Witten. Witten bleibt handlungsfähig, begründet SPD-Fraktionschef Rath die Zustimmung zum Haushalt. Was er fordert, damit der Ausgleich gesichert ist.
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
die Pflicht des Chronisten ist es, Sachverhalte realistisch abzubilden und den Blick in die Zukunft optimistisch auszurichten. Beides fällt in der heutigen Zeit schwer. Auch wenn wir hoffnungsvoll und mit großer Zuversicht nach vorne schauen möchten, belasten uns die aktuellen Einschränkungen der Pandemie doch jeden Tag erheblich.
„Haushaltsentwurf verschafft Stadt Witten Handlungsfähigkeit“
Der Haushaltsplanentwurf 2021 ist im allgemeinen Sprachgebrauch ausgeglichen und damit genehmigungsfähig. Er ist die Geschäftsgrundlage für solides Arbeiten in der Verwaltung und die Umsetzung notwendiger Maßnahmen. Der Haushaltsplanentwurf verschafft der Stadt Witten Handlungsfähigkeit. So weit, so gut. Bei näherer Betrachtung allerdings ist der Haushaltsplanentwurf 2021 höchst defizitär. Nur durch die „Isolierung der Corona-Schäden“ gelingt es, einen „fiktiv ausgeglichenen Haushalt“ herzustellen. Die Bewältigung der Folgen wird über eine lange Zeit verteilt und in fast zwei Generationen finanziell nachwirken.
Der rechtliche Rahmen bildet zurzeit die Grundlage, wie von der Verwaltung praktiziert vorzugehen. Er unterstützt auch die Möglichkeit, für alle im Haushalt dargestellten Planjahre die Corona-Schäden zu isolieren. Das kann in der nächsten Fortschreibung des Entwurfes jedoch nur dann geschehen, wenn dazu eine gesetzliche Klarstellung erfolgt. Wenn Bund und Land nicht entsprechend handeln, werden durch die Folgen der Pandemie in kürzester Zeit alle Erfolge der vorherigen Konsolidierungsjahre komplett aufgezehrt. Darüber hinaus werden die Liquiditätskredite neue Höchststände erreichen. Ohne ergebnis- und finanzwirksame Unterstützung durch Bund und Land wird Witten den Haushaltsausgleich nicht sicherstellen können.
Steuereinnahmen brechen um mehr als 20 Millionen Euro ein
Werfen wir aber nun einen Blick auf die Erträge und Aufwendungen des Haushaltsplanentwurfs 2021. Der Haushaltsplanentwurf weist ordentliche Erträge in Höhe von 286,4 Mio. Euro auf. Dazu kommen außerordentliche Erträge aus der Corona-Isolation von 27,6 Mio. Euro, insgesamt also 314 Mio. Euro. Zwar sind Steuern weiterhin der größte Block, diese liegen aber um mehr als 20 Mio. Euro unter den Vorjahreswerten und tragen maßgeblich zum Rückgang der ordentlichen Gesamterträge bei.
Besonders betroffen vom Steuereinbruch ist die Gewerbesteuer, ihr folgt die Einkommenssteuer und relativ gesehen sogar mit dem höchsten Einbruch die Vergnügungssteuer, bei der mit einer Halbierung zu rechnen ist. Auch die Schlüsselzuweisungen liegen deutlich unter der bisherigen Planung.
SPD-Fraktionschef von Witten kritisiert „permanenten Anstieg der Transferaufwendungen“
Die Aufwandsseite des Haushaltes birgt wenig Überraschungen. Zu den konstant negativen Trends gehört der permanente Anstieg der Transferaufwendungen, die ziemlich genau die Hälfte aller Aufwendungen ausmachen. Und das, obwohl der Kreis vor allem in Folge der Veränderungen bei den Kosten der Unterkunft seinen Umlagesatz in den Finanzplanungsjahren absenkt. Insbesondere die Transfers für soziale Zwecke, Kinder und Jugendliche steigen unaufhaltsam. Die Betriebskostenzuschüsse für Kitas werden sich in 2021 im Vergleich zum ersten Stärkungspaktjahr 2012 mit rund 34,9 Mio. Euro fast exakt verdoppelt haben. Hier bilden sich die Erfüllung des Rechtsanspruchs sowie das eigene Ausbauprogramm ab.
