Witten. Um Punkt 12.30 Uhr hat die Postbank in Witten am Freitag für immer geschlossen. Um Briefe und Pakete kümmert sich bald ein 25-Jähriger.

Die Hauptpost in Witten ist Geschichte. Am Freitagmittag (16.8.) schloss das große Ladenlokal in der Stadtgalerie, in dem Bankberatung und Postfiliale vereint waren, endgültig. Um 12.30 Uhr fuhr das Rollgitter zu Boden, obwohl draußen noch Kunden warteten. Um Briefe und Pakete kümmert sich fortan Muhammed Baydaroglu (25) in seinem Geschäft an der Hauptstraße 35. Er will täglich bis 18 Uhr öffnen.

Der letzte Öffnungstag der Postbank ist eher ruhig. Wie zuletzt so häufig ist der Geldautomat defekt, die Finanzberatung längst ausgezogen. Die Regale, in denen man Briefumschläge oder Kartons kaufen konnte, sind leergeräumt.

Joachim Drell möchte gerade Postkarten einwerfen. Aber - der Briefkasten in der Stadtgalerie und der Briefmarkenautomat wurden schon abgebaut. Dort klafft jetzt ein Loch in der Wand. „Das ist eine Katastrophe, total unverständlich“, so Drell, der bei den Grünen aktiv ist. „Ich hätte es verstanden, wenn die Post sich verkleinert hätte. Wer so einen zentralen Standort aber ganz aufgibt, schneidet sich ins eigene Fleisch“, findet er. Zumindest kann der Wittener den großen Briefkasten draußen vor dem Gebäude in der Poststraße nutzen. Der bleibt bestehen.

Mitarbeiter in Nachbarstädte versetzt

Bis zuletzt gibt es eine Schlange vor den beiden geöffneten Schaltern der Postbank in der Stadtgalerie. Die Mitarbeiter müssen nicht nur Briefe und Pakete frankieren, sondern auch Fragen zum Konto klären. Nach dem letzten Arbeitstag in Witten werden sie in Filialen in den Nachbarstädten versetzt - sofern für sie keine Altersregelung greift.

Der letzte Moment: Die Postbank in der Stadtgalerie schließt am Freitag um 12.30 Uhr. Die junge Mutter vor der Filiale wird nicht mehr bedient.
Der letzte Moment: Die Postbank in der Stadtgalerie schließt am Freitag um 12.30 Uhr. Die junge Mutter vor der Filiale wird nicht mehr bedient. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die Kunden und Kundinnen sind allesamt enttäuscht. Hartmut (79) kommt regelmäßig aus Herdecke nach Witten - weil die Post dort schon vor einem Jahr geschlossen hat. „Wo bekomme ich denn jetzt meine Kontoauszüge“, fragt er sich. Nach Jahrzehnten als Stammkunde sei es ihm zu umständlich, das Konto zu wechseln. „Ich bin nicht nur traurig, ich bin entsetzt“, sagt er. „Nirgendwo wird den Leuten geholfen.“

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97-Jährige aus Witten: „Armes Deutschland. Das gibt es doch nicht“

Ähnlich sieht es Heike Drexelius. Die 72-Jährige aus dem gleichnamigen Fitnessstudio erledigt die Bankgeschäfte für ihre über 97-jährige Mutter. Seit 60 Jahren ist diese Postbankkundin und beharrt auf ihre Kontoauszüge. Bei der Nachricht, dass sich die Hauptpost aus Witten verabschiedet, habe diese nur gesagt: „Armes Deutschland. Das gibt es doch nicht.“ Heike Drexelius pflichtet ihr bei: „Gerade hier! Witten ist eine Stadt mit so vielen alten Bürgern.“

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Laut Postbanksprecher Oliver Rittmaier wird das Ladenlokal in der Stadtgalerie vollständig geräumt, auch die Selbstbedienungsgeräte wie Geldautomat oder Kontoauszugdrucker. Unklar ist, wann sich die Deutsche Post als Hauptmieter komplett aus der Stadtgalerie verabschiedet. Laut Center-Geschäftsführung läuft der Mietvertrag noch. Die Postbank möchte zur Zukunft der Räumlichkeiten keine Aussage treffen.

Mehmet Dogan betreibt auch Postfiliale in Witten-Annen

Gesprächsfreudiger ist Muhammed Baydaroglu. Sein Geschäft wird als neue Filiale in Witten für Postdienstleistungen beworben. Vor drei Wochen haben der 25-Jährige und sein Partner Mehmet Dogan die Räume in einem ehemaligen Friseursalon an der Hauptstraße 35 bezogen, fernab der Einkaufsmeile Bahnhofstraße.

„Deutsches Phone“ nennt sich ihr Laden. Links gibt es Handyzubehör, Mobilfunkverträge, aber auch Reisen und Versicherungen. Die rechte Hälfte sieht wie eine klassische Postfiliale aus. Dort werden bald auch die Postfächer aufgebaut.

Fernab der Einkaufsmeile Bahnhofstraße: die neue Postfiliale an der Hauptstraße 35 in Witten.
Fernab der Einkaufsmeile Bahnhofstraße: die neue Postfiliale an der Hauptstraße 35 in Witten. © WAZ | Susanne Schild

Mehmet Dogan betreibt mehrere solcher Geschäfte, die ja meist eine Kombination aus Post und Kiosk oder Schreibwarenladen sind. Dazu zählt auch seit zehn Jahren die Postfiliale in Annen an der Bebelstraße. Der Gelsenkirchener Muhammed Baydaroglu, der meist in Witten anzutreffen sein wird, war bislang in der Mobilfunkbranche tätig.

Postbankkunde hat wütend gekündigt

Er freut sich sehr auf die neue Aufgabe. Die Öffnungszeiten (9 bis 12.30 und 14.30 bis 18 Uhr) sind kundenfreundlicher und der neue Postmann möchte es auch sein. „Man kann vor der Tür kurz mit dem Auto halten und ich habe auch schon Kunden geholfen, ihr Paket einzupacken“, sagt Baydaroglu. Eines jedoch findet auch er unglücklich.

Allein in dieser Woche seien schon 20 Kunden bei ihm gewesen, die eigentlich die Postbank suchen. Er kümmere sich aber nur um Briefe und Pakete. Die Bankkunden können die Automaten der Deutschen Bank nutzen, für Wichtigeres schickt er sie zur Bochumer Filiale.

Wie das ankommt, zeigt die Reaktion von Norbert P. (68): „Ich habe vor einem Monat gekündigt“, sagt der Rentner. Nach 40 Jahren als Postbankkunde ist er jetzt zur Wittener Targobank gewechselt. Die Schließung war nur das i-Tüpfelchen. Am meisten geärgert hat ihn, „dass denen von der Postbank alles so gleichgültig ist“.

Abschied nach 164 Jahren

Nach 164 Jahren gibt es nun keine Hauptpost mehr in Witten. In der Poststraße 9 hatte alles angefangen, bevor es 1876 mit einem kaiserlichen Postamt Ecke Bahnhofstraße und nach dessen Zerstörung mit verschiedenen Notquartieren weiterging.

1966 wurde dann - zusammen mit dem City-Center - das große Postgebäude errichtet, das 2007 wiederum mit dem City-Center für die Stadtgalerie abgerissen wurde. Bevor die Post 2009/2010 in die Galerie zog, war sie übergangsweise sogar noch in dem damaligen Gebrauchtwarenkaufhaus Novum untergebracht.

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