Witten. . Andrea Lötscher will den Alltag im Christopherus-Haus ein Jahr lang begleiten. Dafür sammelt die Filmemacherin Geld per „Crowdfunding“ im Internet

Achtung, Kamera läuft: Ein ungewöhnlicher Gast ist seit ein paar Wochen im Christopherus-Haus bei der Arbeit. Andrea Lötscher dreht einen Dokumentarfilm über die Wohn- und Lebensgemeinschaft im Wullen. Ein ganzes Jahr lang wird die 41-Jährige die Menschen dort mit ihrer Kamera begleiten, aus dem Material ein Werk von 60 bis 90 Minuten zusammenschneiden. Ein ungewöhnliches Projekt mit einer noch ungewöhnlicheren Finanzierung: Bezahlt wird der Film über Crowdfunding.

Die Idee dazu stammt von der Filmemacherin selbst: Die studierte Ethnologin hat bereits einen Kurzfilm fürs Netz gedreht, in dem für ein Soziales Jahr im Christopherus-Haus geworben wurde. „Bei den Dreharbeiten hat mich die Lebensgemeinschaft hier so inspiriert und beeindruckt, dass ich gerne einen längere Arbeit dazu machen wollte“, erklärt sie. Und nein – es soll beileibe kein anderhalbstündiger Imagefilm werden: Lötscher will den Alltag in der anthroposophischen Lebensgemeinschaft, das ungewöhnliche Zusammenleben von Behinderten und Nicht-Behinderten dokumentieren.

Spiegel vorgehalten

Die Verantwortlichen dort sind dennoch hellauf begeistert. Angst, sich in die Karten gucken zu lassen, haben sie nicht. „Im Gegenteil, ich glaube es tut gut, sich mal den Spiegel vorhalten zu lassen“, sagt Leiterin Magdalena Gleitz. Denn nur so habe man die Chance, etwas zu verändern. „Aber ganz ehrlich: Andrea geben wir gerne Rechenschaft“, ergänzt ihr Stellvertreter Werner Körsgen lächelnd. „Sie ist eine wirklich gute Beichtmutter.“

Crowdfunding läuft bis zum 24. Mai

In der Wohn- und Lebensgemeinschaft leben 92 Menschen mit Behinderung und mit ihnen etwa 50 weitere: Betreuer mit ihren Familien, aber auch Menschen, die der Gemeinschaft einfach nahe stehen.

Wer Teil des Filmprojekts werden möchte, klickt bis 24. Mai hier: gemeinschaftscrowd.de/christopherus-haus

Vor allem das „Eschenhaus“ mit seinen zehn Bewohnern und ihren Betreuern will die Dortmunderin in den nächsten Monaten begleiten, bei Veranstaltungen dabei sein, dazu kommen Interviews mit Mitarbeitern, Bewohnern, Angehörigen. Im nächsten Frühjahr soll der Film fertig sein. Und dann? „Kino oder Fernsehen wäre toll“, so Lötscher. Aber festlegen will sie sich nicht: „Wenn ich nicht an einen Sender gebunden bin, bin ich freier in der Gestaltung.“

Erwähnung im Abspann

Alle Beteiligten hoffen, dass genug Geld zusammenkommt, um das ehrgeizige Projekt in die Tat umzusetzen. 5500 Euro, so das Ziel, sollen über das „Crowdfunding“ zusammenkommen. Dabei spenden Interessierte im Internet und haben dabei die Möglichkeit, je nach Höhe der Summe Vergünstigungen zu bekommen: eine Erwähnung im Abspann, eine Vorab-DVD. „Oder sogar ein Glas von meinem selbst gemachten Honig“, so Körsgen schmunzelnd. Gut die Hälfte der Summe ist schon erreicht. „Und wir sind zuversichtlich, dass es mit dem Rest auch noch klappt.“ Denn schließlich gebe es auch das normale Förderkonto und die gute, alte Spendenliste.

Es sieht also gut aus für den Film. Und Werner Körsgen nutzt die Gelegenheit, eine Bitte loszuwerden: „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte von dem Film, dann dass er vielen Mut macht, die Begegnung von Menschen mit Behinderung zu wagen“, sagt Körsgen. „Denn diese Begegnungen sind schön.“

Maifest am Sonntag

Wer das Christopherus-Haus und seine Arbeit kennen lernen möchte, hat dazu am kommenden Sonntag Gelegenheit: Dann lädt die anthroposophische Wohn- und Lebensgemeinschaft wieder zu ihrem großen Maifest.

Das beginnt traditionell um 11 Uhr auf dem Gelände im Wullen 75 mit dem Maigang, der zum Annener Berg und wieder zurück führt und bei dem Gäste willkommen sind. Um 12.30 Uhr wartet dann das Mittagessen auf die Teilnehmer.

Anschließend beginnt um 14 Uhr mit dem Aufstellen des Maibaums das große Fest auf dem Hof. Geplant ist wieder ein Kulturprogramm mit Musik und Tanz. Erwartet werden u.a. Gaukler, der Kirchenchor St. Joseph und Dudelsackspieler. Für ausreichend Kaffee, Kuchen und Würstchen ist natürlich gesorgt.

Alle, die mit dem Auto anreisen, werden gebeten, sich einen Parkplatz an der Uni zu suchen und die etwa 300 Meter Fußweg in Kauf zu nehmen.