Witten. Die Wittener Frauenberatung „Gesine“ streitet mit dem Kreis um Zuschüsse. Räume in der Innenstadt sind schon gekündigt. So geht es nun weiter.
Jahrelang saß die Frauenberatung „Gesine“ an der Ecke Augusta- und Luisenstraße unweit der Wittener City. Wittenerinnen, die etwa vor einem gewalttätigen Partner flüchten wollten, fanden hier Unterstützung. Wer dort aber aktuell Hilfe suchen sollte, steht vor verschlossenen Türen.
Denn der Trägerverein „Frauen helfen Frauen“ musste die Räume kündigen. Dahinter steckt eine Auseinandersetzung mit dem EN-Kreis um die Finanzierung der Frauenhilfe. Der Verein berät derzeit aber mit Hilfe von Spenden an einem anderen Ort weiter.
Uneinigkeit bei den Sachkosten für die Frauenhilfe
Schon Ende letzten Jahres ist die bisher gültige „Leistungs- und Vergütungsvereinbarung“ (LVV) zwischen Kreis und Trägerverein ausgelaufen. Und eine neue ist noch nicht abgeschlossen. Heißt: Seit Januar erhält die Frauenberatung keine Zuschüsse mehr. Sonst waren es 100.000 Euro im Jahr. Neben dem Geld vom Kreis erhält „Gesine“ aber auch Mittel vom Land, der Kreis ist also nur Mitfinanzierer.
Die Verhandlungen über die neue LVV hätten sich hingezogen und „schwierig gestaltet“, sagt dazu Kreissprecher Ingo Niemann. Im Kern geht es dabei um die Sachkosten. Mit dieser Pauschale muss der Verein alle anfallenden Nebenkosten wie etwa Bürobedarf oder Fortbildungen bezahlen.
Darunter fallen aber auch die Mietkosten. Und genau über die gibt es Uneinigkeit. Da die Verhandlungen noch laufen, wollen sich beide Parteien nicht zu tief in die Karten schauen lassen. Bislang war „Gesine“ mit Beratungsangeboten in Schwelm (Hauptstandort), Hattingen, Herdecke und Witten vertreten. Auch in der neuen Vereinbarung ist festgeschrieben, dass es Angebote in Schwelm, Hattingen und Witten geben muss.
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Fakt ist: Ende März 2024 verließ „Gesine“ die angestammten Räume in der Wittener Innenstadt. Der Träger habe das „zur Minimierung der Sachkosten“ und „in Absprache mit der Kreisverwaltung“ getan, sagt Kreissprecher Ingo Niemann. Im Gegenzug habe die Verwaltung angeboten, bei der Suche nach neuen Räumen „zur Mitnutzung behilflich zu sein“.
„Wir sehen uns nicht in der Lage, das alleine zu finanzieren“
Andrea Stolte, Leiterin der Frauenberatung, sagt hingegen: „Wir wurden aufgefordert, die Räume zu kündigen, weil es dafür keine Finanzierung mehr gibt.“ Der Kreis wolle diese Kosten nicht mehr anerkennen. „Aber wir sehen uns nicht in der Lage, das alleine zu finanzieren.“
Zudem sei eine wohnortnahe Beratung von Frauen in Not „ein hohes Gut“, betont die 61-Jährige. Gerade bei häuslicher Gewalt komme es auf kurze Wege an, da den Frauen oft nicht viel Freiraum gelassen werde. „Die Frauen sind oft in Notsituationen, wenn sie bei uns anrufen“, sagt Gesine-Mitarbeiterin Kathleen Schmalfuß. „Es ist wichtig, dass wir gut und schnell erreichbar sind.“
Um die Hilfe aufrechterhalten zu können, hat der Verein Räume im Unikat-Gebäude an der unteren Bahnhofstraße angemietet - zu sehr günstigen Konditionen. Die Stadt Witten hat die Miete für Juni übernommen. Für den Juli würden noch Spendengelder bereitstehen, sagt Stolte. Doch wie geht es dann weiter? Diese Frage lässt auch die Wittener Politik nicht kalt.
Wittener Politik will sich für Erhalt der Beratungsstelle einsetzen
Im letzten Sozialausschuss wurde deshalb ein gemeinsamer Antrag von Grünen, CDU und SPD eingebracht und verabschiedet. Dieser setzt sich für einen Standort in Witten ein. Zusammen mit Kreis und „Gesine“ will die Verwaltung nun beraten, wie es weitergehen könnte. „Das ist ein klares Signal, das wir an alle Wittenerinnen senden wollen“, sagt dazu SPD-Ratsfrau Christine Rose. Und hier kommt ein weiterer Konfliktpunkt ins Spiel.
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Der Kreis hatte angeboten, dass „Gesine“ in Zukunft im neuen Gesundheitsamt einen oder mehrere Räume mitnutzen können werde. Das Amt will nach Fertigstellung des neuen Medizinzentrums an der Pferdebachstraße dort einziehen, angepeilt war ein Termin im Sommer. Das sei aber „an den zeitlichen und räumlichen Forderungen des Trägers gescheitert“, sagt Ingo Niemann vom Kreis. Es geht dabei dem Vernehmen nach um unterschiedliche Vorstellungen, wie oft ein solcher Raum zur Verfügung stehen müsste.
Auf der nächsten Sitzung des Kreistages am 24. Juni soll die neue Vergütungsvereinbarung für die Frauenberatung beschlossen werden. Im Anschluss sollen weitere Gespräche folgen. Wo in Witten Frauen, die Gewalt erfahren, künftig eine Anlaufstelle haben, wird sich dann erst zeigen.
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