Düsseldorf/Berlin. Aus Protest gegen die derzeitigen Studienbedingungen halten heute Studenten mehrerer nordrhein-westfälischer Universitäten Hörsäle besetzt. Betroffen sind die Universitäten Bielefeld und Duisburg-Essen sowie die Hochschule Niederrhein mit ihrem Standort in Mönchengladbach.

Aus Protest gegen die derzeitigen Studienbedingungen halten Studenten mehrerer nordrhein-westfälischer Universitäten Hörsäle besetzt. Betroffen sind nach Angaben des Landes-ASten-Treffens vom Donnerstag die Universitäten Bielefeld und Duisburg-Essen sowie die Hochschule Niederrhein mit ihrem Standort in Mönchengladbach. NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) kritisierte die Aktionen.

An der Hochschule Duisburg-Essen begann die Besetzung der beiden Audimax-Hörsäle bereits am Dienstagmittag nach einer Vollversammlung des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses (AStA). Etwa 200 bis 300 Studenten beteiligen sich an den jeweiligen Standorten an den Aktionen, wie eine Sprecherin der Pressestelle mitteilte.

"Kontraproduktive Forderung"

Rektor Ulrich Radtke diskutierte am Mittwoch mit den Studenten. Deren Forderung nach einer Abschaffung der Studiengebühren bezeichnete er als «kontraproduktiv». Dennoch bestehe in vielen Kritikpunkten Einigkeit zwischen Rektorat und protestierenden Studenten. Derzeit duldet die Uni-Leitung den Bildungsstreik noch, fordert von den Studenten aber, ihre Aktion bis zum Freitagabend,13. November, 18 Uhr zu beenden.

An der Universität Bielefeld war es am Mittwochnachmittag nach einer Diskussionsveranstaltung zu einer Besetzung des Audimax gekommen. Etwa 100 Studenten beteiligten sich an der Besetzung des Hörsaals, wie die Pressestelle der Hochschule mitteilte.

Nach Angaben der Uni hatte Rektor Gerhard Sagerer bereits am Mittwochabend die Protestierenden besucht und mit ihnen gesprochen. Er sagte eine Diskussion um die Verbesserung des Studienbetriebes zu, verlangte aber zugleich, die Besetzung zu beenden. Dennoch übernachteten etwa 60 Studenten in dem Hörsaal.

Hochschulleitung forderte Liste

Am Donnerstagmorgen besuchten Sagerer und weitere Vertreter der Hochschulleitung die Studenten und forderten eine Liste mit konkreten Forderungen. Weil diese nicht vorgelegt werden konnte, forderte der Rektor die Protestierenden auf, den Hörsaal zu räumen und einen reibungslosen Lehrbetrieb zu ermöglichen. Dieser Forderung kamen die Studenten nicht nach.

Wissenschaftsminister Pinkwart erklärte, die protestierenden Studenten würden offensichtlich nicht anerkennen, «dass der ständige Prozess, die Studienbedingungen und die Qualität der Lehre fortwährend zu verbessern, erhebliche Fortschritte gemacht hat». Das Thema «Bildung» müsse konstruktiv und «ohne ideologische Scheuklappen» diskutiert werden.

Der Minister verwies darauf, dass in NRW seit 2005 die Landeszuschüsse für die Grundfinanzierung der Hochschulen kontinuierlich gestiegen seien und derzeit bei über drei Milliarden Euro lägen. Hinzu kämen weitere Landes- und Bundesmittel. Inklusive der Einnahmen aus Studienbeiträgen hätten die öffentlichen Hochschulen damit in diesem Jahr über eine halbe Milliarde Euro mehr zur Verfügung gehabt als noch vor vier Jahren.

Unterstützung fanden die Studenten dagegen bei den Grünen im Landtag. Bei den Beratungen zum Haushalt 2010 wolle man die Abschaffung der Studiengebühren beantragen, sagte die Grünen-Hochschulexpertin Ruth Seidl. 2006 hatte die CDU/FDP-Landesregierung ein Gesetz beschlossen, wonach die staatlichen Universitäten und Fachhochschulen in NRW Studiengebühren erheben dürfen. 31 von 36 staatlichen Hochschulen erheben derzeit Beiträge von zumeist 500 Euro pro Semester.

Auch der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Schultheis, sprach sich für eine Abschaffung der Studiengebühren aus. Die Streiks und Besetzungen von Hörsälen zeigten, unter welchem Druck die Studierenden in NRW stünden. "Wieder einmal wird deutlich, dass sich die Studienbedingungen nicht bessern», sagte er. Viele junge Menschen könnten sich ein Studium nicht mehr leisten, weil sie Angst hätten, sich zu verschulden. Deshalb sei es nötig, die Studienfinanzierung zu verändern.

Deutschlandweite Proteste

Deutschlandweit haben Hunderte Studenten am Donnerstag Hörsäle und Seminarräume an Universitäten in ganz Deutschland besetzt. An der Universität in Tübingen wurde die Aktion durch die Polizei beendet, an anderen Hochschulen wurden die meist am Mittwoch begonnenen Proteste zunächst geduldet. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zeigte Verständnis, dass die Studenten Veränderungen an ihrer Universität sehen wollten. An einen Ausstieg aus dem Bologna-Prozess sei aber nicht zu denken. DGB-Chef Michael Sommer forderte mehr Geld für die Bildung.

Schavan forderte ihre Länderkollegen zugleich auf, beschlossene Reformen an den Hochschulen rasch umzusetzen, da die Studenten klare Signale bräuchten, dass es die verabredeten Korrekturen bei der neuen Studienstruktur gebe. «Bologna bedeutet mehr Chancen für Studierende«, bekräftigte Schavan. Aber manches, was in der ersten Phase nicht gut gelaufen sei, könne auch korrigiert werden.

Mehr Geld investieren

Sommer sagte, «wer mehr Qualität im Bildungswesen will, wird mehr Geld investieren müssen.» Um das Versprechen einer »Bildungsrepublik Deutschland«, wie im Koalitionsvertrag von Union und FDP angekündigt, einlösen zu können, müssten aber neue Prioritäten gesetzt werden.

Seit Mittwochabend besetzen etwa 400 Studenten das Audimax der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Auch an der Fachhochschule Coburg war der größte Hörsaal in der Hand von Studenten. In der Julius-Maximilians-Universität Würzburg besetzen seit Mittwochabend etwa 30 Studenten das Audimax.

In Göttingen verbrachten bis zu 100 Studenten die Nacht zum Donnerstag in Schlafsäcken in einem Seminargebäude der Universität. Sie hatten das Erdgeschoss des Gebäudes schon am späten Mittwochnachmittag für besetzt erklärt. In Hamburg halten rund 250 Studenten seit Mittwochnachmittag das Audimax der Universität besetzt.

An der Freien Universität (FU) sowie der Humboldt-Universität (HU) in Berlin setzten Studenten ihre Proteste von Mittwochabend ebenfalls fort. An der FU vereinbarten die rund 100 protestierenden Studenten mit der Universitätsleitung, bis Freitag keine Räumung des besetzten Hörsaals durchzuführen.

Die Proteste sollen am Dienstag, 17. November, in einem bundesweiten Bildungsstreik mit Demonstrationen und Ansprachen münden. (ap/ddp)