Witten. Massiver Stellenabbau bei ZF: In Witten soll nicht mehr für den Windenergiebereich gefertigt werden. Das betrifft zwei Drittel der Belegschaft.
Die Befürchtungen sind wahr geworden: Der weltweit tätige Industriekonzern ZF will an seinem Wittener Standort massiv Stellen abbauen. Darüber sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Freitag nach Angaben des Betriebsrates informiert worden. Demnach sollen 400 der derzeit 630 Arbeitsplätze gestrichen werden. Die dahinterstehende Produktion wird ins Ausland verlagert.
Die Stellenstreichungen in Witten sind Teil einer größeren Sanierungsstrategie des Konzerns mit Sitz in Friedrichshafen. Bundesweit sollen bis 2028 insgesamt 14.000 Stellen wegfallen. ZF ist bekannt als großer Zulieferer der Automobilindustrie. Beim Wittener Werk stand aber bislang das Geschäft mit der Windenergie im Mittelpunkt. Bis vor einigen Jahren wurde hier noch das größte Windkraftgetriebe der Welt in Serie gebaut.
ZF fertigt in Witten Komponenten für Windgetriebe
Mittlerweile werden an der Mannesmannstraße aber nur noch Komponenten für Windgetriebe hergestellt, die dann ans belgische Schwesterwerk in Lommel gehen. Diese Fertigung ist eine von drei Säulen des Werks. Hinzu kommen Servicetätigkeiten für Windgetriebe. Auch fertigt ZF hier Industriegetriebe für verschiedenste Anwendungen, wie etwa Tunnelbohrmaschinen oder Seilbahnen.
Das nun von der Geschäftsführung vorgestellte Sanierungskonzept sehe vor, dass beide Windkraft-Bereiche ersatzlos gestrichen werden, sagt Betriebsratsvorsitzender Frank Blasey. „Beide Produktbereiche sollen nach Berechnung der Leitung – aufgrund des höheren erwarteten Profits – in die ZF-Werke nach Indien und China verlagert werden.“ Das würde für den Standort Witten einen Verlust von bis zu 400 Arbeitsplätzen bedeuten.
Nur Industriegetriebe sollen am Standort Witten verbleiben
Nur Industriegetriebe sollen weiterhin in dem ehemaligen Bosch/Rexroth-Werk hergestellt werden. Allerdings, so Blasey, soll dieser Bereich verkauft werden. Ein potenzieller Käufer habe sich sogar bereits die Produktion angeschaut, dann aber eine Absage zum Kauf gegeben.
Seit vor drei Monaten bekannt wurde, dass ZF plant, Stellen zu streichen, waren Betriebsrat und Geschäftsführung im Austausch über mögliche Szenarien für den Standort. Der Betriebsrat hoffte auf ein „nachhaltiges Zukunftskonzept“. „Aus unserer Sicht liefen die bisher geführten Gespräche und waren zielführend“, sagt Blasey. Das Management habe insgesamt sechs mögliche Wege dargestellt. Einer davon beinhaltete die Fortführung der Windenergie.
Betriebsrat kündigt heftigen Widerstand an
Trotzdem sei das errechnete wirtschaftliche Ergebnis bei diesem Fall gut gewesen. Und habe sogar „weit über der aktuell vom Vorstand ausgesprochenen wirtschaftlichen Kennzahl“ gelegen, so der 52-Jährige. Dieses Szenario könnte aus Betriebsratssicht eine Basis für eine Weiterführung des Standortes ähnlich seiner heutigen Form sein. „Wir erarbeiten dazu gerade zusätzliche Ideen und Verbesserungspotenziale, die dieses Szenario weiter stärken könnten und das wirtschaftliche Ergebnis verbessern könnten.“
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Umso mehr stößt das jetzige Vorgehen des Managements bei Frank Blasey auf Unverständnis und Ärger. „Für den Betriebsrat ist es absolut unverständlich, dass die Geschäftsführung nun vorschnell ihr favorisiertes Konzept an die Belegschaft kommuniziert und trotz allem ihr Konzept durchdrücken möchte.“ Man habe den Eindruck, dass es sich lediglich um „Scheingespräche“ gehandelt habe. Ohne den echten Willen zu einer nachhaltigen Lösung zu haben. Das „Opfern“ der Arbeitsplätze am Standort Witten aus strategischen Gründen werde auf heftigen Widerstand stoßen, kündigt Blasey an.
Weitere Gespräche für November angekündigt
Denn den Kampf um die Arbeitsplätze seiner Kollegen hat der 52-Jährige noch nicht aufgegeben: „Ich fordere die Geschäftsführung auf, weiter die Gespräche mit dem Betriebsrat zu suchen, um eine bessere Alternative für den Standort und die Belegschaft zu finden. Wir haben ein gutes Konzept mit weiterhin allen drei Produktbereichen erarbeitet, das eine große Chance bietet, viele der Arbeitsplätze zu erhalten.“
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Ob sich an der Sicht der ZF-Führung noch rütteln lässt, ist fraglich. Die Windenergie-Bereiche könnten keine ausreichende Profitabilität erreichen, so ein Sprecher des Konzerns. „Der Marktpreisdruck in diesen Geschäften ist derzeit und in den kommenden Jahren enorm. Um dem Preisdruck standhalten zu können, muss das Windgeschäft an anderen ZF-Standorten konsolidiert werden.“ Nur das Industriegeschäft sei nach einer Restrukturierung in Witten wirtschaftlich tragfähig. Anfang November wolle man weitere Vorschläge des Betriebsrats gemeinsam diskutieren. Ziel sei es, Anfang Dezember „ein Eckpunktepapier zu einem definierten Szenario zu formulieren“.
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