Witten. Beim Essen, im Bett: Überall starren wir aufs Handy. Und streiten deswegen. Muss das sein? Anne Milek von der Uni Witten/Herdecke will es wissen.

Das Handy ist aus unserem Leben kaum noch wegzudenken. Doch wenn das Smartphone stets die Hauptrolle spielt, kann das zu Konflikten führen. Beim so genannten „Phubbing“ fühlt sich jemand zurückgesetzt, weil sein Gegenüber ständig mit dem Gerät beschäftigt ist. Anne Milek (41), Professorin für Gesundheitspsychologie an der Uni Witten/Herdecke, untersucht gerade, wie sich alltägliche Smartphone-Nutzung auf Paar-Beziehungen auswirkt.

Frau Milek, dass das Handy für Ärger sorgen kann, ist ja nicht wirklich neu. Warum muss man das erforschen?

Anne Milek: Wenn jemand im Gespräch häufig auf sein Handy schaut, dann fühlt sich der Partner oder die Partnerin wenig wertgeschätzt und ärgert sich. Oft ist das nur ein kurzfristiges Gefühl. Doch wenn so etwas regelmäßig passiert, dann kann das auf Dauer sehr am Selbstwertgefühl kratzen und im schlimmsten Fall mit depressiven Symptomen zusammenhängen.

Dazu gibt es doch sicher schon Studien. Was ist denn Ihr Ansatz?

Ein Großteil der Forschung zu negativen Auswirkungen häufiger Handy-Nutzung beruht auf Selbstberichten. Dabei wird gefragt: Wie oft nehmen Sie wahr, dass Ihr Partner das Handy zückt? Was noch nicht untersucht wurde: die objektive Wahrnehmung. Zu gucken, wie oft das tatsächlich der Fall ist - und nicht nur gefühlt.

Anne Milek Uni Witten
Anne Milek (41) arbeitet seit September 2022 als Professorin für Gesundheitspsychologie an der Uni Witten/Herdecke. Sie stammt aus Potsdam und lebt mit ihrer Familie in Münster. © Universität Witten Herdecke Porträt | V o l k e r W i c i o k | Universität Witten Herdecke Porträt | V o l k e r W i c i o k

Wie machen Sie das?

Paare, die an unserer Studie teilnehmen - wir suchen übrigens noch weitere Interessierte - bekommen eine App aufs Handy, die das Nutzungsverhalten trackt, also genau verfolgt, wie oft das Telefon in Betrieb ist.

Es kommt aber auch sehr auf die Situation an, in der sich das Paar befindet, oder?

Natürlich gibt es Gemütszustände, die einen extrem verletzlich machen, etwa nach einem stressigen Tag. Wenn man allerdings zusammen auf der Couch sitzt, gemeinsam überlegt, was man am Wochenende unternehmen kann, und der Partner dann das Wetter checkt, ist das nicht negativ. Würde er nebenbei nach Fußballergebnissen schauen, wäre das schon wieder etwas anderes. Würde er bei einem langweiligen Film am Handy daddeln, sollte das wiederum kein Problem sein. Allerdings empfindet da auch jedes Paar anders.

Klingt irgendwie banal...

...ist aber trotzdem ein wichtiger Forschungsbereich für die menschliche Gesundheit. Außerdem untersuchen wir, ob das Phubbing zu Beziehungsproblemen führt oder - im Gegenteil - Beziehungsprobleme die Handynutzung verstärken. Für viele Situationen gibt es zwar logische Erklärungen, aber noch keine Daten.

Lesen Sie auch

Sie untersuchen also, wie oft gedaddelt wird, worum es dabei geht und wann es geschieht. Was machen Sie dann mit den Ergebnissen?

Interessant ist ja, dass vielen klar ist, wenn sie das Handy zu oft nutzen. Man könnte nun erwarten, dass sich das Verhalten ändert - was aber meist nicht der Fall ist. Das ist ein interessanter Ansatz für psychologische Erkenntnisse. Wir wollen Handlungsempfehlungen bieten, eine Art Knigge für die Handy-Nutzung. Allen voran: Die Paare sollten sich darüber austauschen, warum sie in bestimmten Situationen aufs Handy schauen, und differenzieren, ob das gerade hilfreich ist oder nicht: Schaue ich gerade nach dem Busfahrplan. Oder chatte ich nur mit einer Freundin. In einer ruhigen Minute könnte man sich auf Regeln einigen. Zum Beispiel, dass das Handy nachts am Bett nichts zu suchen hat.

Wie stehen Sie selbst zum Thema Handy-Nutzung?

Ich will das keinesfalls verteufeln. Das Smartphone erleichtert auch viel. Aber es verändert gesellschaftliche Bereiche. Früher haben wir uns Fotoalben angeschaut, heute gucken wir die Bilder auf dem Handy. Ich finde es zum Beispiel selbst schade, dass ich meistens nicht mehr meine richtige Kamera mitnehme.

Wann ist bei Ihnen das Handy tabu?

Beim Abendbrot mit meinem Partner und unseren beiden Kindern hat es nichts verloren. Auch bei bestimmten Aktivitäten lege ich es außerhalb meines Blickfelds. Es ist auch mal schön, wenn man nicht erreichbar ist, etwa wenn man abends Besuch hat und gemütlich Doppelkopf spielt. Oder wenn ich mit meinem Partner ausgehe, also „Paarzeit“ genießen will. Dann darf das Handy nur für Notfälle, also etwa für Anrufe des Babysitters, genutzt werden. Es ist sonst wie eine dritte Person im Raum.

Kann zu viel Handy-Nutzung tatsächlich die Liebe killen?

Das glaube ich nicht. Es ist nur ein Symptom von vielen, wenn es in Beziehungen nicht läuft. Aber es kann subtil Prozesse verschlimmern, etwa das Gefühl: Mein Partner nimmt mich nicht ernst. Das sollte man auf dem Schirm haben.

Uni sucht Teilnehmende für Studie

Anne Milek arbeitet als Professorin für Gesundheitspsychologie an der Fakultät für Gesundheit (Department für Psychologie und Psychotherapie) der Universität Witten/Herdecke. Ihre Schwerpunkte sind: Familiendynamik, Paarbeziehungen und Smartphone-Nutzung.

Milek hat eine vom Land NRW geförderte Studie entwickelt mit dem Titel: „Der Alltag von Paaren in einer digitalisierten Welt“. Dafür sucht sie noch Teilnehmende. Die Teilnahme kann auch von zuhause aus erfolgen. Die Paare erhalten ein psychologisches Feedback und eine Vergütung. Weitere Infos unter: https://www.familienpsychologie-forschung.de​

Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.