Auch die Entwicklung des Personalaufwandes erfährt neue Dynamik. Dazu tragen sehr nachhaltig die recht hohen Gehaltssteigerungen der letzten Jahre im öffentlichen Dienst bei, die zudem Kumulationseffekte beim Versorgungsaufwand bewirken. Diese sind auf absehbare Zeit nicht mehr beeinflussbar, da die geburtenstarken Jahrgänge erst noch vor ihrer Pensionierung stehen.
Mehr Personal für die Kitas in Witten und 14 neue Ingenieurstellen
Des Weiteren sind erforderliche Nachbesetzungen und Neueinstellungen, die in 2020 nicht erfolgen konnten, vorzunehmen. 10 Stellen für pflichtige Aufgaben im Bereich Soziales und Jugend, 22 Stellen für Personal in den Kitas, 2,5 Stellen für Klima- und Umweltschutzaufgaben sowie 14 Ingenieurstellen im Hoch- und Tiefbau sind zur Abdeckung von rechtlichen Vorgaben und zur Umsetzung des Straßen- und Hochbauprogramms zusätzlich erforderlich.
Die Entwicklung der Verschuldung zeigt deutlich den Anstieg der Liquiditätskredite. Ein Abbau des negativen Eigenkapitals rückt in nicht mehr erreichbare Zukunft. Wenn dann parallel das Stärkungspaktgesetz auslaufen soll, droht eine Nichtgenehmigung der Haushalte aller zukünftigen Jahre. Weder sind liquiditätswirksame Hilfsprogramme erkennbar noch Entlastungen von Aufgaben und Aufwendungen, noch Sonderreglungen für überschuldete Kommunen. Damit rächt sich dann für Städte wie Witten bitter, dass die Entschuldung von Altschulden von der Tagesordnung der Bundes- und Landespolitik genommen wurde.
Investitionen in Kita-Ausbau in Witten und Digitalisierung
Gemessen an den aktuellen Hilfen für die Wirtschaft (oder erst recht gemessen an der Bankenrettung 2008/2009) wäre die Entschuldung einfach zu stemmen gewesen. Zumal ja selbst die Kommission für Gemeindefinanzen anerkannt hat, dass die ganz überragende Ursache die Fehlfinanzierung der sozialen Lasten über Jahrzehnte war. Zum Anstieg der Verschuldung trägt auch die investive Verschuldung bei.
Kindergartenausbau, Schulsanierung, Straßen- und Radwegebau und städtebauliche Projekte führen trotz hoher Fördermittel zu diesem Anstieg. Schwerpunkt außerhalb dieser Bereiche wird vor allem die Digitalisierung sein. Der Haushalt enthält außer den Gute-Schule-Beträgen und den Digitalpaktmitteln auch Ansätze für die Glasfaseranbindung der Schulen.
Als neue, bedeutende Investitionsmaßnahmen sind der Neubau des Kindergartens in Durchholz und der Neubau einer Dreifachsporthalle, als Ersatz für die Horst-Schwartz-Halle, zu nennen. Um weitere bedeutende investive Fortführungsmaßnahmen handelt es sich bei der Sanierung des Rathauses und der Sanierung der Pferdebachstraße.
