Witten. Die Anteilnahme nach dem Tod von Terrier Harley in Witten ist groß. Doch viele Fragen bleiben offen. Seine Besitzerin ist sauer auf die Stadt.

Das Schicksal des kleinen Terriers Harley hat viele Menschen in Witten bewegt. Der Rüde ist vor der eigenen Haustür von einem Hund aus der Nachbarschaft angefallen und so schlimm verletzt worden, dass er von seinem Leiden erlöst werden musste. Das Ordnungsamt der Stadt hat daraufhin eine Maulkorb- und Leinenpflicht für den angreifenden Hund angeordnet. Doch der soll schon vorher auffällig gewesen sein. Warum ist dann nicht früher etwas passiert?

„Ich habe so viel Zuspruch erfahren“, erzählt Besitzerin Michaela Kautz. Über Facebook haben sie zahllose Nachrichten erreicht, in denen fremde Menschen ihr Beileid ausdrücken. „Ich konnte noch gar nicht alle lesen“, sagt die 43-Jährige. Auch, weil das jedes Mal wieder die Trauer in ihr hochspüle.

Michaela Kautz trauert um ihren verstorbenen Hund Harley.
Michaela Kautz trauert um ihren verstorbenen Hund Harley. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Trauernde Hundebesitzerin fühlt sich nicht ernst genommen

Viele der Menschen, die ihr geschrieben haben, berichten von einem ähnlichen Schicksal. So seien auch deren Hunde schwer gebissen worden, in Witten, und es habe keine spürbaren Konsequenzen gegeben. „Es bringt mir meinen Harley nicht zurück. Aber ich will das jetzt durchziehen und das Ordnungsamt wachrütteln“, sagt Michaela Kautz. Sie erwägt eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

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Was die Wittenerin besonders ärgert: Sie fühlt sich von der Stadt nicht ernst genommen und hinters Licht geführt. Die Behörde hat sowohl Kautz als auch dieser Redaktion gegenüber erklärt, dass es sich um den ersten bekannten Vorfall mit dem betroffenen Hund handele. Beim Ordnungsamt sei kein weiterer Beißvorfall angezeigt worden. Auch deshalb müsse mit den „mildesten Mitteln“ reagiert werden. „Dass mir da suggeriert wird, ich wäre der erste Vorfall, macht mich fassungslos“, sagt Michaela Kautz.

Labrador wurde vom selben Hund angegriffen

Denn auch Melanie Berenbeck hat besagten Hund schon einmal beim Ordnungsamt gemeldet. Im November 2023 sei ihr Labrador bei einem Besuch auf dem Schnee von dem aggressiven Weibchen auf offener Straße angegriffen worden, erzählt die 37-Jährige. Der Hund sei einfach zur Haustür hinausgestürmt. Weil sich der Labrador - im Gegensatz zum körperlich unterlegenen Harley - zur Wehr setzen konnte, blieb das Tier ohne Bissverletzung. „Meine Tochter, die dabei war, hat jetzt panische Angst und traut sich nicht mehr in diese Straße“, sagt Berenbeck.

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Sie hat den Vorfall sofort beim Ordnungsamt angezeigt. Auf erneute Nachfrage bestätigt die Stadt die Meldung. Betont jedoch, dass es sich nicht um einen Beißvorfall gehandelt habe. Ob und wie das Amt reagiert hat, bleibt offen. Aus datenschutzrechtlichen Gründe könne man sich nicht weiter äußern. „Es kann doch nicht sein, dass das Tier immer noch ungesichert herumläuft“, ärgert sich Melanie Berenbeck.

Besitzer klagte gegen Einstufung als gefährlicher Hund

Ein Detail zu dem Problem-Hund macht die Stadt aber doch öffentlich. Es soll sich bei dem Tier nicht um eine Rasse handeln, die generell als gefährlich gilt - und das, obwohl Michaela Kautz und Melanie Berenbeck beide sicher sind, dass sie es hier mit einem Kampfhund zu tun haben. Dazu zählen in NRW Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier und Kreuzungen dieser Rassen.

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Die Stadt wollte nach eigenen Angaben durchsetzen, dass der Hund als gefährlicher Hund angemeldet wird. Dann gelten automatisch bestimmte Auflagen, wie etwa Maulkorb- und Leinenpflicht. Nur Menschen über 18 Jahren und mit Sachkundenachweis dürfen solche Hunde Gassi führen. Zudem müssen Räume und Garten ausbruchsicher sein. Doch gegen diese Einstufung hat der Besitzer laut Stadt geklagt. Das Verwaltungsgericht habe entschieden, es handele sich nicht um einen gefährlichen Hund. Nun ist das Tier lediglich als großer Hund eingestuft und angemeldet.   

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Nach dem Tod des kleinen Harley muss der auffällige Nachbarshund nun schlussendlich doch Maulkorb tragen und immer an der Leine geführt werden. Dies hat das Ordnungsamt im laufenden Jahr insgesamt zehnmal für verschiedene Hunde angeordnet. Doch wird überprüft, ob sich die Hundebesitzer auch daran halten? „Bei den Streifen kontrolliert der Kommunale Ordnungsdienst im Rahmen von Hundekontrollen, ob die Hunde angemeldet und versteuert sind und ob die Anleinpflicht oder gegebenenfalls eine Maulkorbpflicht eingehalten wird“, antwortet die Stadt.

Immer wieder Beißvorfälle

Die Zahl der beim Ordnungsamt gemeldeten Beißvorfälle schwankt. Im laufenden Jahr wurden bislang zwölf Fälle gemeldet. Dabei wurden sechs Menschen und sieben Tiere verletzt. 2023 kam es im gesamten Jahr zu zwölf Hundeangriffen. 2022 waren es 22 Fälle.

Eine Begutachtung durch das Veterinäramt erfolgt in der Regel immer dann, wenn ein Hund ein anderes Tier oder einen Menschen gebissen hat, ohne dass er sich verteidigen musste. Eine Verletzung, die aufgrund einer arttypischen Rauferei unter Hunden entsteht, rechtfertige nicht zwangsläufig die Anordnung einer Anlein- und Maulkorbpflicht sowie die Begutachtung des Hundes, so das Ordnungsamt.

Die Haltung von als gefährlich eingestuften Rassen und von „bestimmten“ Rassen (etwa Rottweiler oder American Bulldog) muss von der Stadt vorab genehmigt werden. Dann wird etwa auch der Ort, an dem das Tier leben soll, vom Ordnungsamt auf Ausbruchssicherheit geprüft. Wie viele Hunde in Witten leben, die zu den „gefährlichen“ oder „bestimmten“ Rassen zählen, weiß die Stadt nach eigenen Angaben nicht. Dazu werde keine gesonderte Statistik geführt.