Witten. Weniger Ausbildungsplätze, mehr Interessierte: Einen Bewerbermarkt sieht die Arbeitsagentur nicht mehr. Doch es gibt Chancen. Die IHK nennt Zahlen.
Eine überraschende Wende gibt es auf dem Ausbildungsmarkt. Anders als in den Vorjahren ist die Bewerberschar seit Oktober 2023 wieder größer geworden. Gleichzeitig sank die Zahl der Ausbildungsplätze. Dennoch hätten bislang unversorgte Bewerberinnen und Bewerber zum Start des neuen Ausbildungsjahrs noch Chancen, sagt Arbeitsagentursprecher Ulrich Brauer.
Mehr Arbeitslose
Auf dem Arbeitsmarkt im Ennepe-Ruhr-Kreis haben sich laut Agentur für Arbeit in Hagen die Sommerferien bemerkbar gemacht. Die Arbeitslosenquote kletterte im Juli um 0,2 Punkte auf 7,2 Prozent. Damit stieg sie binnen Jahresfrist um 0,1 Punkte.
Die Arbeitslosigkeit nahm kreisweit zu. Allerdings gab es zwischen den Städten im Kreisgebiet große Unterschiede. Die kleinsten Anstiege hatten Hattingen (plus sechs Personen auf 1.775 Arbeitslose), Breckerfeld (+ 14 auf 245), Ennepetal (+ 19 auf 1.174), Sprockhövel (+ 24 auf 513) und Schwelm (+ 26 auf 1.539).
Größere Zuwächse indes gab es in Herdecke (+ 37 auf 712), Gevelsberg (+ 40 auf 1.106), Wetter (+ 51 auf 887) und Witten (+ 150 auf 4.665).
870 junge Menschen aus Witten, Wetter und Herdecke haben sich bis Ende Juli um einen Ausbildungsplatz beworben (+ 10,7 Prozent). Bis heute gelten noch 237 als unversorgt (+ 17,9 Prozent).
Weniger unbesetzte Stellen: Aber dafür wurde die Bewerberschar größer
Der umgekehrte Trend ist beim Ausbildungsplatzangebot zu beobachten. Die Zahl der offenen Stellen schrumpfte um glatte 19 Prozent. Noch deutlicher sank die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze – um 38,7 Prozent auf 274.
Auf 100 gemeldete Ausbildungsplätze kommen 123 Bewerberinnen und Bewerber. Noch im Vorjahr gab es mehr offene Stellen als Interessierte. Arbeitsagentursprecher Brauer spricht von einer Normalisierung des Ausbildungsmarkts. „Wir hatten nach Corona eine Sondersituation.“ In der Zeit der Pandemie hätten Unternehmen die Ausbildung vorübergehend hinten angestellt. Danach hätten sie das Versäumte nachgeholt. Inzwischen habe sich die Lage auf dem Markt beruhigt.
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Die Top 10 der beliebtesten Ausbildungsberufe auf Kreisebene entspricht teilweise eher traditionellen Rollenmustern. Bei Mädchen liegt die Medizinische Fachangestellte und Bürokauffrau weit vorne. Mit deutlichem Abstand folgen die Verkäuferin, die Kauffrau im Einzelhandel, aber auch die Fachinformatikerin und Industriekauffrau. Auf den letzten Plätzen rangieren Ausbildungsgänge, die einst in klassische Männerberufe führten: Energieelektronikerin, Automobilkauffrau und Zerspanungsmechanikerin.
144 offene Stellen
Mit Start des Ausbildungsjahres 2024/25 hat die IHK Mittleres Ruhrgebiet 1.678 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den Städten Bochum, Herne, Witten und Hattingen verzeichnet - ein Plus von 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vor allem die industriell-technischen Ausbildungsberufe legten mit zehn Prozent deutlich zulegen.
Insgesamt zählt die IHK aktuell 1136 Ausbildungsbetriebe im Kammerbezirk, davon 646 in Bochum, 214 in Herne, 164 in Witten und 112 in Hattingen.
In der Lehrstellenbörse der IHK Mittleres Ruhrgebiet sind aktuell 144 offene Stellen im Kammerbezirk verzeichnet. Mehr Infos: www.ihk-lehrstellenboerse.de
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Bei den Jungen steht der Beruf des Kfz-Mechatroniker weit vorn auf der Liste der unterzeichneten Ausbildungsverträge. Beliebt sind auch die Ausbildungsgänge Anlagenmechaniker, Fachinformatiker, Kaufmann, Verkäufer, Fachinformatiker, Industriekaufmann, Elektroniker, Automobilkaufmann und Zerspanungsmechaniker.
Bei den Top 3 der unbeliebtesten Berufe unter jungen Leuten (Männer wie Frauen) finden sich alte Bekannte: Kaufleute im Einzelhandel, Verkaufspersonal sowie Zahnmedizinische Fachangestellte.
Arbeitsagentursprecher Ulrich Brauer macht den bisher noch unversorgten Bewerbern Mut. „Es ist noch viel in Bewegung. Der Ausbildungsmarkt ist noch lange nicht zu“, sagt er. Das neue Ausbildungsjahr beginne üblicherweise am 1. August. Es gebe aber zahlreiche Ausbildungsgänge, die erst am 1. September starten – etwa im Öffentlichen Dienst oder in Büroberufen.
Selbst vermeintlich schon besetzte Stellen werden nach Einschätzung Brauers zuweilen nach kurzer Zeit wieder ausgeschrieben.„Mancher Bewerber sagt sich: Oh, das war nicht das Berufsziel, das ich mir vorgestellt habe, da orientiere ich mich um.“ Quer durch die Branchen stellt der Arbeitsmarktexperte einen Trend fest, dass Ausbildungen vermehrt abgebrochen werden, im Handwerk und gewerblichen Bereich öfter als in Bürojobs.
Abbrecher steigt - deshalb werden bald wieder Ausstellungsstellen frei
Brauer appelliert an junge Leute, die noch keine Ausbildungsstelle haben: „Melden!“ Hilfestellung leistet beispielsweise die „Jugendberufsbildung Agentur“, Schlachthofstraße 27 (02302-204-5880; 0800-4-555500; jba-witten(@)en-kreis.de). Brauer weiß, dass der berufliche Nachwuchs nach wie vor persönliche Beratung schätzt. Das Onlineangebot während der Pandemie habe nur teilweise die erhofften Ergebnisse gebracht.
Derweil stellen sich Betriebe darauf, dass sie mittelfristig wieder einen Bewerbermarkt haben. Es werde, ahnt Brauer, mehr Stellen als Interessierte geben. Der ausscheidenden Generation Babyboom folgen geburtenschwache Jahrgänge.
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