Berlin. Der Ton wird rauer in den Koalitionsverhandlungen: Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff forderte, die FDP müsse "vom Wünschbaren zum Machbaren" kommen. Die Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern diskutiert das Thema heute erneut, am Mittwoch dann in der großen Koalitionsrunde.

Im Streit um Steuererleichterungen hat der stellvertretende CDU-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff den Ton gegenüber dem künftigen Koalitionspartner noch einmal verschärft. Vor den erneuten Beratungen der Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern über ein Steuerkonzept sagte Wulff der «Bild» vom Montag, die FDP müsse «vom Wünschbaren zum Machbaren» kommen.

"Beim Geld hört die Freundschaft auf», sagte Wulff und appellierte an die FDP, von ihren Forderungen nach einer großen Steuerentlastung abzurücken. «Mit eigenem Geld kann man zocken, mit dem Geld der Bürger nicht.» Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart wies Wulffs Forderungen zurück. Schnelle Steuerentlastungen und eine Steuerstrukturreform seien wichtig für «mehr Wachstum, neue Arbeitsplätze und mittelfristig mehr Steuereinnahmen». Pinkwart warnte die Union vor einem unüberlegten Sparkurs. Es dürfe nicht an der falschen Stelle gegen die Krise angespart werden.

Wachstumspaket geplant

Unionsfraktionschef Volker Kauder wollte sich am Sonntagabend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt» zu den geplanten Steuererleichterungen nicht näher äußern. Er deutete aber an, dass die von der Union vorgeschlagene Größenordnung von 20 Milliarden Euro eine Möglichkeit sei. «Wir wollen ein Wachstumspaket auf den Weg bringen», sagte er. Dazu gehörten auch Steuererleichterungen. Zum Einsparpotenzial für die Gegenfinanzierung äußerte Kauder sich nicht konkret. Er machte lediglich deutlich, dass möglicherweise bei der Bundesagentur für Arbeit noch mehr gespart werden könne.

Für die nächste große Koalitionsrunde am Mittwoch soll der Arbeitskreis eine Vorlage zu den wichtigsten steuerpolitischen Maßnahmen erstellen. Auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wollen am Montag noch einmal zu Gesprächen über die Arbeitsmarktpolitik zusammenkommen. Spätestens am Wochenende soll dann der Koalitionsvertrag stehen.

"Realitätsferne" Forderungen

Kauder versicherte, dass die Stimmung in den Koalitionsverhandlungen gut sei. Er bestätigte aber auch, dass es zwischen FDP-Chef Guido Westerwelle und Wulff wegen der Steuererleichterungen eine Auseinandersetzung gegeben habe. Am Samstag hatte Wulff die FDP-Steuerforderungen als «realitätsfern» und als «Blindflug» bezeichnet.

Kauder betonte, die Union wolle Beitragserhöhungen im Gesundheitsbereich auf jeden Fall vermeiden. Ziel der Koalition sei es, das Wachstum anzukurbeln, «und das ist mit Beitragserhöhungen nicht zu vereinbaren». Er fügte mit Blick auf das Gesundheitswesen hinzu, «deshalb werden wir alles daran setzen, um Beitragserhöhungen zu vermeiden». Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), sagte im «Handelsblatt», es gebe einen Spielraum für Entlastungen. «Entlastungen sind als Wachstumssignal in der Krise wichtig.»

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte Union und FDP zu einem Umsteuern in der Familienpolitik auf. Wichtigste Aufgabe für die neue Regierung sei es, 1,9 Millionen Kinder in Deutschland aus der Armut an die Normalität und das gesellschaftliche Leben heranzuführen, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der «Frankfurter Rundschau». Die Hartz-IV-Sätze für Kinder seien «Armutssätze» und reichten nicht zum Leben. Das Bundesverfassungsgericht prüft am Dienstag die Berechnungsgrundlage für den Hartz-IV-Satz für Kinder. (afp)