Essen. Ein eigenständiger Palästinenserstaat ist für Israels Regierungschef Netanjahu nach wie vor kein Thema. Sein USA-Besuch geriet zu einer Demonstration der Härte. Wir haben Hael Al-Fahoum, Vertreter der Palästinenser in Deutschland, gefragt: Sind Sie enttäuscht?
Hael Al-Fahoum: Ich bin enttäuscht, aber nicht überrascht. Leider ist die israelische Regierung noch nicht reif für eine Einigung. Sie versuchen immer noch, von dem abzuweichen, worauf sich die Internationale Gemeinschaft längst festgelegt hat. Die Israelis sind blind, und das hat etwas mit der Arroganz der Macht zu tun. Sie verschließen ihre Augen vor der Realität. Das ist traurig – nicht nur für die Palästinenser, sondern auch für die Israelis selbst. Was sie tun, läuft auf gegenseitige Zerstörung hinaus.
Am selben Tag, als Obama und Netanjahu sprachen, beschleunigte Israel den Siedlungsausbau im Westjordanland. Ist der mächtigste Mann der Welt zu schwach, um die Siedler zu stoppen?
Al-Fahoum: Nein. Israel erhält uneingeschränkte Unterstützung von den Vereinigten Staaten. Also werden die Entscheidungen in Washington gefällt und nicht in Tel Aviv. Was mir zusätzlich Hoffnung macht: Es gibt jetzt eine starke Bewegung zur Beendigung des Konflikts, sowohl vonseiten der USA als auch vonseiten Europas, die sich jetzt auf einer Wellenlänge bewegen.
Netanjahu sagte in Washington, er sei bereit für Gespräche mit Ihnen. Sind Sie es auch?
Al-Fahoum: Netanjahu ist bereit, unsere Häuser zu zerstören, eine Mauer zu bauen und Siedlungsprojekte voranzutreiben. Wenn das so ist, sind wir natürlich nicht bereit für Gespräche. Das ist doch grotesk: Er kann uns doch nicht erst zerstören und uns dann fragen, ob wir uns mit ihm zusammensetzen wollen. Die Siedlungen, die Blockade, die Zerstörungen müssen aufhören, so ist es in Annapolis vereinbart worden, und so steht es im Friedensplan, der Road Map. Wenn Netanjahu wirklich zu Gesprächen bereit ist, dann muss er das stoppen.
Road Map
Die Schaffung eines eigenständigen Palästinenserstaates ist Kern des Friedensplanes, der "Road Map", die unter anderem auf der Konferenz von Annapolis 2007 noch einmal bestätigt wurde. Benjamin Netanjahu vermeidet jeodch seit seinem Amtsantritt ein Bekenntnis zu einem palästinensischen Staat. In Washington sagte er am Montag lediglich: "Ich denke, wir können uns ein Arrangement vorstellen, in dem Israelis und Palästinenser Seite an Seite leben."
Sie haben einmal gesagt, die Zwei-Staaten-Lösung sei nicht Ihr Baby, sondern das der ganzen internationalen Gemeinschaft. Gibt es irgendeine Alternative dazu?
Al-Fahoum: Nein, es ist die einzige strategische Option. Ich glaube auch nicht, dass die israelische Regierung sich dem nunmehr verstärkten Drängen der Internationalen Gemeinschaft lange widersetzen kann.
Sie vertreten die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO in Berlin. Wie beurteilen Sie die deutsche Rolle in diesem Konflikt?
Al-Fahoum: Die deutsche Politik ist diskret, aber gut. Sie tut viel für die wirtschaftliche Entwicklung und für den Aufbau eines zivilen Polizeiapparates.
Und die deutsche Öffentlichkeit?
Al-Fahoum: In den Medien gab es bislang nicht genug objektive Information über das Leiden der palästinensischen Bevölkerung. Aber das Verständnis für die Angelegenheiten der Palästinenser wächst. Deutschland ist da wie ein Elefant: Es ist schwierig, ihn in Bewegung zu versetzen, aber wenn er sich bewegt, bewegt er sich in die richtige Richtung.
Nächste Woche reist Ihr Präsident Abbas nach Washington. Was wird er tun?
Al-Fahoum: Abbas hat sich immer für eine Zwei-Staaten-Lösung eingesetzt, und er hat damit eine Menge riskiert. Denn für die Bevölkerung hat es ja keine Fortschritte gegeben, und das hat viele frustriert und radikalisiert. Abbas wird diese Vision aber weiter verfolgen, und das wird er dem amerikanischen Präsidenten ganz klar sagen.
Das Interview führte Achim Beer