Witten. Die Evangelische Erzieherschule schließt. Vor zwei Jahren wurde der 125. Geburtstag gefeiert. Die Geschichte des Comenius Berufskollegs.
„Das ist die allerliebste Lieblingsschule meiner Tochter Kathrin“: Das schrieb deren Mutter Ursula Spiegel 1982 begeistert an den damaligen Diakonie-Vorsteher Pastor Christoph Theurer. Gemeint war die Fachschule für Sozialpädagogik, die zuletzt Comenius-Berufskolleg hieß. Nun schließt Kathrins Lieblingsschule nach 127 Jahren am 31. Juli. Ein Rückblick.
Wittens älteste Privatschule öffnete 1897
Wittens älteste Privatschule wurde am 14. Oktober 1897 an der Pferdebachstraße mit dem Namen „Kleinkinderschulschwestern-Seminar“ eröffnet. Sie war Teil des Diakonissenhauses (von 1890). Grund war die soziale Not der Familien in den industriellen Ballungsgebieten von Ruhrgebiet und Siegerland. Die Evangelische Kirche wollte aufgrund ihres christlichen Weltbilds insbesondere Kindern helfen.
Anfangs waren es nur Diakonissen, die in dem Seminar ausgebildet wurden. Diese entsandte das Mutterhaus in die evangelischen Gemeinden an Ruhr und Emscher, Lenne und Sieg. Dort arbeiteten sie neben den klassischen Gemeindeschwestern segensreich. 1922 bekam das inzwischen in „Seminar für Kleinkinderschullehrerinnen“ umbenannte Institut die staatliche Anerkennung.
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1943 wurde es im Zweiten Weltkrieg geschlossen und erst 1947 wiedereröffnet. Anfang der 70er bekam das Institut den Namen „Fachschule für Sozialpädagogik“.
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Doch nicht nur der Schulname änderte sich in den zwölf Jahrzehnten, sondern auch die Berufsbezeichnungen: Waren es anfangs Kleinkinderschulschwestern, denen Kleinkinderschullehrerinnen folgten, dann Kindergärtnerinnen. Seit den 70er Jahren ist die Rede von Erzieherinnen und Erziehern, weil auch junge Männer diesen Beruf ergriffen. Auch die Namen der Einsatzbereiche änderten sich: Kindergarten, Tageseinrichtung, Kita, Familienzentrum.
Außerdem wurden die Lehrpläne für die dreijährige Ausbildung in drei Bereiche aufgeteilt: Neben Elementarpädagogik kamen Freizeit- und Behindertenpädagogik dazu; sie stellten den Erzieherberuf neu auf. Das brachte den Examinierten ein größeres berufliches Spektrum und mehr gesellschaftliche Anerkennung. Natürlich konnten sie sich auch in ihrem Erstberuf weiterbilden: Manche studierten Sozialpädagogik, wurden Jugenddiakon, Lobbyist oder gar Manager im Sozialwesen. Andere wiederum wurden zum Beispiel Musiker oder Clown. Später kam noch die Möglichkeit dazu, bei „Comenius“ die Fachoberschulreife zu erlangen und vor zwölf Jahren noch die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger.
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Land fährt Förderung herunter
In den 80er Jahren gab es zum ersten Mal finanzielle Probleme, weil das Land NRW seine Förderung für private Ersatzschulen von 94 auf 90 Prozent reduzierte. Für die damaligen Schulleiter Einhart Lederer und später Norbert Roth war das bei der Planung ein ständiges Damoklesschwert. Doch 1987 hatte man stolz und selbstbewusst das 100-jährige Bestehen der Schule gefeiert: gleich mit zwei Veröffentlichungen. Dr. Gerhard Morgenroth vom Martineum legte eine Chronik vor, Norbert Roth und Michael Hoos eine aktuelle, moderne Festschrift.
Modernes Schulzentrum wurde vor 50 Jahren eröffnet
Auch die Ehemaligen-Arbeit dieser berufsbildenden Schule muss hervorgehoben werden. Viele Jahrgänge trafen sich jahrelang im Diakoniewerk, vor allem die Schülerinnen, die noch im ersten Stock vom Oberlinhaus ihre Klassenräume hatten. Dort zog die Schule allerdings 1974 aus. Denn gegenüber würde das moderne Comenius-Schulzentrum eröffnet. Das lichte Gebäude beheimatete neben der Fachschule noch bis 1988 die Altenpflegeschule und bis 2005 die Krankenpflegeschule. Nun gehörten Medienraum, Bibliothek, Bühne und Turnhalle zur komfortablen Ausstattung der „kleinen, aber feinen“ Schule, eine „Cafete“ als Schülertreffpunkt mit Brötchen und Getränken nicht zu vergessen.
Ein Highlight der Schule waren immer die Schulfeste: entweder am Tag der offenen Tür oder am Tag der Zeugnisübergabe. Hier präsentierte sich die Schule stets offen und einladend. Unvergessen der Brüller, als einmal das Lehrer-Duo Rolf Luttermann/Peter Milde als Balletteusen in weißen Tutu-Kleidchen im Programm auftrat. Schließlich soll Monika Wehner, die letzte Schulsekretärin und wahrhaft „treue Seele des Hauses“ nicht unerwähnt bleiben: Sie hatte immer das sprichwörtliche offene Ohr für die Sorgen der Schülerinnen und Schüler.
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