Witten. Grauer Himmel und immer wieder starker Regen: Da werden Erinnerungen an die Jahrhunderflut 2021 wach. Das passierte vor drei Jahren in Witten.

Erst musste das Public Viewing bei der Fußball-EM im Freibad Witten-Annen dran glauben, jetzt steht die Hüpfburgenwelt am Kemnader See im Wasser. Hatte der Veranstalter noch mit einer einzelnen Wasserrutsche geworben, wird man nun auf jeder Rutsche nass. Am Freitag (12.7.) fiel das Hüpfen wegen des schlechten Wetters flach, am Samstag soll es weitergehen. Das ist ärgerlich, aber kein Vergleich zu dem, was vor fast genau drei Jahren vom Himmel fiel.

Die Jahrhundertflut ließ die Ruhr am 14. und 15. Juli 2021 über ihre Ufer treten - in einem nie dagewesenen Ausmaß. Anwohner „In der Lake“ und am „Alten Fährweg“ in Heven wurden ebenso wie der Campingplatz Steger in Bommern vom Rest der Stadt abgeschnitten. Mehrere Camper schwebten zeitweise in Lebensgefahr. Kräfte von Feuerwehr und DLRG ackerten im Dauereinsatz. Ein Blick zurück.

So schlimm schüttete es am Mittwoch in der Wittener Innenstadt

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Im Sommer vor drei Jahren hätte man mit solchen Wolkenbrüchen, wie sie in diesen Tagen immer wieder vorkommen, vermutlich gut leben können. Damals prasselt der Regen zwar nicht unbedingt so stark wie zuletzt immer wieder. Aber dafür hört er einfach nicht auf. Am Mittwoch, 14. Juli 2021, ist es endgültig zu viel. Gegen 15 Uhr überschreitet die Ruhr mit einem Pegelstand von 5,32 Metern erstmals die Hochwassermarke (5,12 Meter). An normalen Tagen liegt der Pegel bei etwa zwei Metern. Trotzdem ist es noch vergleichsweise ruhig in der Stadt, während die Nachbarn in Hagen schon längst „Land unter“ melden.

Wenige Minuten nach Anpfiff gab es für die Gäste im Wittener Freibad beim Public Viewing gegen Dänemark nur ein Standbild zu sehen. Die Besucher wurden aufgefordert, das Gelände wegen des Gewitters zu verlassen
Wenige Minuten nach Anpfiff gab es für die Gäste im Wittener Freibad beim Public Viewing gegen Dänemark nur ein Standbild zu sehen. Die Besucher wurden aufgefordert, das Gelände wegen des Gewitters zu verlassen © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Gut zweieinhalb Stunden später fährt die Feuerwehr auch in Witten einen Einsatz nach dem anderen. Am Ende sollen es um die 350 werden. Straßen werden überspült, das Wasser dringt in Gebäude ein, die Ruhr steigt und steigt. „Überall laufen die Keller voll“, meldet die Einsatzleitung. Besonders hart trifft es in der darauffolgenden Nacht zwei Bochumer, die gar keinen Keller haben.

Conny und Detlev Wehmeier schlafen in ihrem Wohnwagen auf dem Campingplatz Steger - direkt an der Ruhr. Ursprünglich wollten die beiden abreisen, hatten es aber nicht rechtzeitig geschafft. „Wir saßen hier im Wohnwagen und dachten: um Gotteswillen. Das muss doch langsam aufhören. Es regnete wie Sau“, erinnert sich Detlev ein Jahr nach dem Vorfall.

Es hört aber nicht auf. „Als ich aufwachte, lagen meine Füße schon im Wasser“, sagt seine Ehefrau. Gegen zwei Uhr ist es den beiden endgültig zu viel. Sie rufen die Feuerwehr. Bei deren Ankunft habe ihr das Wasser fast bis zum Kinn gestanden, sagt Conny. Per Schlauchboot befreien die Einsatzkräfte die beiden Camper sowie Platzbetreiber Peter Steger und dessen Frau aus ihrem nassen Gefängnis.

Das Jahrhunderthochwasser hat den Campingplatz Steger und seine Bewohner hart getroffen. Klaus Neuhoff versucht, in den damals verhängnisvollen Julitagen den Stellplatz seines Wohnwagens wieder herzurichten.
Das Jahrhunderthochwasser hat den Campingplatz Steger und seine Bewohner hart getroffen. Klaus Neuhoff versucht, in den damals verhängnisvollen Julitagen den Stellplatz seines Wohnwagens wieder herzurichten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

An der Lakebrücke evakuieren die Einsatzkräfte ebenfalls mit Booten die Anwohner in ihren vom Wasser eingeschlossenen Häusern. Die Ruhr ist in der Nacht zu Donnerstag (15. Juli) auf einen Rekordwert von über sieben Metern gestiegen. Dieser Teil von Heven und Herbede wird, ähnlich wie Steger an der Uferstraße, regelrecht zur Insel.

DLRG und Feuerwehr DLRG bringen um die 50 Mensche in Sicherheit, unter ihnen: Dagmar Linde. Auch sie hatte sich schlafen gelegt und wurde von der Flut überrascht. Mitten in der Nacht wird sie wach und versucht, die Sandsäcke zu sichern, die sie im Garten platziert hatte. Das hätte sie das Leben kosten können. „Es kam eine richtige Flutwelle. Die hätte mich beinahe weggerissen, durch das Gartentor in die Ruhr.“

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Kehren wir ins Jahr 2024 zurück, in diesen bisher ebenfalls ziemlich verregneten Juli. Doch obwohl es oft wie aus Kübeln schüttet, deutet wenig auf eine Wiederholung der Sommerkatastrophe 2021 hin. Denn es wird momdentan kein Dauerregen angekündigt. Der für Witten maßgebliche Ruhrpegel bei Wetter hat noch nicht mal die Zwei-Meter-Marke erreicht.

Was die nächsten Veranstaltungen angeht - etwa Kultursommer oder Wittener Tafelmusik -, muss man in diesen Tagen natürlich immer wieder mit Schauern rechnen. Das Kulturforum hat mit Pavillons vorgesorgt. Gießt es zu heftig, könnten die Konzerte im Hof von Haus Witten eventuell ins Gebäudeinnere verlegt werden. Bei dem Wetter hilft wirklich nur heißer Rock.

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