Witten. Landwirtschaft in Bommern: Der Heimat- und Geschichtsverein präsentiert einen neuen Kalender mit Fotoschätzen. Anekdoten gibt‘s obendrauf.

Klaus Wiegand ist ein Jäger der verlorenen Schätze. So viel steht fest. Der 81-Jährige hat sich – ganz gleich ob als Lehrer, als SPD-Ratsherr oder als Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Witten-Bommern – für heimische Historie interessiert. Da Klaus Wiegand sein Berufsleben als Maurer startete, kann er mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten.

So gelang es ihm und anderen Vereinsmitgliedern, Landwirte zu bewegen, alte Fotoschätze herauszurücken – zumeist in Schwarz-Weiß. Was heutzutage nostalgisch wirkt, war früher schweißtreibendes Ackern. Der neue Jahreskalender des Heimat- und Geschichtsverein erzählt die Geschichte der Landwirtschaft in Bommern – im besten Sinn anschaulich. Doch der Historiker lässt die zahlreichen Bilder aus dem vergangenen Jahrhundert keineswegs für sich allein sprechen. Seine knappen Begleittexte fangen da an, wo die sichtbaren Informationen der Fotos aufhören.

Schulkinder mussten in Bommern 1941 Flachs ernten

Das Juni-Kalenderblatt beispielsweise zeigt zwei Bilder mit Jugendlichen bei der Flachsernte. Flachs spielte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle für die Leinenproduktion – etwa in der Bandfabrik Bommerholz. Dort arbeiteten durchweg junge Frauen, wie ein Foto von 1910 zeigt. Der Rohstoff Flachs wurde bis in die 40er Jahre hinein auf den Hängen des Muttentals gewonnen.

Kein Flachs: Schulkinder mussten 1941 in Bommern zum Ernteeinsatz. Damals gab es in dem Ortsteil sogar noch Textilindustrie. Die Repros hat Klaus Wiegand angefertigt und auch betextet.
Kein Flachs: Schulkinder mussten 1941 in Bommern zum Ernteeinsatz. Damals gab es in dem Ortsteil sogar noch Textilindustrie. Die Repros hat Klaus Wiegand angefertigt und auch betextet. © WAZ | jürgen overkott

Daneben ist eine Szene von 1941 zu sehen. Damals tobte der Zweite Weltkrieg bereits zwei Jahre. Eine von vielen Folgen war, dass Männer in der Landwirtschaft fehlten. Die Lücke wurde kurzerhand mit Schulkindern gefüllt. Klaus Wiegand ist es sogar gelungen, die Namen der Kinder ausfindig zu machen, die damals buchstäblich Hand anlegen mussten. Die Liste reicht von Hanni Burkhardt bis zu Horst Weitkämper. Leinen war im Zweiten Weltkrieg als Ersatzstoff für Baumwolle gefragt. Wegen des damaligen Seekriegs, notierte Wiegand, sei kaum Nachschub aus Übersee gekommen.

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Eine andere Bildergeschichte wird auf dem Kalenderblatt September erzählt: nämlich wie Schafe nach Bommern kamen. Xaver Thiele, damals 20, brachte im Dürre-Sommer 1947 nicht weniger als 160 Schafe aus dem Paderborner Land ins Ruhrtal. In Ostwestfalen war den Tieren das Futter ausgegangen. Bis zur Bebauung von Bommerfeld hütete ein Schäfer namens Munstermann die Herde auf der damaligen Weidefläche. Wanderschäfer mussten keine Pacht entrichten; sie durften ihre Tiere kostenlos grasen lassen.

Klaus Wiegand hat sich um die Foto-Repros gekümmert und sie liebevoll betextet.
Klaus Wiegand hat sich um die Foto-Repros gekümmert und sie liebevoll betextet. © WAZ | jürgen overkott

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Auf ein Bild ist der Heimat- und Geschichtsverein besonders stolz. „In Bommern wurde auch Weizen angebaut“, sagt Wiegand, „aber wo war denn die Mühle?“. Der Kalender liefert die Antwort. Die Mühle stand in Bommerzholz; heutzutage weist nichts mehr auf sie hin. Dafür war aufwendige Recherche erforderlich.

Panoramafoto ohne Kleinflieger oder Drohne: Wie geht das?

Am Ende stießen Klaus Wiegand und seine Helferschar auf ein historisches Bild des Wittener Fotografen Friedrich Goebel, der ein Panorama zeigte in einer Zeit, als ihm weder Kleinflieger noch Drohne zur Verfügung stand. Geschafft hat er’s 1886 trotzdem. Goebel erklomm den Helenenturm. Eine wirklich schöne Reise durch die Vergangenheit.

Der Kalender (DIN A3, 12,50 Euro; DIN A4, 9,50 Euro) im Alpha-Buchladen am Bodenborn und bei Lehmkul am Rathausplatz ab Ende Oktober erhältlich.

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