Karlsruhe. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verkaufsoffenen Advents-Sonntagen stößt bei NRW-Mnisterpräsident Jürgen Rüttgers auf Zustimmung. Damit werde der "Schutz der Sonntagsruhe" gestärkt. Das Wirtschaftsministerium kündigte an, die für NRW geltende Regelung zu überprüfen.
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Ladenöffnungszeiten an Adventssonntagen begrüßt. «Damit wird das Grundbedürfnis der Menschen nach Ruhe und Besinnung am Sonntag bestätigt und geschützt», sagte Rüttgers am Dienstag in Düsseldorf.
«Das Gericht hat einen wichtigen Grundsatz unseres gesellschaftlichen Zusammenhaltes anerkannt: Nicht alle Bereiche unseres Lebens dürfen unter rein geschäftlichen Gesichtspunkten gesehen werden», sagte Rüttgers weiter. Mit dem Urteil werde auch die Position der Landesregierung, «die den Schutz der Sonntagsruhe gesetzlich verankert hat, höchstrichterlich bestätigt».
Ob das in NRW geltende Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten infolge des Karlsruher Urteils überarbeitet werden muss, steht noch nicht fest. Das Wirtschaftsministerium gab bekannt, man werde das Gesetz "vor dem Hintergrund der schriftlichen Urteilsbegründung überprüfen und gegebenenfalls eine Konkretisierung beziehungsweise Anpassung in die Wege leiten." In NRW dürfen Geschäfte wie in den meisten anderen Bundesländern an höchstens vier Sonn- beziehungsweise Feiertagen geöffnet haben. Maximal einer davon darf in der Adventszeit liegen.
Urteil greift erst im kommenden Jahr
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag vor allem die Verkaufsöffnung an allen vier Advents-Sonntagen für grundgesetzwidrig erklärt. Damit hatte eine Klage der evangelischen und der katholischen Kirche in Karlsruhe zu wesentlichen Teilen Erfolg. Das Urteil greift aber erst im kommenden Jahr, so dass die Geschäfte an den drei jetzt bevorstehenden Advents-Sonntagen noch einmal ausnahmsweise offenhalten dürfen.
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Der Erste Senat unter Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier begründete seine Entscheidung vor allem mit dem vom Grundgesetz garantierten Schutz der Sonntagsruhe, aber auch dem Grundrecht auf Religionsfreiheit. Die acht beteiligten Verfassungsrichter kamen laut Papier mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass die Berliner Ladenschlusszeiten keinen hinreichenden Schutz der Sonntage und der kirchlichen Feiertage gewährleisten. Bloße wirtschaftliche Umsatzinteressen der Geschäfte und alltägliche Erwerbsinteressen der potenziellen Käufer genügten grundsätzlich nicht, eine Verkaufsöffnung an diesen Tagen ausnahmsweise zu rechtfertigen.
Das Berliner Ladenschlussgesetz geht deutlich über die Regelungen in anderen Bundesländern hinaus und lässt verkaufsoffene Sonntage bis zu zehnmal im Jahr zu, darunter an allen vier Adventswochenenden. In seinem Urteil stößt sich das Bundesverfassungsgericht aber nicht an der vergleichsweise hohen Zahl verkaufsoffener Sonntage.
Einzelne Advents-Sonntage mit Begründung zulässig
Dass die Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen ohne irgendwelche Voraussetzungen für jeweils sieben Stunden gestattet wird, erklärte es jedoch für einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Diese Vorschrift halte der Anforderung, dass die Sonntagsruhe die Regel ist, nicht stand. Denn schließlich werde mit den vier Adventssonntagen hintereinander ein geschlossener Zeitblock von etwa einem Zwölftel des Jahres vollständig vom Grundsatz der Arbeitsruhe ausgenommen. Zulässig wäre es dem Urteil zufolge aber, die Ladenöffnung an einzelnen Adventssonntagen zu gestatten, wenn mit Blick auf die Besonderheiten der Vorweihnachtszeit dafür Sachgründe angeführt werden.
Auch für die laut Berliner Ladenschlussgesetz mögliche Öffnung an vier weiteren Sonntagen des Jahres «im öffentlichen Interesse» machten die Karlsruher Richter Auflagen. Sie ist nach der Entscheidung zwar grundsätzlich zulässig, muss aber zeitlich ebenfalls auf die Zeit zwischen 13 und 20 Uhr beschränkt und zudem auch jeweils als Ausnahme begründet werden. Die weiteren beiden Verkaufssonntage aus Anlass besonderer Ereignisse ließen die Richter unbeanstandet.
Berliner Senat will mit allen Beteiligten sprechen
Nach der Urteilsverkündung kündigte die Berliner Verbrauchersenatorin Katrin Lompscher eine Überarbeitung des Gesetzes an. Dabei werde es einen Dialog mit Wirtschaft, Kirchen und Gewerkschaften geben, sagte die Politikerin der Linkspartei. Die Kirchen sprachen von einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde. Der Berliner katholische Erzbischof, Kardinal Georg Sterzinsky, sagte, gewonnen habe mit dem gestärkten Schutz der Sonntagsruhe aber auch die Gesellschaft. Der evangelische Bischof Markus Dröge hob hervor, damit werde etwas für die Menschen und die Familien getan.
Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, begrüßte, dass das Gericht die Rechte der Beschäftigten eindeutig gestärkt habe. Der Hauptgeschäftsführer des Berliner Handelsverbands, Nils Busch-Petersen, sagte, die Geschäftsleute nähmen das Urteil «zur Kenntnis». Es seien aber weiterhin zehn verkaufsoffene Sonntage möglich. Er zeigte sich erleichtert, dass mit der Übergangsregelung für die Adventssonntage des laufenden Jahres Rücksicht auf die Dispositionen der Ladeninhaber genommen worden sei. (ap)