Witten. Ein neues Café hat auf der oberen Bahnhofstraße eröffnet. Die Betreiber, ein junges Pärchen, kommen aus Schweden. Was führt sie bloß nach Witten?
Obwohl es beste City-Lage ist, läuft man derzeit noch schnell an dem neuen Café auf der oberen Bahnhofstraße vorbei. Zwar künden bunte Luftballons am Eingang von der Eröffnung. Doch man sieht noch kein auffälliges Namensschild. Und vielleicht hat ja auch niemand damit gerechnet, dass sich nach dem langen Leerstand neben Tchibo und Rossmann hier endlich wieder was tut. Alter Schwede!
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Wobei diese Redewendung als „Ausdruck des Erstaunens“ (Wikipedia) nicht ganz zutreffend ist. Die Betreiber des „L&A Café. Swedish Cake and Coffee“ kommen zwar tatsächlich aus Schweden. Alt sind sie aber nicht. Linda, die für all die süßen und herzhaften Versuchungen in der Auslage verantwortlich ist („handgemacht“), ist 28 Jahre jung, ihr Partner Mohammed 26. Und dessen Bruder Laith, der im Service und beim Dolmetschen hilft, gerade 23.
Mohammeds Familie lebt in Dortmund und das ist letztlich einer der Hauptgründe, warum Linda und er nun in Witten gelandet sind. Sie haben eine Stunde von Stockholm gelebt, in Nyköping, einer der ältesten Städte Schwedens, direkt an der Ostsee, mit Mühlen und Schlössern, Hafen und Touristen. Und jetzt backt Linda ihren Früchtekuchen auf der oberen Bahnhofstraße in Witten. Das muss man erst mal verstehen.
In Witten hat es bei Linda und Mohammed „klick“ gemacht
Nach vielen Erfahrungen in der Gastronomie, auch in Spanien, wollte Linda endlich ihr eigenes Café eröffnen. „Wir haben überall in Dortmund geguckt. Aber in Witten hat es „klick“ gemacht“, sagt die Schwedin, die ihr Talent zum Backen und Kochen der weiblichen Seite ihrer Familie verdankt.
„Meine Großmutter hatte eine Bäckerei“, erzählt sie. „Meine Mutter hat in Restaurants und Cafés gearbeitet.“ Außerdem lernte sie in der Schule, mit Teig und Torten umzugehen. Das Erste, was man als Kind in Schweden lerne zu backen, seien übrigens Schokokugeln. Die werden natürlich jetzt auch in Witten angeboten.
Alles sieht lecker und ein bisschen anders aus, als man es vielleicht von deutschen Konditoreien gewohnt ist. Der Käsekuchen kommt mit Mango oder einer roten Früchteschicht daher, eine andere Torte mit Erdbeere, Banane und weißer Schokolade oder wahlweise Blaubeeren, Karamell und bunten Streuseln. Linda kann aber auch deftiger. Bei Brötchen ist von Thunfisch über Ei bis Hähnchen alles vertreten. Wer‘s typisch schwedisch mag, könnte bei einem Sandwich namens „Skagen“ richtig liegen. Es ist mit Shrimps und Majo gefüllt.
„Ich hoffe, dass es die Wittener lieben und ihnen alles schmeckt“, sagt die junge Frau, die morgens gegen drei, vier Uhr mit dem Backen anfängt. Das sei derzeit noch ein großes Abenteuer, weil sich der Laden erst einmal herumsprechen muss und sie gar nicht weiß, „wie viel ich backen soll“.
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Warum sie sich nicht daheim oder in der nahe gelegenen skandinavischen Metropole selbstständig gemacht haben? Linda schüttelt den Kopf. „Um im Zentrum von Stockholm ein Café zu eröffnen, musst du reich sein.“ So hoch seien die Ladenmieten. Außerdem ist ihr die Hauptstadt „zu voll, zu schnell“.
Linda und Mohammed wünschen sich, dass sich die Wittener schnell bei ihnen wohlfühlen und bei Kaffeespezialitäten und einem Stück Kuchen oder belegten Brötchen entspannen. Sie mag die überschaubare Stadt, wo man die Menschen schnell kennenlerne. Ein wenig fühlt sie sich an ihr Zuhause erinnert. „Hier ist es draußen aber viel lebendiger und vor allem viel, viel wärmer.“ Nur dass die Geschäfte sonntags geschlossen sind, ist für sie noch gewöhnungsbedürftig.
Viele Passanten wollen erst einmal nur gucken, eine Kundin fragt: „Wie heißt das hier? Es sieht schön aus.“ Der Holztresen, die Tische, alles ist neu. Draußen sitzt man unter weißen Schirmen, hinten im Inneren stehen blaue Sofas. In nur zweieinhalb Monaten haben Linda, Mohammed und dessen Familie das leeren Ladenlokal, wo vor fünf Jahren die Bäckereikette Oebel dicht machte, auf Vordermann gebracht.
„Schön, dass es hier wieder einen Laden gibt“, sagt eine Kundin mit Rollator, „das Eibrötchen schmeckt gut“, meint eine andere. „Draußen fehlt nur Reklame“, stellt ein Gast fest, „man sieht‘s gar nicht so.“ Das stimmt. Vielleicht liegt es auch an dem lang gestreckten Raum, der sich noch weit nach hinten erstreckt.
Nach einem nicht ganz reibungslosen Eröffnungswochenende - ausgerechnet die Kaffeemaschine ging kaputt - hoffen Linda und Mohammed nun, dass es gut anläuft. „Lebe deinen Traum“, hat ihre Mutter gesagt. Wer hätte gedacht, dass sich eine junge Schwedin und ihr Lebensgefährte dafür ausgerechnet Witten aussuchen.