Witten. Die Linke in Witten fordert mehr Einsatz für Umwelt und Klima, gerechtere Verteilung von Geld und nicht zuletzt mehr Transparenz beim Haushalt.
Am Montag (15.2.) hat der Rat der Stadt den neuen Haushalt verabschiedet. Die Fraktionen durften wegen Corona nicht – wie sonst üblich – ihre Haushaltsreden in der Sitzung vortragen. Sie wurden lediglich zu Protokoll gegeben. Hier lesen Sie das Statement von Ulla Weiß, Fraktionsvorsitzende der Linken:
Corona und die Pleite der Stadtfinanzen
„Der Entwurf der Haushaltssatzung 2021 sieht im Ergebnisplan einen Überschuss von 950.490 Euro vor. Diese positive Zahl wird nur möglich, indem die Landesregierung durch einen Rechentrick den Kommunen erlaubt, einen Schattenhaushalt zu führen. Das „NKF-COVID-19-IsolierungsgesetzNRW“ (NKF-CIG) vom 29.9.2020 erlaubt die Mindererträge bei Einnahmen, z. B. durch den Rückgang der Gewerbesteuer, in Witten ca. 18 Mio. Euro, und die Mehrausgaben aufgrund von Corona, u. a. für Sicherheitsdienste und Desinfektionsmittel, aus dem allgemeinen Haushalt herauszunehmen. Laut 1. Änderungsliste zum Haushalt vom 30.1.2021 beläuft sich dieser Betrag in Witten auf 33.195.206 Euro. Er wird in einem „Extraprodukt“ 160102 gebucht. Diese 33 Millionen Euro werden im Haushalt nicht für die Bilanzierung betrachtet. Sie sollen in den nächsten 50 Jahren abgeschrieben werden.
Dazu schreibt der Kämmerer selbst: „Die ab dem Jahr 2025 erforderliche Abschreibung der Coronaschäden auf bis zu 50 Jahre wird in den zukünftigen Haushalten kaum zu kompensieren sein.“ Diese Mehrausgaben und Mindereinnahmen werden nicht durch zusätzliche Mittel von Land oder Bund kompensiert. Durch diesen Trick kann eine „Pleitewelle“ der Kommunen im Wahljahr 2021 kaschiert werden. Die Bewältigung dieser neuen Schulden wird auf die nächsten Jahrzehnte und die nächsten Generationen verschoben. Dies nenne ich eine verantwortungslose Politik der Landesregierung NRW! Die zusätzlichen Kosten für die Kommune durch die Coronapandemie müssen von Bund und Land übernommen werden!
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Die Linke im Rat der Stadt Witten will eine Haushaltspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet, die die Umwelt und das Klima schützt, die Finanzen transparent macht und eine Perspektive für die Finanzen der Kommune bietet. Dazu haben wir zwölf Linke Haushaltsanträge gestellt und einen gemeinsamen Antrag mit den Fraktionen Bürgerforum und Piraten. Alle Anträge sind auf unserer Homepage unter diesem Link nachzulesen: https://www.dielinke-en.de/fraktionen/witten/haushaltsantraege/antraege-zum-haushalt-2021/
Bessere Arbeitsbedingungen
Die Linke fordert ein Ende der Leiharbeit bei den Sicherheitskräften, bei der Betreuung und Verwaltung der Geflüchteten. Alle Arbeitnehmer, die für die Stadt tätig sind, sollen Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes erhalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass es immer mehr Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse gibt. Leiharbeitsverhältnisse sind extrem unsicher und in der Regel schlecht bezahlt. Ebenso fordert die Linke keine weitere Privatisierung von Reinigungsdienstleistungen. Die hohe Verantwortung zur Durchführung von hygienisch einwandfreier Reinigung von Diensträumen, Schulen und Kitas zeigt sich gerade jetzt in Corona. Unsere Reinigungskräfte sollten als Held*innen behandelt werden und entsprechend gute Arbeitsverträge erhalten!
Mehr Umwelt- und Klimaschutz
Wir benötigen Ziele und Kennzahlen für den Biomüll, um endlich den Plastikanteil relevant zu vermindern. Ebenso wie im Meer sind wir dabei, unsere Böden mit Mikroplastik zu verunreinigen. Dem müssen wir durch Aufklärung und gezielte Öffentlichkeitsarbeit entgegensteuern. Bäume sind Leben. Wir müssen sie schützen. Durch die Erfassung der Baumfällungen, der Neupflanzungen sowie dem Ziel „Erhalt und Ausbau des Wittener Baumbestands“ wollen wir das verantwortungslose Fällen von wertvollen Bäumen in Witten zukünftig verhindern.
Wer braucht sieben Braunkohlekraftwerke und zwei Atomkraftwerke? Kein vernünftiger Mensch. Sie gehören sofort abgeschaltet. Mit seinen Braunkohlekraftwerken trägt RWE maßgeblich zu den klimaschädlichen CO2-Emissionen bei. Jeder Weiterbetrieb von Atomkraftwerken produziert Atommüll, der über Millionen Jahre strahlen wird. Für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder muss dies sofort beendet werden. Auf die Stadtwerke muss so eingewirkt werden, dass die RWE-Aktien verkauft und der Erlös für eine umweltfreundliche Energieerzeugung sowie aktive Klimapolitik in den Stadtwerken und in der Stadt Witten eingesetzt wird.
