Witten. In ihrem neuen Dokumentarfilm spricht Andrea Lötscher mit einer Hebamme, die in Witten viele Kinder auf die Welt geholt hat. Was noch Thema ist.

Den beiden großen Themen „Geburt“ und „Tod“ widmet sich die Dokumentarfilmerin Andrea Lötscher in ihren beiden jüngsten Arbeiten. Entstanden ist die Idee zu dem Projekt in der Corona-Zeit, als die Schwiegermutter der 46-Jährigen im Sterben lag. „Und mir kam der Gedanke: Das Sterben ist wie eine Geburt – ein Übergang. Nur in der anderen Richtung.“ Kann das wirklich sein? Darüber hat Lötscher mit zwei erfahrenen Frauen – einer Heb- und einer Sterbeamme – gesprochen und die berührenden Interviews zu zwei Filmen von insgesamt gut einer Stunde zusammengestellt.

Hebamme Christa van Leeuwen hat auch in Witten vielen Kinder auf die Welt geholfen.     
Hebamme Christa van Leeuwen hat auch in Witten vielen Kinder auf die Welt geholfen.      © Screeshot | Andrea Lötscher

Warum sie wieder Interviews in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt hat? „Weil ich Ethnologin bin, weil es mich interessiert, wie Menschen bestimmte Themen sehen“, sagt die 46-Jährige, die in Witten aufgewachsen ist und jetzt an der Stadtgrenze wohnt. Mit ihrer Dokumentation über den Christopherus-Hof, den sie ein Jahr lang begleitet hat, und dem Kurzfilm „Weltweit – Weltnah“ ist sie in der Stadt einem größeren Publikum bekannt geworden. Diesmal ist der Kreis der Zuschauer – bislang – kleiner. Denn ihre jüngsten Werke sind wegen der Pandemie nicht in Programmkinos, sondern nur bei Youtube zu sehen. Die Klickzahlen dort sind sicher noch ausbaufähig: Die eindrucksvollen Filme dürften viele Wittener interessieren.

Hebamme hat auch in Witten viele Kinder auf die Welt geholt

Denn über die Geburt spricht Lötscher mit Christa van Leeuwen, die auch in Witten viele Kinder auf die Welt geholt hat. Die jetzt 70-Jährige hat 45 Jahre lang als Hebamme gearbeitet, in Kliniken, in Afrika – die letzten 25 Jahre bei Hausgeburten. In dem Gespräch vor der Kamera, das wie ein intimes Treffen von zwei Freundinnen wirkt, berichtet sie von ihren Erfahrungen, erzählt die eine oder andere unterhaltsame Anekdote, hält vor allem aber ein glühendes Plädoyer für einen Weg zurück zur natürlichen Geburt.

Basilissa Jessberger aus Fröndenberg ist Hebamme, arbeitet aber auch als Sterbebegleiterin, als „Seelenhebamme für die Übergänge im Leben der Menschen“. 
Basilissa Jessberger aus Fröndenberg ist Hebamme, arbeitet aber auch als Sterbebegleiterin, als „Seelenhebamme für die Übergänge im Leben der Menschen“.  © Screenshot | Andrea Lötscher

Spannend ist auch die Gesprächspartnerin, die im Film über das Sterben zu Wort kommt. Basilissa Jessberger aus Fröndenberg ist ebenfalls Hebamme, arbeitet aber auch als Sterbebegleiterin, als „Seelenhebamme für die Übergänge im Leben der Menschen“. Sie macht Mut, sich dem Thema Tod schon früh zu stellen. Nicht nur, um vorbereitet zu sein, sondern besser leben zu können. Ihre These: „Wenn ich keine Angst habe vor dem Sterben, dann kann ich das Leben wagen.“

Sterbebegleiterin hält Seminar über den Tod

Das Interview mit der ungewöhnlichen Sterbebegleiterin fanden einige Zuschauer so spannend, dass daraus ein Workshop mit Basilissa Jessberger entstanden ist. Ende Oktober treffen sich 16 Teilnehmer im Haus der Filmemacherin zum zweiten Teil des Seminars „Das Herz für den Tod öffnen – Kofferpacken für die große Reise“.

„Schwarze Perspektiven“ entstand in Witten

Die Filme „Geburt – Ins Leben atmen“ und „Sterben – Aus dem Leben atmen“ sind bei Youtube und auf der Homepage der Dokumentarfilmerin Andrea Lötscher zu sehen: mondrosen.comDort gibt es auch ihren Film „Schwarze Perspektiven – Rassismus ist Gewalt“. Darin werden fünf schwarze Menschen (People of Color), die in Witten leben, studieren oder arbeiten, porträtiert. Der Kurzfilm von Lanre Aranmolate und Andrea Lötscher entstand im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung und will Betroffenen eine Stimme geben.Im nächsten Film von Andrea Lötscher soll es um Depressionen gehen. Es ist bereits in Planung. Auch ein weiteres Seminar mit Basilissa Jessberger ist angedacht. Mehr Infos: lichtschwelle.com

Wer kommt da hin – Patienten, Menschen mit todkranken Angehörigen? „Nein, gar nicht, es sind Menschen zwischen 30 und 60 Jahren“, sagt Andrea Lötscher. Gesund könne man sich schließlich am besten aufs Sterben vorbereiten. Es gehe um praktische Dinge wie eine Patientenverfügung, um Wissen rund um Sterben und Tod, aber etwa auch darum, dass man rechtzeitig Ungeklärtes anspricht, um mit den Menschen im Reinen zu sein. „Basilissa macht Mut, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“

+++Alle Entwicklungen rund um Corona in Witten in unserem lokalen Newsblog+++

Das tun auch die Filme auf ihre Weise. „Ich habe unglaublich viele positive Reaktionen von Zuschauern bekommen“, so Lötscher. Für viele sei der Gedanke, dass Geburt und Sterben ähnliche Übergänge sind, völlig neu gewesen – aber dafür umso spannender. Die 46-Jährige ist überzeugt, dass ihre Interviews noch viele Zuschauer berühren könnten. Anthroposoph oder Esoteriker müsse man dafür nicht sein. „Man muss offen sein dafür, dass es eine Seele gibt.“