Ein Gipfeltreffen zwischen syrischen und libanesischen Clans mag vordergründig positiv wirken - das Signal, das davon ausgeht, ist ernüchternd.
Die gute Nachricht zuerst: Einiges spricht dafür, dass sich die brutalen Auseinandersetzungen zwischen libanesischen und syrischen Großfamilien im Ruhrgebiet absehbar nicht wiederholen werden. Ein Friedensgipfeltreffen der verfeindeten Familien mit rund 100 Teilnehmern verlief offenbar erfolgreich und endete allem Anschein nach versöhnlich. Der eigens dafür beauftragte Friedensrichter leistete also überzeugende Arbeit
Diese Zeilen über den Friedensgipfel und den Friedensrichter sind nüchtern formuliert – und wirken doch absurd, grotesk, wie aus einer anderen Welt. Denn der Ort des Geschehens ist kein Marktplatz in Damaskus und kein Hinterzimmer in Beirut, sondern eine „Eventlocation“ in Duisburg-Hochfeld. Dies beinhaltet zugleich die schlechte Nachricht: Die NRW-Politik, die deutsche Polizei, die deutsche Justiz oder andere staatliche Institutionen haben mit diesem „Verhandlungserfolg“ nichts zu tun. Sie spielten schlicht keine Rolle, sie wussten nach eigenen Angaben noch nicht einmal davon.
Parallelgesellschaft mit eigenen Regeln und Gesetzen
Wieder einmal wird uns schonungslos vor Augen geführt, dass die Familienclans eine Parallelgesellschaft mit eigenen Regeln, eigenen Gesetzen und eigener Justiz geschaffen haben. Deshalb ist es ihnen auch völlig egal, was ein NRW-Innenminister Reul sagt, was irgendein Oberbürgermeister ankündigt, womit ein Polizeipräsident droht oder ob bei der nächsten medienwirksamen Razzia mal wieder eine Shisha-Bar durchsucht wird.
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Es ist ihnen auch egal, ob NRW-Justizminister Limbach den Begriff Clan-Kriminalität nicht mehr verwenden will. Offiziell tut er das übrigens, um eine allgemeine Stigmatisierung zu verhindern, in Wahrheit geht es vorrangig darum, mit solcher Symbolik die bei diesem Thema zum Teil ideologisch geprägte Grünen-Parteibasis zu bedienen. Aber wie schon erwähnt, den Clan-Familien ist das ohnehin egal.
Die Polizistinnen und Polizisten sind derartige Einsätze leid
Zumal es dieses aktuellen Beweises für die bestehende Parallelgesellschaft gar nicht mehr bedurfte. Das weiß jeder, der in irgendeiner Weise mit dem Thema beschäftigt ist. Womit wir beispielhaft bei der Polizei wären. Wer die Schilderungen von Beamtinnen und Beamten kennt, die bei den Kämpfen zwischen den Syrern und Libanesen in Essen im Einsatz waren, der muss feststellen, dass die erfolgreichen „Friedensverhandlungen“, so zynisch es klingen mag, auch für die Menschen in Uniform eine gute Nachricht sind. Denn sie können jetzt hoffen, sich absehbar seltener in Lebensgefahr begeben zu müssen, wenn es darum geht, hunderte, mit Hass und Testosteron aufgeladene Männer voneinander zu trennen. Das taten sie unter anderem, indem sie ihre Pfefferspray-Dosen leer sprühten, um etwas Einfluss zu nehmen – und um sich selbst zu schützen.
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Die Motivation, sich in diese Kämpfe mit Männern zu begeben (es sind ausschließlich Männer), für die deutsche Regeln und Gesetze keine Bedeutung haben, tendiert nach übereinstimmenden Schilderungen aus der Polizei-Basis gegen Null. Sehr viele Beamtinnen und Beamte sind zermürbt, beschreiben diese Einsätze als sinnlos.
Reden aus der Gebetsmühle - und wie steht es um die Wahrheit?
Die Motivation, die Clan-Strukturen zu schwächen und damit auch die organisierte Kriminalität zumindest in Ansätzen zu bekämpfen, dürfte in der Landespolitik und in den Rathäusern, etwa in Essen, Gelsenkirchen oder Duisburg, weiterhin vorhanden sein. Zumal wir hier nicht nur über die Parallelwelten, sondern konkret über Menschen- und Drogenhandel, Prostitution, Schutzgelderpressung, Geldwäsche und andere Straftaten reden. Vor dem Hintergrund betonen NRW-Innenminister Reul und viele Oberbürgermeister jeglicher Parteicouleur gebetsmühlenartig, dass sie diese Strukturen nicht zulassen werden. Das sind politische Aussagen -- was sollen sie auch sonst sagen? Die Wahrheit vielleicht.
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Dann müsste die Landespolitik in NRW gemeinsam klarstellen, dass sich über Jahre und Jahrzehnte Strukturen türkisch-arabischer Clans gebildet haben, die man nur mit großen Anstrengungen bekämpfen kann, sprich mit deutlich mehr Personal, mehr moderner Technik, besserer Ausstattung, besserer Ausbildung, mehr politischer Rückendeckung und auch mit punktuellen Gesetzesänderungen. Dann müssten sich alle Parteien dazu bekennen, dass sie das wollen. Und dann müssten sie das Geld zu Verfügung stellen.
Dies wäre zumindest ein Anfang. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt, ist leider gering.