Berlin. In NRW ebenso wie im Rest des Landes wollen Studenten und Schüler ab Dienstag für bessere Lernbedingungen protestieren. Die Streikenden wenden sich gegen die Bologna-Reform und fordern mehr Geld für das Bildungssystem. Derweil geht die politische Diskussion um die Bildung weiter.

Nach dem großen Bildungsstreik im Sommer wollen Studenten und Schüler erneut für bessere Lernbedingungen auf die Straße gehen. Als Auftakt für die mehrwöchigen Aktionen sind am Dienstag Demonstrationen und Proteste in mindestens 40 Städten geplant, wie die Organisatoren am Montag in Berlin mitteilten. Eine zentrale Demonstration ist für 11 Uhr in Berlin angesetzt. Weitere Demonstrationen soll es den Initiatoren zufolge unter anderem in Heidelberg, Bayreuth, Nürnberg, Münster, Aachen, Köln, Bonn und Essen geben.

Gegen Studiengebühren und für bessere Finanzierung

Im Zentrum der Proteste steht der Unmut über das neu eingeführte System von Bachelor- und Masterstudiengängen. Die Studenten klagen über eine zu starke Verschulung und eine zu große Stofffülle und fordern Korrekturen. Die Initiatoren - ein Zusammenschluss verschiedener Schüler- und Studentengruppen - verlangen außerdem mehr Geld für das Bildungssystem, eine Abschaffung der Studiengebühren, kleinere Klassen und mehr Mitsprache an Schulen und Hochschulen. Bereits vor mehreren Tagen hatten Studenten an zahlreichen Hochschulen in Deutschland damit begonnen, Hörsäle zu besetzen.

Im Vorfeld des Protesttages ist auch die Diskussion um Mängel im deutschen Bildungssystem wieder aufgeflammt. Der Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, bezeichnete die deutsche Bildungspolitik als rückständig und forderte mehr bundesweite Bildungsstandards. Der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mahnte deutlich mehr Investitionen im Bildungsbereich an.

Kritik an Föderalismus und Studenten

Straubhaar sagte am Montag zu «Handelsblatt Online», in Deutschland werde seit Jahren die Vergangenheit verwaltet, statt die Zukunft zu gestalten. Als Bremsschuh für eine moderne Bildungspolitik sieht er den Föderalismus. Hier müsse der Bund viel stärker aktiv werden und in Form einer Rahmengesetzgebung das Zentralabitur oder andere bundesweit verbindliche Bildungsstandards vorgeben. Zugleich kritisierte Straubhaar das Vorgehen der Studenten beim Bildungsstreik scharf. Die gegenwärtige Kampagne sei «inhaltsleer, banal und rückwärtsgewandt, sagte der Hamburger Professor. «Der Protest müsste viel konstruktiver sein.»

Gabriel hingegen hält die Forderung der Studenten nach mehr Bildungsinvestitionen für berechtigt. «Wir sind mit 25 Milliarden Euro jährlich unterfinanziert, um auf den Durchschnitt der anderen Industrienationen zu kommen», sagte er im Deutschlandfunk. Mit Blick auf die Studentenproteste forderte er, nicht länger über die Frage zu diskutieren, wer für die Probleme im Bildungssektor zuständig sei, sondern zu handeln.

Verdi unterstützt den Streik

Wer am Bildungssystem spare, laste der Gesellschaft hohe Folgekosten auf, kritisierte auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Angesichts der «unzumutbaren Situation» von Schülern und Studenten und der strukturellen Defizite im deutschen Bildungssystem unterstütze Verdi den bundesweiten Bildungsstreik, erklärte Bundesvorstandsmitglied Petra Gerstenkorn.

Der Wissenschaftsrat äußerte erneut Verständnis für einige inhaltliche Forderungen der Studenten. Der Vorsitzende des Rates, Peter Strohschneider, verwies unter anderem auf Finanzierungsprobleme der Hochschulen. So entstehe durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ein erhöhter Betreuungsbedarf, der jedoch nicht finanziert werde. «Und das, obwohl das deutsche Hochschulsystem sei mehr als 30 Jahren ohnehin strukturell unterfinanziert ist», sagte er in Berlin.

Kultusministerkonferenz verteidigt sich

Die Kultusministerkonferenz erklärte, die Einführung von Master und Bachelor im Rahmen des Bologna-Prozesses sei richtig gewesen. Allerdings dürfe nun nicht alter Wein in neue Schläuche gegossen werden, erklärte deren Präsident, Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Henry Tesch (CDU). Die Kultusminister hätten bei ihrer Konferenz im Oktober auf die Kritik an den Studiengängen reagiert. Demnach sollen etwa die Hochschulen darauf achten, dass Studiengänge nicht mit Stoff überfrachtet werden und der Prüfungsumfang angemessen ist. Auch sollen Studien- und Prüfungsleistungen gegenseitig besser anerkannt werden.

Zuletzt waren im Juni Zehntausende Schüler und Studenten auf die Straße gegangen, um bessere Lernbedingungen einzufordern. Sie kritisieren, seitdem habe sich in der Bildungspolitik trotz vieler Versprechen nichts getan. Die Aktionen sollen nun bis Dezember weiterlaufen. (afp/ddp)