Witten. . In der Poststraße in der Wittener Innenstadt dreht sich viel um die Gastronomie und das Nachtleben. Und um die Post, die ein ums andere Mal umgezogen ist. Die ältesten Bruchsteinhäuser, die mit den vorspringenden Treppen, wurden 1853 bis 1863 errichtet.
Die Poststraße verläuft zwischen Bahnhofstraße und Humboldtplatz, zwischen Fußgängerzone und Wiesenviertel. Sie ist nur 351 Meter lang – aber voller Geschichte und Geschichten. Die Post, nach der sie benannt ist, gibt es dort seit 1860 (Poststr. 9), dann 1876 als kaiserliches Postamt (Ecke Bahnhofstraße). Nach dessen Zerstörung am 12. Dezember gab es mehrere Notquartiere (1950 im ehemaligen Pferdestall der Firma Hemsoth), dann 1966 den Neubau - der gemeinsam mit dem City-Center vor fünf Jahren der Stadtgalerie wich. Die ältesten Bruchsteinhäuser, mit vorspringenden Treppen, wurden 1853 bis 1863 errichtet.
Das war früher mal ein Julia-Balkon, wie bei Romeo und Julia. Ich blicke von hier aus oft auf die Poststraße runter – halte aber natürlich nur nach meinem Mann Ausschau. Der Balkon steht unter Denkmalschutz. 1989 sind wir hier ins Haus der Schwiegereltern gezogen. Die Lage ist ideal: Stadtgalerie, Fußgängerzone und Bahnhof direkt vor der Tür. Allerdings ist es hier an den Wochenenden schon laut durch die Kneipe. Bei offenem Fenster kann ich da nicht schlafen. Renate Hahn, 74
Ich wohne schon immer hier und will auch nicht weg. Bis vor vier Jahren hatte wir hier die kleine Bäckerei Buhlmann geführt. Seit einem Jahr ist da das Tattoo-Studio drin. Ich arbeite jetzt in der Cafeteria des Diakonissenhauses. Brötchen backt mein Mann Rudolf aber immer noch in der Backstube hinterm Haus – die sind handgemacht. Man kann sie dort bekommen. Wir beliefern aber auch das Rathaus, das Hotel nebenan und ein Restaurant. Vor dem Haus gibt es jetzt durch die Stadtgalerie viel Verkehr. Aber hinterm Haus haben sich einige hier ihr kleines Paradies eingerichtet. Gitta Buhlmann, 55
Meine Mutter hat die „Alte Post“ 1961 eröffnet. Direkt nach dem Krieg war in einer Hälfte auch zeitweise die Briefpost drin. Gegenüber gab es mal das „Queen Victoria“, eine Diskothek, dann hieß es „Borsalino“, „Voyage“ und am Ende „Rollis Disco Pub“. Es gab das „Bounty“, eine Kneipe, in der Videofilme liefen, und das „Babylon“, eine Disko im City-Center. Um die Ecke gab’s im Monopol ein Jugo-Restaurant, die Disko „Dele“, das „Tango d’Amour“, eine Nachtbar. Der „D-Zug“, der mal „Il Treno“ hieß und jetzt wieder „D-Zug“, war eine der kultigsten Kneipen überhaupt: lang und schmal, deshalb nannte man die auch einfach den „Saufschlauch“. Als es das Bermudadreieck noch nicht gab, hatte Witten eine richtig coole Kneipenmeile. Da kamen Leute aus Hattingen, Sprockhövel, Wetter und Wengern, um hier zu feiern. Heute sind davon fast nur das „Klimbim“ und die „Alte Post“ geblieben.
Thorsten Wottrich, 47, Wirt
Unser Hotel Garni – mit Frühstück – wird von ganz unterschiedlichen Gästen genutzt. Es kommen Handwerker auf Montage, Leute, die ihre Eltern in der Boecker-Stiftung besuchen, oder Professoren, die nur zwei, drei Tage an der Uni sind. Ich bin froh, dass die Diskothek weg ist und es auch um die Kneipen ruhiger geworden ist. Unsere Gäste wollen nachts schlafen. Doris Kirbschus, 60
Offiziell ist das hier Poststraße, aber mein Kiosk heißt „Berliner Kiosk“, weil er auch an der Berliner Straße liegt. Wir sind nicht die klassische Trinkhalle, sondern mehr jugendorientiert. Es gibt hier sehr coole Klamotten und wir sind befreundet mit der Wittener Rappergang „Untouchable“. Hier an der Stadtgalerie verfahren sich immer noch Fahrer von 7,5-Tonnern, die ihr Navi hierhinführt. Früher konnten sie hier besser drehen. Die Pollerstange vor der Stadtgalerie kann man 20-mal im Jahr auswechseln.
Cem Caparogullari, 27, führt seit zwei Jahren den „Berliner Kiosk“.
Haus Fründt gibt es seit über 130 Jahren. Ich habe es mit meinem Mann Andreas vor elf Jahren übernommen. Der Liebe wegen bin ich von Hattingen nach Witten gekommen.
Das Feuer am 5. Oktober war natürlich ein harter Schlag für alle. Es war Brandstiftung, das steht fest. Da hat einer was in den Flur geschmissen. Das war nicht nur eine Zigarette, hat eine Polizistin gesagt.
Wir waren selbst nicht da und sind heilfroh, dass kein Mensch bleibenden Schaden genommen hat. Sachschaden kann man reparieren. Der liegt bei 200 000 Euro, zum Glück sind wir versichert. Wir haben das Gelände hinten aufschütten lassen und den Eingang vorübergehend dorthin verlegt. Dort gibt es auch einen zweiten Notausgang. Ende Januar, Anfang Februar soll alles fertig sein.
Seit zwei Wochen haben wir wieder eröffnet - teileröffnet. Denn auf einen Raum müssen wir noch verzichten. Alle geplanten Treffen und Gesellschaften können aber stattfinden. Unsere Gästen kommen auch wieder, die Resonanz ist sehr gut. Sie freuen sich, dass wir wieder da sind. Wir sind froh, dass wir wieder in die Zukunft blicken können.
Doris Veit, 53