Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute darüber, ob das Ladenöffnungsgesetz in Berlin mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es erlaubt bis zu zehn verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Das Urteil dürfte zu einer Grundsatzentscheidung werden, die weit über Berlin hinausgeht.
Zwei Tage nach dem ersten Advent entscheidet das Bundesverfassungsgericht am (heutigen) Dienstag über die Ladenöffnung an Sonntagen in Berlin. Für die beiden als Kläger in dem Verfahren aufgetretenen christlichen Kirchen ist es auf jeden Fall ein ungünstiger Termin. Denn gerade in der Vorweihnachtszeit sind ihnen verkaufsoffene Geschäfte am Sonntag ja ein Dorn im Auge, und so hätten sie das höchstrichterliche Urteil natürlich lieber rechtzeitig davor gehört.
Die Verfassungsbeschwerden der Kirchen richten sich gegen die großzügigen Ladenöffnungszeiten in Berlin, die den Verkauf gleich an zehn Sonntagen im Jahr erlauben - darunter eben allen vier Adventssonntagen. Damit geht die Hauptstadt weit über die gesetzlichen Regelungen in anderen Bundesländern hinaus, die eine Sonntagsöffnung meist nur vier Mal im Jahr und größtenteils auch nicht im Dezember erlauben. Von dem Karlsruher Richterspruch wird aber eine Grundsatzentscheidung zu diesem Thema erwartet, die weit über Berlin hinausgeht.
Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, und der katholische Berliner Erzbischof, Kardinal Georg Sterzinsky, hatten in der mündlichen Verhandlung am 23. Juni schweres Geschütz aufgefahren. Nicht weniger als den vom Grundgesetz garantierten Schutz der Arbeitsruhe und Erholung am Sonntag und sogar das Recht auf ungestörte Religionsausübung sahen sie tangiert. Ob sie in Karlsruhe Erfolg haben, gilt dennoch als zweifelhaft.
Klagebefugnis der Kirchen umstritten
So stellte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier schon in der Verhandlung infrage, ob die Kirchen in dieser Frage überhaupt klageberechtigt sind. Das werde der Erste Senat zu prüfen haben, kündigte Papier an, der am Dienstag das Urteil der Verfassungsrichter verkünden wird. Entscheidend dafür ist wohl die Antwort auf die Frage, inwieweit die Rechte der Kirchen als Religionsgemeinschaft vom Ladenschlussgesetz berührt sind.
Huber nannte die Ladenöffnung an so vielen Sonntagen einen Eingriff in den kirchlich geprägten Jahreslauf. Doch diesen Einwand konterte Richter Brun-Otto Bryde mit dem Hinweis, dass die Geschäfte ja ohnehin erst ab 13 Uhr öffnen dürfen. Da könnte man ja vorher in Ruhe den Gottesdienst besuchen. Huber wiederum verwies auf Gemeindefeste, Konzerte und andere kirchliche Aktivitäten auch am Nachmittag. Gerade die Vorweihnachtszeit werde immer mehr dem Kommerz preisgegeben, beklagte der inzwischen in den Ruhestand getretene evangelische Geistliche.
Zu dem Urteil wird sein Nachfolger im Amt des Berliner evangelischen Bischofs, Markus Dröge, nach Karlsruhe kommen. Die katholische Kirche wird dagegen wie in der Verhandlung von Kardinal Sterzinsky vertreten. Auch die für Verbraucherschutz zuständige Berliner Senatorin Katrin Lompscher wird wieder mit von der Partie sein. In der Verhandlung hatte sie natürlich die Ladenöffnungszeiten in der Hauptstadt verteidigt.
Linke Senatorin und Einzelhandel auf einer Linie
Damit zog die Politikerin der Linkspartei mit dem von Unternehmen geprägten Hauptverband des Deutschen Einzelhandelsverbands an einem Strang, der ebenfalls die großzügigen Verkaufszeiten erhalten will. Auf der Gegenseite stand dagegen die Dienstleistungsgewerkschaft verdi, die in dem Verfahren eher an der Seite der Kirchen agierte. Ihre stellvertretende Vorsitzende Margret Mönig-Raane hat sich ebenfalls zu der Urteilsverkündung angesagt.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Verfassungsrichter mit dem Ladenschluss befassen. In ihrer Entscheidung von 2004 hatten sie ausdrücklich die Rechte der einzelnen Bundesländer gestärkt und das damals noch bundeseinheitlich geltende Ladenschlussgesetz infrage gestellt. Wenn nunmehr ein Bundesland wie Berlin die Regeln etwas liberaler handhabt als andere, ist das schließlich Folge ihrer eigenen Rechtsprechung.
Und dass es in der Hauptstadt sehr wohl Unterschiede zu anderen Regionen in Deutschland gibt, führte in der Verhandlung vom Sommer auch die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses als Argument ins Feld: Schließlich seien die Besucherströme aus dem In- und Ausland nach Berlin europaweit nur mit denen nach Paris und London zu vergleichen, sagte die SPD-Politikerin Karin Seidel-Kalmutzki. (ap)