Witten. Das Marieneck in Witten ist wieder geöffnet. Der neue Wirt Martin Gentele ist für Herbedes Kneipengänger ein alter Bekannter. Was hat er vor?

Martin Gentele hat ein klares Ziel vor Augen. Der 62-jährige Gastronom hat die Kneipe Marieneck im – na klar – Marienviertel Anfang Oktober eröffnet. Der gebürtige Schwabe hängt sich richtig rein. Der „Nachtmensch“ (Gentele über Gentele) öffnet morgens um zehn und schließt abends um zehn – frühestens: „15, 16 Stunden am Tag sind für mich kein Problem.“ Gentele, bis vor kurzem in Herbedes Stadtschänke am Tresen tätig, weiß: „Noch sagen die Leute: Ich geh‘ ins Marieneck. Geschafft hab’ ich’s, wenn die Leute sagen: Ich geh‘ zum Martin.“

Der Martin hat für seine Gäste ein offenes Ohr: „Kneipe“, findet er, „muss wie eine Kirche sein.“ Er weiß aus Erfahrung, dass sein Publikum nicht in erster Linie wegen der Getränke kommt – es kommt wegen eines Wirts, der ihnen bereitwillig zuhört. Der Martin fühlt sich ein bisschen wie ein Beichtvater. Manchem Gast wird er wohl auch für dessen Missetaten so etwas wie die Absolution erteilt haben.

Weltenbummler zwischen Schwaben, Ruhrgebiet und Philippinen

Warum Reden Silber und Zuhören Gold ist, weiß er aus seinen früheren Leben. Gentele hat viele Berufe gelernt und ausgeübt. Und noch mehr ist der Mann mit den großen blauen Augen in der Welt herumgekommen. Von Mexiko erzählt der Weltenbummler, und den Philippinen. Es gibt nur wenige Orte auf dieser Welt, wo der gebürtige Crailsheimer noch nicht war.

Martin Gentele hat in Herbedes Stadtschänke jahrelang am Tresen gestanden.
Martin Gentele hat in Herbedes Stadtschänke jahrelang am Tresen gestanden. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Vier Sprachen spricht er. Und Schwäbisch. Er spricht langsam, und sein singender Dialekt gibt dem, was er sagt, etwas Weiches. Gentele kommt offensichtlich überall zurecht, auch in Witten, auch im Marieneck. Herbedes Stadtschänke hat er ungern aufgegeben. Doch sein Mietvertrag ist nach drei Jahren nicht verlängert worden.

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Jetzt also das Marieneck. Die Eckkneipe galt zeitweilig als verrufen. Doch die Brauerei und der 62-Jährige sehen in der kleinen Gaststätte mit kaum 50 Quadratmetern Raum Potenzial. Die Lage ist gut. Das Marien-Hospital liegt gegenüber. Der Gastronom sieht seine Chancen vor allem bei Besuchern von Klinikpatienten. Da ist oft Warten angesagt. Warten auf das Ende einer Operation, Warten auf das Ende einer Visite, Warten auf die Erledigung aller Formalitäten, bis ein Patient wieder nach Hause gebracht werden darf. Natürlich spielt auch die Nachbarschaft eine Rolle.

Das Marieneck hat eine klassische 50er-Jahre-Mosaikfassade: Ruhr pur.
Das Marieneck hat eine klassische 50er-Jahre-Mosaikfassade: Ruhr pur. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

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Martin Gentele hat die Kneipe aufgehübscht. Das war nach monatelangem Leerstand auch nötig. Mit handwerklichem Geschick hält der Kneipier die Kosten klein. Inzwischen sind die Barhocker neu bezogen, die Wände gestrichen. Eine Dartscheibe hängt, und Glücksspielautomaten warten auf Kundschaft, die ein paar Euro übrig hat.

So viel kosten Bier und Schnaps

Durstige kommen für kleines Geld auf ihre Kosten. Ein kleines Bier – 0,2 Liter – wird für 1,60 Euro gezapft. Ein halber Liter kostet 3,80 Euro. Andernorts wird die Fünf-Euro-Marke längst locker übersprungen. Sechs Biere kommen bei „dem Martin“ vom Fass, darunter, derzeit noch selten, das milde „Pülleken“-Landbier von Veltins und ein dunkles Benediktiner.

Schnäpse sind ab zwei Euro zu haben, etwa Pircher Williams-Birne. 3,50 Euro sind die Obergrenze, beispielsweise wenn ein Batida de Coco durch die Kehle eines Gasts rinnt.

Halloween-Special mit bluttriefend wirkenden Würstchen

Die Getränkeversorgung läuft „beim Martin“ also - und die Organisation von Würstchen, die er für ein Halloween-Special mit Ketchup quasi bluttriefend servieren will. Dabei greift er auf Erfahrungen aus seinem früheren Leben zurück. Der Wahl-Wittener hat zeitweilig eine eigene Firma gehabt. Dabei ist es um Warentransporte in alle Welt gegangen, beispielsweise von Baumaterialien. In einem Punkt gibt es den sprichwörtlichen roten Faden im Leben des Wirts: „Es ist alles eine Frage von Logischtik“, sagt er mit seinem schwäbischen Akzent. Für die durstige Kundschaft von „dem Martin“ mag das eine frohe Botschaft sein – genauso wie seine Fähigkeit zum Zuhören.

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