Witten. Zwei Pflegekräfte (33/59), die im St. Josefshaus in Witten-Herbede arbeiten, erzählen von ihrem Job in der Pandemie. Ein Beschluss verletzt sie.
Im Herbeder St. Josefshaus in Witten ist die Vorfreude aufs Fest überall zu spüren: Tannenzweige und Kugeln schaffen eine heimelige Atmosphäre. Die Tische im Speisesaal sind liebevoll dekoriert. Es gibt einen Mini-Basar mit Deko, die einige Bewohner gebastelt haben. Über die Gänge schallt ein Weihnachtslied. Da könnte man Corona beinahe vergessen. „Aber die Leichtigkeit fehlt“, sagt Altenpfleger Uli Schwarz.
Das geht schon los mit der Prozedur für alle, die hinein wollen: Impfpass vorzeigen, Kontaktdaten notieren, Temperatur messen und sich testen lassen, wenn das nicht vorher erledigt wurde. Für das Pflegepersonal ist das ständige Tragen der Maske schlimm – nicht nur, weil die sowieso nervt. „Die Bewohner sehen ja unsere Mimik nicht mehr.“ Gerade im Umgang mit Dementen sei das schwierig. Auch Umarmen geht nicht. Deshalb versucht Uli Schwarz, Humor zu bewahren.
Wittener Altenpfleger war selbst infiziert
„Wenn ich morgens ins Zimmer komme, mache ich gleich einen Spaß“, sagt der 59-Jährige. Redet über das Wetter, den schönen Tag. „Viel zu schön, um sterben zu wollen.“ Damit lenkt er die Menschen oft von ihrer Todessehnsucht und ihren Sorgen ab – die er natürlich trotzdem ernst nimmt. Denn sie sind in der Pandemie größer geworden. „Das ständige Hin und Her bei den Regeln ängstigt sie“, weiß auch Kollegin Sarah Jakobi (33). Und wenn der Blutdruck mal steigt, fragen viele gleich: „Habe ich Corona?“
Uli Schwarz, der seit 30 Jahren im Josefshaus arbeitet, war im November 2020 selbst infiziert. „Mein Frau hatte Angst, dass ich den Löffel abgebe.“ Er wolle das nicht noch einmal erleben – auch nicht bei anderen. Im Altenheim selber hatten sie Glück: „Nur drei Fälle im vergangenen Jahr und kein schlimmer Verlauf“, sagt Pflegedienstleiterin Hedwig Deppe (59). Inzwischen seien die 80 Bewohner längst alle geimpft. 68 seien geboostert, der Rest folge bald. Bei den Beschäftigten bekommen die drei letzten in Kürze ihren Piks.
Impfpflicht: „Beschluss ist verletzend“
Die Impfpflicht nur für Gesundheits- und Pflegepersonal ab dem 15. März müsste das Josefshaus also nicht mehr stören. Tut sie aber doch: „Der Beschluss des Bundestags verletzt mich. Er zeigt, wie wenig Respekt vor unserem Beruf besteht“, wird Hedwig Deppe deutlich. Sie glaubt, dass der größte Teil der Kräfte sich seiner Verantwortung durchaus bewusst sei. „Die meisten sind ohnehin geimpft.“
Denn wer pflegt, hängt an seinem Job. Mache ihn mit Leidenschaft, sagt Deppe. „Ich war vorher Industriekaufmann“, sagt Uli Schwarz. „Aber das war nichts für mich. Ich bin gerne für Menschen da.“ Deshalb hat er umgeschult. Dabei hat er zuhause auch noch einen 95-jährigen Vater und eine demente Mutter, die nebenan wohnen. „Wir gehen jeden Tag zigmal rüber.“
Wittener Altenpflegerin: Mit kleinen Dingen viel bewirken
Sarah Jakobi ist eigentlich Bürokauffrau, wollte aber lieber in den sozialen Bereich. Sie hat ein Praktikum im Josefshaus gemacht und sich sofort um eine Ausbildung beworben. Im Oktober hat sie ihr Zehnjähriges gefeiert. Die junge Mutter arbeitet wegen Tochter Lottie (fast zwei) gerade in Teilzeit, steigt aber bald wieder voll ein. „Ich möchte nichts anderes mehr machen. Man kann mit kleinen Dingen so viel bewirken.“ Sich mal fünf Minuten unterhalten. Oder kurz bei einem Bewohner sitzen. Deren Lächeln entschädige für vieles. Ebenso wie die Dankbarkeit vieler Angehöriger, die nicht nur zu Weihnachten Berge von Süßigkeiten und Briefe schicken.
Denn wer pflegt, leistet Schwerstarbeit. „Man hat wenig Freizeit, wenig private Kontakte“, sagt Uli Schwarz. Er sei sich nicht sicher, ob er den Job noch einmal machen würde. „Man versucht, allen gerecht zu werden, und vergisst sich dabei oft selbst.“ Deshalb meditiert der Altenpfleger täglich eine halbe Stunde und geht drei Mal pro Woche eine Stunde laufen. Für Kollegin Sarah, die sich sonst beim Sport ausgepowert hat, ist im Moment ihre kleine Tochter Ausgleich genug.
Sie hat am Weihnachtswochenende frei. Schwarz muss am 24. morgens ran. Beide sind auch Silvester und Neujahr im Einsatz. „Weihnachten sind die Bewohner meist sehr traurig“, weiß der 59-Jährige. Er wird alles geben, um sie mit seinen Späßen aufzuheitern.