Essen. Für Ladesäulen haben Städte kaum Platz. Ingenieure von Rheinmetall haben eine Idee: Der Strom fließt aus dem Bordstein, an dem das E-Auto parkt.

Der Technologiekonzern Rheinmetall testet neue Ladestationen für E-Autos, bei denen der Strom aus dem Bürgersteig am Straßenrand fließt. Die Ladetechnologie samt Display und Steckeraufnahme ist in einem Metallbehälter untergebracht, der in einen „hohlen“ Bordstein eingefügt wird – platzsparend und nahezu unsichtbar. Die neuen Ladebordsteine werden aktuell in Köln und in Nörvenich im Kreis Düren getestet, bald auch im Ballungsraum an der Ruhr: „Ich kann bestätigen, dass es Gespräche mit weiteren Städten auch im Ruhrgebiet gibt“, sagte ein Rheinmetall-Sprecher.

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Wer an einem der neuen Testpunkte Strom laden will, parkt vor dem Ladebordstein, scannt seine EC-Karte am Bordstein ein und verbindet dann den Typ-2-Stecker seines Fahrzeugs mit der Ladestation. Die Ladeleistung beträgt nach Rheinmetall-Angaben bis zu 22 Kilowatt. Mit dieser Leistung kann bei einem mittelgroßen E-Auto mit einer Akkukapazität von 50 Kilowattstunden in drei Stunden der Ladestand des Akkus von 20 auf 80 Prozent erhöht werden. An den Ladebordsteinen dürfen die Autos maximal vier Stunden stehen.

Rheinmetall: Neue Ladebordsteine für neue Straßen oder Wohngebiete nachrüstbar

Ein Vorteil des neuen Ladekonzeptes ist laut Rheinmetall die Nachrüstbarkeit der Technik. So sei es beim Neubau von Wohngebieten, Straßen oder Parkplätzen möglich, die Ladebordsteine vorzubereiten und „Dummy-Bordsteine“ zu installieren. Der Einbau der Ladeelektronik sei dann wie auch die Wartung „in wenigen Minuten ausführbar“, so der Konzern. Das System eigne sich aber auch für das Nachrüsten vorhandener Straßenzüge. So könnten Netzbetreiber sehr flexibel auf konkrete Anfragen aus der Bevölkerung reagieren.

Die in den Bordsteinen integrierte Technik ist laut Angaben des Unternehmens vor dem Eindringen von Regen und stehendem Wasser geschützt. Im Sommer verhindert ein Kühlkonzept das Überhitzen der Hardware bei hohen Außentemperaturen, im Winter sorgt ein eingebautes Heizsystem für die schnee- und eisfreie Bedienbarkeit des Ladegeräts, heißt es in den technischen Details. Demnach ist bei der Ladeelektronik auch ein Lastmanagement möglich. Das ist wichtig, wenn mehrere E-Autos parallel geladen werden müssen, die Ladeleistung im lokalen Stromnetz aber gerade nicht ausreicht.

In Köln und in Nörvenich im Kreis Düren testet Rheinmetall aktuell seine neuen Ladebordsteine. Die E-Autos werden mit einem Typ-2-Stecker mit der Ladeeinrichtung verbunden und per EC-Karte aktiviert.
In Köln und in Nörvenich im Kreis Düren testet Rheinmetall aktuell seine neuen Ladebordsteine. Die E-Autos werden mit einem Typ-2-Stecker mit der Ladeeinrichtung verbunden und per EC-Karte aktiviert. © DPA | Sascha Thelen

Ladesäulen für E-Autos: Ausbau in den Innenstädten verläuft schleppend

Von Ladebordsteinen oder auch Ladetechnik in Straßenlaternen erhoffen sich Kommunen, eine der großen Hürden auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität beiseite zu räumen: das Platzproblem in Ballungsräumen. Denn anders als auf dem Land oder entlang der Autobahnen verläuft der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Innenstädten Deutschlands schleppend. Öffentliche Ladesäulen benötigen Platz, „normale“ Parkplätze müssen dafür weichen. Wer ein E-Auto fährt und in Wohnungen oder Einfamilienhäusern ohne Stellplätze auf eigenem Grundstück wohnt, ist auf öffentliche Ladepunkte angewiesen, den weder darf er eine Wallbox anbringen, noch ein Ladekabel über den Gehweg verlegen.

Das Ladeproblem wird dabei zu einem immer größeren Hinderungsgrund für den Einstieg in die Elektromobilität. Die europäische Automobilindustrie warnt inzwischen vor einer wachsenden Kluft zwischen der Zahl öffentlicher Ladesäulen und neuer E-Autos. So seien die Verkäufe von Elektroautos in der EU zwischen 2017 und 2023 dreimal schneller angewachsen als die Zahl neu installierter Ladestationen. Es gebe eine alarmierende Lücke zwischen der benötigten und der künftig vorhandenen Anzahl öffentlicher Ladesäulen, kritisiert der europäische Herstellerverband ACEA.

Elektromobilität: Experten sehen Ziele der Bundesregierung in weiter Ferne

Laut Plänen der Bundesregierung sollen bis 2030 rund 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf den Straßen fahren und eine Million öffentliche Ladesäulen installiert sein – alle 60 Kilometer soll eine Ladesäule erreichbar sein. Diese Ziele werden laut Experten nach derzeitigem Stand weit verfehlt. Aktuell sind in Deutschland 1,5 Millionen E-Autos zugelassen. Ende November vergangenen Jahres waren in Deutschland rund 62.000 Ladeeinrichtungen mit insgesamt 110.000 Ladepunkten in Betrieb.