Fraktionschef der SPD fordert weiteren Stärkungspakt und eine „echte Entschuldung“
Vom Haushaltsplanentwurf 2021, seinen Erträgen und Aufwendungen, wieder zurück in das zu Beginn kurz angerissene Spannungsfeld von Bund, Ländern und Gemeinden. Aus Sicht der Städte hat 2020 gezeigt, welche Unterstützung wir brauchen: Echte liquiditätswirksame Hilfen wie die Auskehrung der Restmittel aus dem Stärkungspakt, die Gewerbesteuerkompensation oder die Aufstockung der Verbundmasse. Es braucht im Weiteren eine fortgesetzte nachhaltige Entlastung von sozialen Kosten.
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Schulen sowie die zu erwartenden Anforderungen an die Städte bezüglich der digitalen Ausstattung mit Lehr- und Lernmitteln sind jeweils für sich geeignet, die Entlastung aus der höheren Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten wieder aufzufressen. Nicht zuletzt ist auch eine Anschlussregelung für den Stärkungspakt erforderlich, die die Landesregierung und die Koalition in Düsseldorf zugesagt haben. Aus Sicht der überschuldeten Städte muss ein Element darin eine echte Entschuldung sein. Die Mittel dafür sind da. Das Unterstützungsvolumen für die Wirtschaft beweist das.
„Die Städte sind höchst systemrelevant“
Die Städte als Keimzelle aller staatlichen Organisation sind, wie sich gerade zeigt, höchst systemrelevant. Wenn das finanziell hinterlegt wird, können wir insgesamt die Krise besser meistern. Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren. Die SPD-Fraktion wird den Haushaltsplanentwurf 2021 mittragen.
Der Haushaltsplanentwurf setzt auf Kontinuität. Er ist geprägt durch die Beschlüsse des Rates aus der letzten Wahlperiode. Der Entwurf führt die Anstrengungen der vergangenen Jahre zur Haushaltskonsolidierung angemessen fort und reagiert zugleich auf aktuelle Entwicklungen. Der Haushaltsplanentwurf 2021 berücksichtigt die Verlustabdeckung der durch Corona bedingten Schäden bei den verbundenen Unternehmen wie Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet, Stadtwerke und Kulturforum.
Mehr Geld für die Pferdebachstraße in Witten und den Knotenpunkt Heven
Im investiven Bereich werden die bereits erhöhten Ausgaben für die Baustelle Pferdebachstraße noch einmal nach oben angepasst und zudem Mittel für den Ausbau des ÖPNV-Knotenpunktes Heven eingestellt. Darüber hinaus sind auch die erforderlichen Aufwendungen für die übergangsweise zu errichtende Traglufthallein Vormholz im Haushalt abgebildet.
Mit Bezug auf den Stellenplan ist eine weitere positive Entwicklung festzuhalten. Während über viele Jahre der Zuwachs gerade im Sozial- und Jugendbereich durch Stellenstreichungen im technischen, gewerblichen und Verwaltungsbereich kompensiert werden konnte, war dies zuletzt nicht mehr möglich. Durch die nun erfolgte Akzentsetzung im technischen Bereich können auch Maßnahmen der Schulsanierung, des Radverkehrskonzeptes und des Klimaschutzes künftig schneller und effizienter umgesetzt werden.
SPD-Fraktionschef lobt Spielräume für „Stellenergänzungen mit Augenmaß“
Nicht zuletzt eröffnet der Haushaltsplanentwurf 2021 Spielräume für die im Rahmen der Haushaltsplanberatung mit Augenmaß vorgeschlagenen Stellenergänzungen. Somit könnten bei entsprechender Beschlusslage jeweils zwei Stellen für die Schulsozialarbeit und für Streetwork (aufsuchende Straßensozialarbeit) in den aktuellen Stellenplan zusätzlich mit aufgenommen werden.
Abschließend richtet sich mein Dank an den Verwaltungsvorstand, insbesondere Herrn König und Herrn Kleinschmidt mit seinem Team, für den hohen Arbeitseinsatz, der hier mit der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfes 2021 geleistet worden ist. Dank gilt aber auch Ihnen, verehrte Ratsmitglieder, für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.“
Dr. Uwe Rath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in Witten
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