützung der FDP zudem als «klares Signal für das, was wir vorhaben, nämlich Schwarz-Gelb». FDP-Chef Guido Westerwelle brachte seine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck, dass Köhler bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewählt wurde. Der Versuch von SPD, Grünen und Linken sei gescheitert, eine weitere Amtszeit Köhlers zu verhindern.
Müntefering: Schwan-Niederlage kein Signal für Bundestagswahl
Die Niederlage der SPD-Kandidatin Gesine Schwan bei der Bundespräsidentenwahl hat nach Ansicht von SPD-Chef Franz Müntefering keine Signalwirkung für den Bundestagswahlkampf. «Das hat mit der Bundestagwahl nichts zu tun», sagte Müntefering am Samstag nach dem ersten und entscheidenden Wahlgang in der Bundesversammlung in Berlin. Die SPD sei stolz auf ihre Kandidatin, der sie hohen Respekt und ein Dankeschön schulde. Müntefering gratulierte Amtsinhaber Horst Köhler, der 110 Stimmen mehr als Schwan erhielt.
Der SPD-Chef verwies darauf, dass es für Köhlers Wiederwahl mit 613 Stimmen «gerade gereicht hat». Er bedauerte, dass es nicht zu einem zweiten Wahlgang kam, bei dem womöglich die Linke für Schwan gestimmt hätte. Allerdings habe es im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl keinerlei Verhandlungen mit den Linken gegeben, betonte Müntefering. Er sei «zuversichtlich, dass die SPD-Mitglieder in der Bundesversammlung alle zu Schwan gestanden haben», sagte er auf die Frage nach möglichen Abweichlern im eigenen Lager.
Nur 1223 Mitglieder der Bundesversammlung anwesend
Zur Wahl des Bundespräsidenten waren von den 1.224 Mitgliedern der Bundesversammlung im Reichstagsgebäude nur 1.223 anwesend, da der Linken-Abgeordnete Wolfgang Gehrcke mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus lag. Da die Wahlmänner und -frauen einzeln zur Stimmabgabe aufgerufen werden, zog sich der Wahlgang über mehr als eineinhalb Stunden hin. Offenbar wegen mehrfacher Kontrolle des Ergebnisses dauerte es eine Viertelstunde länger als erwartet, bis Köhler wieder in den Plenarsaal kam und das Ergebnis verkündet wurde. Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach von «besonderer Sorgfalt», die wegen des knappen Ergebnisses hatte obwalten müssen.
Für einen Sieg waren genau die 613 Stimmen notwendig. CDU, CSU und FDP kamen auf 604 Delegierte. Die zehn Vertreter der Freien Wähler aus Bayern hatten sich vorher ebenfalls für den 66-jährigen Amtsinhaber ausgesprochen. SPD und Grüne hatten mit der Möglichkeit kalkuliert, dass Köhler in zwei Wahlgängen nicht die absolute Mehrheit erreicht. Im dritten hätte dann die Linke ihren Kandidaten zurückziehen können und ihre Delegierten ebenfalls für die Politikprofessorin stimmen müssen, damit sie eine Chance bekommen hätte.
In seiner Eröffnungsrede hatte Lammert das Grundgesetz, dessen Inkrafttreten sich am Samstag zum 60. Mal jährt, als eine der «großen exemplarischen Verfassungen der Welt» bezeichnet. Er lobte die Bürger in Westdeutschland, die das Grundgesetz mit Leben erfüllt hätten, und die DDR-Bürger, die mit der gewaltlosen Revolution das Leben in Einheit und Freiheit möglich gemacht hätten.
Wahlmänner der Freien Wähler hatten Autopanne
Die Wahl blieb bis zuletzt spannend: Zwei Wahlmänner der Freien Wähler aus Bayern trafen wegen einer Autopanne später als erwartet in Berlin ein. Sie hätten das Zünglein an der Waage sein können. Handball-Bundestrainer Heiner Brand, von der SPD aufgestellt, ließ bis zuletzt offen, wen er wählen wollte.
Als vierter Kandidat war der von DVU und NPD aufgestellte Liedermacher Frank Rennicke angetreten. Er erhielt vier Stimmen, was der Zahl der Delegierten der rechtsextremistischen Parteien entsprach. Sie hatten vor der Wahl erfolglos versucht, sich mit Geschäftsordnungsanträgen ein Forum vor den Delegierten zu verschaffen. (ddp/ap/afp)