Mehr Streetworker statt Repression für Heranwachsende fordert die Linke gemeinsam mit Piraten und Bürgerforum.
Gerechte Verteilung von Geld und Einführung der Millionärssteuer
Die Linke fordert, dass das Gehalt des Sparkassenvorstands auf die Höhe des Entgelts des Kämmerers begrenzt wird. Mit ca. 105.000 Euro Jahresgehalt wird die verantwortungsvolle Aufgabe gut entlohnt. Es könnte eine Perspektive für eine Unterstützung der Stadt Witten durch die Sparkasse entstehen, so wie es in anderen Städten seit Jahren üblich ist. Nicht in Ordnung ist die Gewinnabführung der Städtischen Entwässerungsbetriebe (ESW) an die Stadt Witten, so lange die Abwasserkanäle nicht umfassend repariert sind. Mit Hilfe von kalkulatorischen Zinsen werden dem Betrieb 6 Millionen Euro entzogen, die sonst für die Sanierung der Kanäle eingesetzt werden könnten. Dies muss sofort beendet werden. Dies wollen wir mit unserem Antrag zur ESW erreichen!
In Witten ist eine Gesamtverschuldung von 416 Millionen Euro zum Ende 2021 geplant. Dazu bemerkt der Kämmerer auf der gleichen Seite: „Das Altschuldenproblem ist nicht gelöst und es entstehen in massiver Höhe neue Liquiditätskredite.“ Warum? U. a. weil Land und Bund den Kommunen Aufgaben aufbürden, für die aber nicht vollständig die Finanzierung übernommen wird. In einer Gaststätte heißt es: Wer bestellt, zahlt die ganze Rechnung! Dies wird von Land und Bund in Bezug auf die Städte ignoriert. Um einen Überblick über die unvollständige Refinanzierung von übertragenen Aufgaben zu erhalten, beantragt die Linke einen jährlichen Konnexitätsbericht.
Ein weiterer Baustein zur Verbesserung der kommunalen Finanzen ist die Einführung der Millionärssteuer. Menschen mit großem Vermögen müssen mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Dadurch könnte Witten 21 Millionen Euro mehr erhalten. Dafür soll sich die Stadt Witten auf Landes- und Bundesebene einsetzen. Dies beantragt die Linke!
Mehr Transparenz für besseres Verständnis des Haushalts
Um diesen NKF-Haushalt richtig zu verstehen, muss es Kennzahlen, Messzahlen, Ziele und jährliche Berichte sowie Personalangaben zu den einzelnen Produkten geben. Im Runderlass VV Muster zur GO NRW und KomHVO NRW vom 8.11.2019 wird in Anlage 8 als Muss für die Produkte angegeben: „…beschriebene Produkte,… mit Zielen und Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung, … ggfs. Auszüge aus der Stellenübersicht, …“. Zusätzlich können ergänzende Angaben gemacht werden: … „quantitative und qualitative Leistungsmengen, soweit sie zielbezogen und steuerungsrelevant sind.“ Im Haushaltsentwurf 2021 findet sich nichts davon. Lediglich vage Produktbeschreibungen und manchmal Erläuterungen zu einzelnen Konten sind zu finden. Dieser Haushaltsentwurf widerspricht dem Gesetz.
Das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) ist Anfang der 2000er Jahre eingeführt worden, um den Bürger*innen und Kommunalpolitiker*innen das Verständnis und die Steuerung des kommunalen Haushalts zu erleichtern. In Witten hat die Verwaltung diese Erleichterung den Bürger*innen und Kommunalpolitiker*innen bis heute verweigert. So lange die Basics der gesetzlichen Anforderungen an einen NKF-Haushalt mit Zielen und Kennzahlen nicht enthalten sind, ist der Haushalt unlesbar und ermöglicht keine Steuerung durch die Bürger*innen und Kommunalpolitiker*innen!
Gemeinsam mit den anderen Ratsfraktionen und der Verwaltung möchte die Linke in einen konstruktiven Dialog zur Erarbeitung von Zielen und Kennzahlen, Messzahlen und Personalangaben eintreten. Um eine Idee zu erhalten, wie ein Produkt mit diesen Kriterien aussehen könnte, haben wir u. a. für diese Musterprodukte entworfen: Produkt 030101 Grundschulen, Produkt 120101 Straßenbau, Produkt 130101 Umweltschutz.
Der Haushaltsentwurf 2021 weist viele Mängel auf. Er enthält zu wenig Engagement für Umwelt und Klimaschutz. Er beinhaltet Beschäftigung in Leiharbeit und weitere Privatisierung. Und er ist methodisch mangelhaft erstellt. Wenn dies so bleibt, kann die Linke Fraktion im Rat der Stadt Witten diesem Haushaltsentwurf 2021 nicht zustimmen.“