Witten. Im Laden brennt noch Licht, aber fürs Personal sind die Lichter bei Wurst König in Witten längst ausgegangen. Eine Ex-Verkäuferin redet Klartext.
Gut 20 Jahre hat Nadine Gille für Wurst König gearbeitet. Erst lange in Hattingen, dann noch ein paar Monate in Witten. Die 36-Jährige hat bei dem Essener Unternehmen schon ihre Lehre gemacht. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass es einmal so enden würde. „Am Freitag vor Weihnachten musste ich die Schlüssel abgeben. Seitdem herrscht Funkstille.“
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Die wesentlichen Fakten sind ja bekannt. Sämtliche Filialen der Imbisskette und Metzgerei sind dicht, die meisten wurden Knall auf Fall kurz vor Weihnachten geschlossen. Wie auch das Geschäft in Witten. Nadine Gille kann sich noch gut daran erinnern. „Am 10. Dezember war die Filiale das letzte Mal offen.“
In Hattingen hieß es, die Umsätze stimmten nicht
Ähnliches war ihr im Juni schon in Hattingen passiert. Dort hieß es, die Umsätze stimmten nicht. „An einem Donnerstag haben wir von der Schließung erfahren. Am Samstag war der Laden zu.“ Fortan warf sie auf der oberen Bahnhofstraße in Witten die Pommes in die Fritteuse, wärmte Eintöpfe und jagte unzählige Currywürste durch den „Häcksler“. Zunächst lief alles noch „soweit normal“.
Im August sei dann die Filialleitung, die auch für Hattingen zuständig war, in Rente gegangen. Eine andere langjährige Kollegin aus dem Wittener Geschäft habe im Herbst aufgehört. Im Dezember sollte dann noch eine weitere Kollegin abgezogen werden, um Überstunden abzubauen, nachdem sie selbst gekündigt hatte - und Nadine Gille das Geschäft alleine weiterführen, wie sie sagt. Da hatte sie die Faxen dicke. „Ich hatte schon ein ganz komisches Gefühl.“

Verkäuferin von Wurst König in Witten: „Ich hatte schon ein komisches Gefühl“
Sie weigerte sich, nach 30, 40 Überstunden noch weitere Mehrarbeit zu leisten, geschweige denn „allein im Laden zu stehen“. So endete mit dem letzten Arbeitstag der Kollegin auch ihre langjährige Tätigkeit am 10. Dezember. Sie wurde „beurlaubt“, wie es hieß. Der Rest ist Geschichte. Wurst König hängte ein Schild in die Scheibe, das bis heute nicht entfernt wurde: „Wegen Personalmangel vorübergehend geschlossen.“
Das Unternehmen habe ihr gegenüber noch davon gesprochen, im Januar fingen 25 neue Kräfte an, sagt Nadine Gille, die zwei Kinder hat, drei und elf Jahre alt. Alles nur leere Versprechungen. Die Mitarbeiterinnen von Wurst König sahen kein Geld mehr, erreichten niemanden mehr wirklich, wenn sie fragen wollten, wie es weitergeht - und sehen sich inzwischen längst gezwungen, ihre Ansprüche juristisch durchzusetzen.

Wittener Verkäuferin hat am 27. Februar ihren Termin beim Arbeitsgericht
Nadine Gille hat ihren Termin bei Arbeitsgericht am 27. Februar. Sie klagt auf den Dezember-Lohn und Weihnachtsgeld, „mein Anwalt hat den Januar auch schon in der Mache“. Zum Glück gab es für Januar bereits Arbeitslosengeld. „Es ist sehr schwer, auf den Lohn zu verzichten“, sagt die Einzelhandelsverkäuferin, die sich in der Vergangenheit nie über ihren Arbeitgeber beklagen konnte.
Um so unbegreiflicher ist es für die betroffenen Frauen von Wurst König, was nun passiert ist. Irgendwann wurden sie im Dezember darüber informiert, dass das Unternehmen plötzlich verkauft war. Der neue Chef soll Italiener sein. Es soll inzwischen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung geben. Auch für Medienanfragen ist die Firma nicht erreichbar.
„Zum Glück hab ich noch einen Mann, der Geld verdient“
„Ich habe zumindest noch einen Mann, der Geld verdient“, sagt Nadine Gille. Der es trotzdem schwer fiel, ans Ersparte gehen zu müssen beziehungsweise nichts mehr im Monat zurücklegen zu können. Sie ist erst Mitte 30 und kann zumindest wieder Hoffnung schöpfen. Am 1. März fängt die Verkäuferin bei der Stadt Hattingen an. „16 Stunden, als Alltagshelferin in einer Kita.“ Wurst König ist für sie dann nur noch Geschichte.